Selten trifft man heutzutage noch an einen Ort, an dem totale Stille herrscht. Überall werden wir mit Geräuschen beschallt. Sei es der Verkehr auf der Straße, die Lüftung des Computers oder das Gluckern und Rumoren der Spülmaschine. Wirkliche Stille erfahren wir nur noch selten. Doch fast jeder Siebte in Deutschland findet auch in solchen Momenten keine Ruhe, in denen jedwede Geräuschquelle von außen verstummt ist. Sie haben Tinnitus, ein Geräusch im Ohr, das keine äußere Schallquelle hat. Die Betroffenen sind allein mit ihrem Störenfried im Ohr, den niemand anderes hört außer ihnen selbst.
Ohrgeräusche kennt wohl jeder. Sie tauchen plötzlich auf und vergehen meist auch genauso schnell wieder. Bei manchen Menschen nisten sie sich jedoch über Stunden, Tage und manchmal sogar Monate und Jahre in Ohr und Kopf ein und bereiten erhebliches Unbehagen. Sie können sich nur noch schwer konzentrieren und leiden oft unter Schlafstörungen. Viele ziehen sich zurück, manchmal kann dies sogar Depressionen begünstigen.
Fehlwahrgenommene Geräusche im Ohr
Als Tinnitus bezeichnet man solche Hörwahrnehmungen, die ohne objektiven akustischen Reiz wahrgenommen werden. Nur in selten Fällen liegen tatsächlich hörbare Geräusche vor. Tinnitus dient dabei als Oberbegriff für eine Vielzahl derartiger „fehlwahrgenommener“ Geräusche mit unterschiedlichsten Ursachen und Folgen.
Als Symptom ist der Tinnitus vergleichbar mit dem Schmerz und immer auch ein Warnsignal. Nicht das Symptom muss durch gründliche Diagnostik behandelt werden, sondern die Ursachen müssen im Fokus der Behandlung stehen. Bei Auftreten eines Tinnitus ist auf jeden Fall eine Untersuchung durch einen Hals-Nasen-Ohrenarzt zu empfehlen, die Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen und Behandlungen ist.
Erstmals auftretende Ohrgeräusche sollten immer ernst genommen werden. Ist das Rauschen, Piepen oder Summen nach ein bis drei Tagen noch immer nicht verschwunden, sollte ein HNO-Facharzt aufgesucht werden, mit dem die Ursache und die abgeleitete Therapie besprochen werden sollte. Wichtige Informationen, die vom Betroffenen benötigt werden: Wie hört sich das Ohrgeräusch an? Wann tritt es auf? Wie stark (laut) tritt es auf? Geht das Ohrgeräusch mit anderen Symptomen etwa Ohrenschmerzen oder einem Druckgefühl einher?
Tinnitus entsteht im Kopf
Die Ursachen für das Auftreten sind vielfältig und noch nicht abschließend geklärt. Neurowissenschaftler konnten inzwischen mithilfe bildgebender Verfahren nachweisen, dass ein Tinnitus im Gehirn entsteht. Nervenzellen in Hirngebieten, die akustische Informationen verarbeiten, sind überaktiv – zum Beispiel aufgrund einer Schädigung des Innenohrs. Generell unterschieden wird in der Versorgung die Diagnose eines Tinnitus bei normalem Gehör, die Versorgung von Tinnitus mit gleichzeitigem Hörverlust wie einem Hörsturz oder auch bei zusätzlicher Geräusch- oder Lärmempfindlichkeit (Hyperakusis).
Trainieren, mit dem Dauerton zu leben
Steckt eine Erkrankung als Ursache hinter dem Tinnitus, wird diese zum Beispiel mit Medikamenten behandelt. Damit verschwindet auch der Tinnitus in der Regel. Anders sieht es aus, wenn die Ursache unbekannt bleibt. Ziel der Behandlung ist es dann, die Beschwerden zu lindern und einen Weg zu finden, mit dem Tinnitus im alltäglichen Leben gut zurechtzukommen. Individuelle verhaltenstherapeutische Ansätze versuchen durch systematisches Training die Aufmerksamkeit von störenden Geräuschen abzulenken. Die Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) etwa setzt bei chronischem Tinnitus auf eine umfassende Tinnitus-Beratung inklusive Geräuschtherapie mithilfe von Hörgeräten oder Tinnitus-Maskern sowie einer psychotherapeutischen Begleitung und unterstützenden Methoden wie autogenes Training oder Sport.