Missstand in der Notfallversorgung

Warum ein Rettungssanitäter für Ausbildungsgeld kämpft

Krankenkassen in NRW wollen die Ausbildungskosten nicht zahlen, obwohl es im Gesetz verankert ist

Rettungssanitäter Jonas Schröder kämpft um die Übernahme der Kosten für die Ausbildung zum Notfallsanitäter. | © Christian Mienert/Johanniter

Andrea Sahlmen
05.12.2018 | 09.12.2018, 16:46

Herdecke/ Bielefeld. Im Notfall die 112 wählen und ruckzuck kommt der Krankenwagen. Innerhalb weniger Minuten sind die Rettungskräfte vor Ort und helfen, wo sie nur können. Das ist momentan gängige Praxis, doch in nächster Zeit könnte es immer schwieriger werden, die Rettungswagen mit Fachkräften zu besetzen. Denn die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung zum Notfallsanitäter ist in Nordrhein Westfalen nicht gesichert. Jonas Schröder, Rettungssanitäter aus Herdecke, kämpft mit einer Online-Petition gegen diesen Missstand.

"Mangel wird verheerend"

Schon jetzt ist der Fachkräftemangel im Rettungsdienst gravierend. "Bei Rettungsassistenten ist es schlimm und bei Notfallsanitätern wird der Mangel verheerend", sagt Schröder. "Sie werden überall händeringend gesucht und wer jetzt eine Ausbildung anfängt, ist ja erst in drei Jahren fertig." Das Problem wird in Zukunft größer, warnt der Johanniter-Mann. "Ich persönlich glaube, dass wir zurzeit nah an der Grenze sind, hinter der es für Patientinnen und Patienten negativ spürbar werden könnte", so der 26-Jährige.

Grund dafür ist, dass in NRW niemand die Ausbildungskosten für Notfallsanitäter übernehmen will. Dabei ist bis zum 31.12.2026 die Aus- bzw. Weiterbildung zum Notfallsanitäter Pflicht, da es im Rettungsgesetz festgeschrieben ist. Eigentlich müssen die NRW-Krankenkassen im Zuge der sogenannten „Bedarfsermittlung" – also letztlich über den Preis pro Rettungsfahrt – für die erhöhten Kosten der neuen, gesetzlich vorgeschriebenen Aus- und Weiterbildungen zum Notfallsanitäter aufkommen. Nur in NRW weigern sich die Kassen. In allen übrigen 15 Bundesländern übernehmen sie die Ausbildungskosten.

Schröder kämpft für tausende Kolleginnen und Kollegen in NRW

Für einen Arbeitgeber kostet eine komplette Ausbildung knapp 90.000 Euro, multipliziert auf mehrere tausend Rettungssanitäter in NRW wären das einige Millionen Euro pro Jahr. "Das macht bei den Krankenkassen einen winzigen Bruchteil ihrer Verwaltungskosten aus", zieht Schröder einen Vergleich und verweist auf die 21 Millionen Euro Rücklagen der Krankenkassen. "Aber an der Zukunft des Rettungsdienstes wird gespart?", fragt er sich immer häufiger.

Auf diesen "krassen Misstand" möchte der junge Rettungssanitäter aufmerksam machen. Seine Ausbildungskosten werden zwar glücklicherweise von der Kommune übernommen, dennoch kämpft er für alle Kolleginnen und Kollegen und letztendlich auch für die Menschen in NRW. "Jeder kann schließlich jederzeit plötzlich den Rettungsdienst benötigen - und dann möchte jeder, dass bestausgebildete Retter schnell da sind, um Gesundheit und Leben zu retten", macht der 26-Jährige deutlich, warum er die Online-Petition ins Leben gerufen hat. "Ich fand, das ist die einfachste Art für einen normalen Rettungssanitäter wie mich, auf einen schlimmen Missstand aufmerksam zu machen."

Ministerium ist im Dialog

"Die Thematik ist uns bekannt", teilt Miriam Skroblies vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) in einer Stellungnahme mit.

Der Bundesgesetzgeber habe im Notfallsanitätergesetz keine Regelung zur Finanzierung aufgenommen, heißt es weiter in der Stellungnahme. Aufgrund der Zuständigkeit der Bundesländer für den Rettungsdienst obliege es diesen – so auch dem Land Nordrhein-Westfalen – die Regelungslücke zu füllen. Dies geschah in der letzten Legislaturperiode auf Grundlage eines breiten, fraktionsübergreifenden Konsens.

Das MAGS befinde sich bereits sowohl mit den Krankenkassen, den Kommunalen Spitzenverbänden sowie den anerkannten Hilfsorganisationen im Dialog, erklärt Skroblies.

Mit Verbänden bereits verständigt

"Die Kosten der Notfallsanitäterausbildung sind Kosten des Rettungsdienstes und nach den im Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen sowie den flankierenden untergesetzlichen Regelungen beschriebenen Verfahren auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte als Trägern des Rettungsdienstes unter Beteiligung der Krankenkassen über die Gebühren des Rettungsdienstes zu refinanzieren", heißt es in der Mitteilung.

Das Ministerium habe sich darüber hinaus mit den Kommunalen Spitzenverbänden und den Verbänden der Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen einvernehmlich darauf verständigt, "die bisherigen auf dem Erlasswege veröffentlichten Parameter für die Finanzierung der Notfallsanitäterausbildung zu überarbeiten und auf Basis der bisherigen Erfahrungen anzupassen."

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe werde sich Anfang 2019 damit befassen.

Petition läuft bis Montag

Die Petition läuft noch bis zum 10. Dezember, schon jetzt sind über 4.000 Stimmen zusammen gekommen. Jonas Schröder hofft, dass Karl-Josef Gesundheitsminister Laumann die Unterschriften persönlich entgegen nimmt. "Damit würde er uns ein Zeichen und die Hoffnung geben, dass er sich des Problems annimmt und es hoffentlich bald löst", sagt der Rettungssanitäter.

Für den 26-Jährigen bedeutet die Mithilfe im Rettungswagen unheimlich viel. "Ich habe als Rettungssanitäter nicht nur einen Beruf, sondern eine Berufung gefunden", sagt Schröder. "Und obendrein ein tolles Team aus Rettungsdienst-Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich sehr gerne zusammenarbeite". Vorher habe er eine Ausbildung zum Forstwirt gemacht und dann gemerkt, "dass ich mehr mit Menschen arbeiten möchte und mit das Helfen sehr viel Freude bereitet". Und deshalb will er auch jetzt seinen Kollegen helfen und für für die Finanzierung der Notfallsanitäter-Ausbildung kämpfen.

INFORMATION


Der Notfallsanitäter

Notfallsanitäter müssen im Einsatz vor Ort zum Beispiel Maßnahmen vorbereiten oder einleiten, die ihnen die frühere Rechtslage nicht ausdrücklich erlaubte. Zudem möchte der Gesetzgeber ausdrücklich die Attraktivität des Berufsbildes steigern.

So wird es fortan eine Ausbildungsvergütung geben. Zusätzlich wird die Ausbildungsdauer von zwei auf drei Jahre angehoben, wodurch eine stärkere Durchlässigkeit zu anderen Gesundheitsfachberufen erreicht wird. Gerade das ist den Rettungsassistenten/-innen sehr wichtig. Aufgrund der physischen und psychischen Belastungen des Berufes sind nur sehr wenige Kolleginnen und Kollegen in der Lage, diesen Beruf bis zum 65. oder 67. Lebensjahr auszuüben.