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Halb durchgespielt: Horizon Zero Dawn im Langzeit-Test

Einer unserer Anwärter auf das Spiel des Jahres 2017

Die Heldin Aloy kniet vor der Schlucht: Im Hintergrund sind die Ruinen vergangener Zivilisationen zu sehen. Die nächsten Maschinen sind nicht weit. | © Sony

Christian Lund
03.05.2017 | 01.10.2019, 08:53

Ursprünglich wollten wir Horizon Zero Dawn nur mal kurz anzocken und dann darüber schreiben. Jetzt haben wir 50 Prozent der Story durchgespielt und können einfach nicht aufhören. Kurzum: Horizon Zero Dawn ist der Oberknaller - wer das Spiel kauft, packt sich eine wahre Droge auf die Playstation.

Wir befinden uns nicht nur in postfaktischen Zeiten, sondern auch noch in einer postapokalytischen Welt. Es ist ein Zeitalter fern unserer Zeitrechnung. Seltsame Maschinen, furchterregend und von einer ungewissen Herkunft, beherrschen das Land, während die Natur auch die letzten Ruinen der vergangenen Zivilisation zurückerobert. Die Menschen leben in kleinen Stämmen und sind wieder Jäger und Sammler.

Eine davon ist Aloy. Wir spielen die junge Jägerin bereits als Kind, um in die Geschichte eingeführt zu werden. In den Ruinen tief unter der Erde findet sie ein seltsames Artefakt, das plötzlich ein Eigenleben entwickelt, als sie es sich ans Ohr klemmt: Wir haben den "Fokus" gefunden, der uns im Verlauf der Geschichte wichtige Informationen liefert. Aber das müssen wir natürlich erst lernen.

Aloy sieht als Kind tapsig aus und könnte aus einem Disneyfilm stammen - "Aloy und Stitch" etwa. Nicht herausragend neu, aber um in die Story zu kommen ganz nett. Rost, ein liebenswürdiger Einsiedler, der sie aufgezogen hat, erzählt uns manchen Schwank aus alten Zeiten und lehrt uns die Grundzüge des Kämpfens und Ausweichens.

Besonders die Ausweichrolle lernt man sehr schnell zu schätzen. Denn schon die ersten Maschinen sind sehr ernst zu nehmende Gegner und machen auch einem kleinen Aloy-Leben schnell den Garaus, wenn man das Zusammenspiel aus Kämpfen und Ausweichen nicht beherrscht.

Sobald Aloy erwachsen ist, muss sie natürlich hinaus in die Welt, wo unbekannte Stämme herrschen, Banditen durch die Wälder ziehen und noch viel größere Gefahren lauern. Die durchaus adrette Amazone, das fassen wir mal schlank zusammen, will jetzt aber nicht nur wissen, warum sie und ihre Familie einst aus dem Stamm verstoßen wurden, sondern auch, wer eigentlich ihre Eltern waren, was es mit dem Fokus auf sich hat und woher diese seltsamen Maschinen stammen. Und das ist noch nicht alles.

Wir steuern Aloy durch eine fantastisch aussehende offene Spielwelt. Klar, die Hauptquests leiten uns quer durch die Lande, aber es gibt am Wegesrand oder auch tief in der Wildnis genügend Nebenquests und Abzweigungen, um auch dort noch Sammelobjekte, geheimnisvolle Datenpunkte, wertvolle Ausrüstung und Erfahrungspunkte zu sammeln. Je mehr Erfahrung, desto mehr und bessere Fähigkeiten. Und oberstes Ziel ist es natürlich, sich möglichst gut gegen die Maschinen zur Wehr setzen zu können.

Die Maschinen

Mit den Maschinen ist nicht zu spaßen: Keine von ihnen ist uns von Anfang an zugetan - erst durch Überbrückung können wir sie zähmen, zum Teil nur vorübergehend. - © Sony

Es gibt einfach so viele von ihnen. Wir waren so begeistert, als wir am Anfang die ersten Fieslinge getötet hatten, nur um dann an der nächsten Wegbiegung auf die noch fiesere Variante zu treffen. Ihre Namen lesen sich, als wären sie Grusel-Erzählungen aus Ronja Räubertochter entsprungen: der Donnerkiefer, das Schnappmaul oder auch die Graser. Später kommen dann noch die fliegenden Ungeheuer namens Sturmvögel dazu, so dass Aloy auch aus der Luft jederzeit mit Angriffen rechnen muss.

