Neue Teststrategie

NW+-Icon
Corona-Schnelltests ab sofort in Kliniken, Praxen und Pflegeheimen möglich

Ab sofort werden medizinischen Einrichtungen aller Art Antigentests für Patienten, Beschäftigte und auch Besucher finanziert. Doch wie sicher sind sie und für wen sind sie gedacht?

Corona-Antigentests liefern in 15 Minuten ein Ergebnis. Erscheinen zwei Striche auf dem Test, liegt eine Infektion vor. | © picture alliance

Carolin Nieder-Entgelmeier
22.10.2020 | 22.10.2020, 06:03

Berlin/Bielefeld. Deutschland setzt im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus auf eine neue Teststrategie. Seit einer Woche wird Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen und anderen medizinischen Einrichtungen und Diensten der Einsatz von Corona-Schnelltests für Patienten, Personal und Besucher ermöglicht, um Risikogruppen besser zu schützen. Große Hoffnungen setzen aber auch die Industrie, der Tourismus sowie die Veranstalter von Kultur- und Sportveranstaltungen auf die Schnelltests. Doch wie sicher sind die Tests und für wen sind sie gedacht?

Was ist ein Schnelltest?
Mit Corona-Schnelltests sind in der Regel Antigentests gemeint, die nachweisen, ob eine Person mit dem Coronavirus infiziert ist. „Im Gegensatz zu PCR-Tests weisen Antigentests kein Erbmaterial, sondern Virusproteine nach", erklärt Thomas Wüstefeld, Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Medsan aus Hamburg, das Antigentests herstellt. Wie beim PCR-Test müssen laut Wüstefeld auch für einen Antigentest zuvor Proben aus dem Rachen und der Nase von Patienten genommen werden. Danach müssen die Tests aber nicht ins Labor. Die Proben werden in eine Flüssigkeit gegeben, um die Proteine zu lösen. Danach werden wenige Tropfen in das Testkit gegeben und wandern über einen Papierstreifen. „Und nach 15 bis 20 Minuten liegt das Ergebnis vor." Die Schnelligkeit der Tests bietet laut dem Bundesgesundheitsministerium die Möglichkeit, mehr zu testen und schneller Infektionen zu erkennen. „Ihr Einsatz soll verhindern, dass sich alte und kranke Mitbürger mit dem Coronavirus anstecken", erklärt ein Sprecher.

Wie zuverlässig sind Antigentests?
Laut Gesundheitsministerium ist bislang kein Corona-Test fehlerfrei. Positive und negative Testergebnisse können also auch mal falschliegen. Wie verlässlich ein Testverfahren ist, wird laut Wüstefeld durch zwei Parameter bestimmt: Sensitivität und Spezifität.

Die Sensitivität eines Tests gibt laut Ministerium an, bei wie viel Prozent der Infizierten ein Test die Infektion auch wirklich erkennt. Ein Test mit einer Sensitivität von 99 Prozent identifiziert 99 von 100 Infektionen und eine nicht. Eine Person hat also ein falsch-negatives Ergebnis. Je höher die Sensitivität ist, desto sicherer wird die Erkrankung erfasst.

Die Spezifität gibt an, zu wie viel Prozent ein Test eine gesunde Person auch als gesund erkennt. Ein Test mit einer Spezifität von 95 Prozent liefert bei 95 von 100 gesunden Menschen ein negatives Ergebnis. Bei fünf Gesunden schlägt der Test allerdings trotzdem an und erkennt sie fälschlicherweise als infiziert. Er liefert also bei fünf Personen ein falsch-positives Ergebnis.

Der Corona-Antigentest von Medsan hat laut Wüstefeld eine Sensitivität von 92,5 Prozent und eine Spezifität von 99,8 Prozent. Das Bundesinstitut für Arzneimittel hat neben dem Antigentest von Medsan bislang 28 weitere Tests von Herstellern aus aller Welt freigegeben. Die Sensitivität schwankt zwischen 80,60 und 97,6 Prozent und die Spezifität zwischen 97 und 100 Prozent. Nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums sind Antigentests insgesamt weniger treffsicher als PCR-Tests, geben jedoch einen schnellen und recht zuverlässigen Hinweis darauf, ob sich eine Person infiziert hat.

Für wen sind Antigentests gedacht?
Anspruch auf Antigentests haben laut Gesundheitsministerium aktuell nur Beschäftigte, Besucher sowie Patienten in medizinischen Einrichtungen. Erstattet werden die Kosten vom Bund bei stationären Angeboten von höchstens 20 Tests pro versorgter Person und Monat und im ambulanten Bereich von maximal zehn Tests.

Das Gesundheitsministerium empfiehlt Antigentests in medizinischen Einrichtungen vor allem als Vorsorgeinstrument bei Besuchern, die eine Einrichtung betreten, sowie beim Personal und bei Patienten. Kommt es in den Einrichtungen zu Ausbrüchen, sind Antigentests ebenfalls möglich. Empfohlen werden dann jedoch PCR-Tests. Das gilt auch für Reiserückkehrer aus Risikogebieten.

„Der Bund erstattet die Kosten für die Schnelltests allerdings nur, wenn die Einrichtung ein Hygienekonzept einreicht, das genehmigt wird", erklärt Lennart van der Smissen, Geschäftsführer des Hygieneartikel-Großhändlers Unizell. Das Unternehmen entwickelt für Betriebe auch Hygienekonzepte, „denn vor allem kleine Betriebe wie Pflegedienste haben solche Konzepte nicht vorliegen". Zudem müssen die Schnelltests für eine Refinanzierung in Deutschland zugelassen sein.

Eignen sich Antigentests für den privaten Gebrauch?
Laut Gesundheitsministerium müssen alle Antigentests, die aktuell auf dem Markt sind, von medizinischem Personal durchgeführt werden. Menschen, die Covid-19-Symptome haben, Kontakt zu einem Infizierten hatten oder über die Corona-Warn-App informiert wurden, sollten sich weiterhin zuerst telefonisch bei ihrem Hausarzt melden und nicht einfach mit einem Antigentest vorbei kommen.

Auch das RKI rät davon ab, die gesamte Bevölkerung ohne Verdacht flächendeckend durch zu testen und empfiehlt ein zielgerichtetes Vorgehen. Getestet werden sollen vor allem Personen mit Covid-19-Symptomen, Menschen, die mit einem Infizierten Kontakt hatten, Einreisende aus Risikogebieten sowie Personal, Patienten und Bewohner medizinischer Einrichtungen.

Das Interesse an Antigentests ist jedoch groß. „Wir haben aktuell sehr viele Anfragen von Privatpersonen, da viele Menschen Angst vor einer Ansteckung haben", erklärt Markus Wendler, Inhaber des Hilfsmittelversorgers PVM in Bielefeld. „Auch in den medizinischen Einrichtungen herrscht große Verunsicherung." Deshalb informiert der Bielefelder auf seiner Homepage auch über die neue Testverordnung. PVM vertreibt die Antigentests von Medsan mit Hilfe des Großhändlers Unizell. Medsan stellt täglich 800.000 Tests her. „Wir produzieren sieben Tage die Woche und können die Produktion erhöhen", so Wüstefeld.

Wie geht man vor, wenn der Antigentest positiv ist?
Betroffene sollten sich laut RKI sofort in häusliche Quarantäne begeben und Kontakt zum Hausarzt aufnehmen. Positiv getestete Patienten in medizinischen Einrichtungen sollten umgehend isoliert werden. Betroffenes Personal muss laut RKI den Dienst abbrechen und Besucher dürfen die Einrichtung nicht mehr betreten.