Erpresser-Mails

So läuft die neueste Betrugsmasche im Netz

Hinterhältig: Mit nicht vorhandenen, kompromittierenden Videos versuchen die Täter Druck auszuüben. Die Polizei rät, überhaupt nicht darauf einzugehen

Vorsicht beim Surfen: Beim Blick in ihr Mail-Postfach haben einige Menschen eine böse Überraschung erlebt. Zu ihnen zählt auch Andreas Müller. | © dpa

Max Maschmann
16.01.2019 | 16.01.2019, 20:30

Bielefeld. Als Andreas Müller (Name von der Redaktion geändert) Mitte Dezember sein virtuelles Postfach öffnet, bekommt er einen "fürchterlichen Schreck", wie der Mittsiebziger einige Wochen danach in einem Bielefelder Café erzählt. In einer Mail teilt ihm der Absender mit, dass er Zugriff auf seine Kontakte habe – und diese für seine Zwecke nutzen wolle. Gesendet wurde der virtuelle Brief pikanterweise von Müllers eigener Mailadresse. Angeblich. Er löscht die Mail und hofft, dass der Spuk damit ein Ende hat. Doch dabei bleibt es nicht.

Das Jahr ist wenige Tage alt, da trudelt die nächste Mail ein. Jetzt sind die Sätze schärfer: Der Absender droht, ein kompromittierendes Video von ihm zu veröffentlichen, sofern nicht ein dreistelliger Geldbetrag in der Kryptowährung Bitcoin überwiesen wird. Noch am selben Tag lässt Müller einen Virenscanner über alle Programme auf seinem Rechner laufen. Nach mehreren Stunden hat er Gewissheit: Der PC ist sauber, kein Trojaner hat ihn befallen. Doch Müller, selbst viele Jahre EDV-Fachmann, reicht das nicht. Er will den Dingen auf den Grund gehen.

Müller hat richtig gehandelt, sagt die Polizei

Also nimmt er Kontakt zu seinem Mailanbieter und der Bielefelder Polizei auf. Mit überschaubarem Erfolg. Bei der EWE AG rät man ihm nur dazu, das Passwort zu ändern. Eine Beratung durch hauseigene Fachleute kommt nicht zustande, weil Müller nicht bereit ist, für diesen Service zu zahlen. Auf Anfrage von nw.de teilt Mathias Radowski, Sprecher des Versorgungsunternehmens für Strom, Erdgas und Telekommunikation schriftlich mit, dass man Sicherheit sehr ernst nehme, auf den Social-Media-Kanälen und im Kundenmagazin regelmäßig darüber berichte und dafür sensibilisiere. "Grundlage für so eine Mail ist in der Regel, dass die Datenbanken eines Online-Dienstes gehackt worden sind. Die Daten stammen nicht aus Datenbanken von EWE, die von uns mit großer Sorgfalt geschützt werden."

Bei der Bielefelder Polizei stellt Müller wenig später einen Strafantrag wegen Erpressung. Die Aussicht auf Erfolg? Fraglich. "Er hat aber richtig gehandelt", bescheinigt ihm Polizeisprecher Michael Kötter im Nachgang immerhin. Ansonsten sei es ratsam, niemals auf diese Mails einzugehen und seine Sicherheitsupdates auf dem neuesten Stand zu halten.

"Werde mich nicht aus Netzwerken abmelden"

Die Kollegen von der Kreispolizeibehörde Gütersloh informieren derweil, dass es sich bei den Mails, die auch Andreas Müller erreicht haben, um eine neue, bundesweit auftretende Masche von Kriminellen handelt. Mittels Schadsoftware seien die Computer infiziert worden, gaukeln sie ihren Opfern vor. So erwecken sie den Eindruck, die Nutzer über Kamera und Mikrofon auszuspionieren. Danach behaupten sie, jetzt im Besitz von Videos zu sein, die den Nutzer beim Masturbieren und Schauen von Pornos zeigen. Um das zu verhindern müsse gezahlt werden – in der Hoffnung, dass sich eines der tausendfach angeschriebenen Opfer ertappt fühlt.

Andreas Müller hat derweil weitere Mails erhalten, in allen wird er erneut zur Zahlung aufgefordert. Er hat sie gelöscht – und bei seinem Anbieter EWE ein neues Mailkonto angelegt, insgesamt zehn sind möglich. "Ich werde mich nicht aus allen Netzwerken abmelden", sagt er in Anspielung auf Robert Habeck. Der Grünen-Chef hatte jüngst seine Konten in den sozialen Netzwerken gelöscht. Dennoch, daraus macht der Mittsiebziger keinen Hehl, sei es für ihn mit Aufwand verbunden, seine Kontakte über die neue Mailadresse zu informieren.

Das Achselzucken stört Müller

Generell, so findet er, müsse etwas gegen solche Maschen unternommen werden. Das Achselzucken und die oft damit verbundene Haltung "Im Internet ist das eben so" stören ihn. Weil er nicht möchte, dass andere Menschen beim Blick in ihr Mailkonto einen ähnlichen Schrecken erleben, wie er seinerzeit.