Der Fokus hilft: Nur mit diesem seltsamen Ausrüstungsteil (blaues Gitternetz) aus früheren Dekaden können wir Maschinen aus der Ferne lokalisieren und ihre Schwächen offenlegen. - © Sony
Der Fokus hilft: Nur mit diesem seltsamen Ausrüstungsteil (blaues Gitternetz) aus früheren Dekaden können wir Maschinen aus der Ferne lokalisieren und ihre Schwächen offenlegen. | © Sony

Bald erkennt man ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, aber auch ihre Schwächen. Mit dem Fokus kann Aloy die Wegstrecken der Patrouillen anzeigen und Gegner auch auf einige Entfernung hin markieren. Der Fokus offenbart auch die Schwächen der Maschinen und kennzeichnet absprengbare Bauteile, die wir wiederum aufsammeln und später verkaufen oder zur Herstellung noch wirksamerer Waffen nutzen können.

Mit am besten aber gefällt uns die Möglichkeit, nach und nach einige Maschinen "überbrücken" zu können, also hacken, damit sie für eine gewisse Zeit auf unserer Seite kämpfen. Andere wiederum lassen sich dann reiten, und wir können damit größere Entfernungen zurücklegen. Ähnlich schön geritten sind wir zuletzt nur beim "Witcher".

Die Waffen

Aloy hat zu Beginn nicht mehr als einen wenig furchterregend aussehenden Speer und einen Jägerbogen mit einigen wenigen Pfeilen. Nach und nach aber kann sie ihre Waffen modifizieren und sich so gegen immer stärkere Gegner immer besser wappnen. Der Seilwerfer etwa ist wunderbar, um Gegner zu fesseln und sie vorübergehend bewegungsunfähig zu machen. Unterschiedliche Fallen sind hervorragend für all jene, die sich gerne anschleichen, eine Falle legen, sich im hohen Gras verstecken, um dann genüsslich zuzusehen, wie das Ungeheuer in die Falle tappt.

Die Ausrüstung

Die Ausrüstung ist anfangs so primitiv wie die Stämme der Menschen, nachdem die Zivilisation ein Ende hatte. Wollen wir die Kapazität unserer Waffenbeutel oder unserer Köcher erweitern, müssen wir so mache Maschine erledigen, Rattenknochen sammeln und Waschbären das Fell abziehen. Die meisten Bestandteile unserer Ausrüstung sammeln wir also unterwegs ein, durch emsiges Jagen und Sammeln.

Oberstes Ziel ist es, die Ausrüstung immer auf dem besten Stand zu haben und den Köcher niemals leer werden zu lassen. Denn ausgerechnet in diesen Momenten kann es sein, dass der nächste Obermotz vor Aloy steht und es kein hohes Gras gibt, in dem sie sich verstecken könnte. Und dann ist es schneller aus, als man "aus" sagen kann.

Die Welt

Auf dem Weg zum Einsamen Fels: der jedoch ist gar nicht so einsam, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Blick in die Ferne: großartig. - © Sony
Auf dem Weg zum Einsamen Fels: der jedoch ist gar nicht so einsam, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Blick in die Ferne: großartig. | © Sony

Sie ist einfach atemberaubend schön. Wir haben das Spiel auf einer einfachen PS4 getestet, und wir können uns kaum vorstellen, wie gigantisch sie in der Pro-Version aussehen dürfte. Die Detailtiefe ist fantastisch, an allen Orten kreucht und fleucht es, und wechselndes Wetter, verschiedene Ökotope sowie der Tag-und-Nacht-Zyklus sorgen für eine unglaubliche Atmosphäre.

Nicht unerwähnt bleiben sollte dabei der lebendige Sound und die Musik. Letztere wechselt sofort, sobald sich Gefahr nähert, unterstützt aber genauso Panoramablicke quer über die Gebirgslandschaften.

Fazit

Was sollen wir sagen? Horizon Zero Dawn ist fan-tas-tisch! Für uns bislang eines der besten Anwärter auf das Spiel des Jahres 2017. Das niederländische Entwicklerstudio Guerilla ("Killzone") hat hier wirklich ganze Arbeit geleistet und feines Gaming-Opium fürs Playstation-Volk gezaubert.

Aber ein paar wenige Kritikpunkte haben wir dann doch: Die Unterhaltungen zwischen Aloy und ihren Begegnungen sind manchmal etwas zu ausufernd - vieles davon muss man sich nicht unbedingt erzählen lassen. Die deutsche Sprachausgabe ist auch nicht immer lippensynchron - spielt es am besten in der englischen Fassung!

Und last but not least: Das Geheimnis, warum Aloy im Schnee keine Spuren hinterlässt, werden wir wohl nie klären. Trotz alledem: klare Kaufempfehlung von uns an alle, die es noch nicht haben!