Urheberrecht

Das Ende des freien Internets? Darum geht es in der Uploadfilter-Debatte

#Merkelfilter: Die Urheberrechtsreform scheint beschlossen. Wenn sie so in Kraft tritt, rechnen YouTuber wie PietSmiet und RobBubble mit Zensur im Netz

Uploadfilter spalten das Internet. Was wird sich mit ihnen ändern? | © picture alliance/dpa

Carina Schmihing
24.02.2019 | 24.02.2019, 22:31

Auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Justizministerin Katarina Barley der EU-Urheberrechtsreform im Ministerrat zugestimmt. Damit ist die Richtlinie beinahe beschlossene Sache. Insbesondere auf Twitter kochen die Emotionen hoch und die Sorge vor Uploadfiltern bestimmen die Debatte.

Warum soll das Urheberrecht reformiert werden?

Im Internet ist es zur Gewohnheit geworden, Songs, Bilder, Videos oder Texte zu nutzen und weiter zu verbreiten. Schöpferische Arbeiten von Musikern, Fotografen oder Autoren sind durch das Urheberrecht geschützt. Ein Ziel dieser Gesetze ist es, den Künstlern eine finanzielle Vergütung zu ermöglichen. Die aktuell gültigen Regelungen stammen aus dem Jahr 2001. Aus Sicht der Medienschaffenden decken sie insbesondere Verstöße gegen das Urheberrecht im Internet nicht mehr angemessen ab.

Zudem sei das Urheberrecht in vielen Fällen nicht durchsetzbar, weil es keine internationale Vereinheitlichung gibt. "Eigentlich müsste es ein weltweites Urheberrecht geben. Aber wir sehen ja, wie schwierig es ist, allein in der EU ein vereinheitlichtes Urheberrecht zu schaffen, das den Anforderungen der Digitalisierung und den Interessen der Urheber, Verwerter und Nutzer geschützter Werke gerecht wird", sagt Rechtsanwältin Meike Probst-Klosterkamp, Professorin für Wirtschafts-, Medien- und internationales Recht an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hält das derzeitige Urheberrecht für unzureichend und kritisierte jüngst scharf: "Ich bin der Meinung, dass das Internet kein Raum sein kann, in dem geistiges Eigentum überhaupt nicht mehr geschützt wird." Sie selbst bezeichnete die Uploadfilter bereits als Merkel-Filter.

Die Europäische Union bemüht sich mit der Urheberrechtsrichtlinie darum, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Doch die Entwürfe der Copyright-Reform, die bis vor Kurzem im Trilog-Verfahren verhandelt wurden, stießen auf massive Kritik. Politiker, Netz-Aktivisten und zahlreiche Wirtschaftsverbände befürchten gravierende Auswirkungen auf das Internet und Einschnitte in die Meinungsfreiheit. Weil es schlichtweg noch keine Algorithmen gibt, die Urheberrechtsverstöße von erlaubter Nutzung unterscheiden können, befürchten Kritiker grobe Fehler bis hin zur Zensur.

Was steht in Artikel 13 der Copyright-Reform?

Haftung: Bislang ist es so, dass allein die Nutzer haften, wenn sie ohne Erlaubnis geschützte Werke im Internet verbreiten. Die Urheber müssen dafür aber aktiv einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Mit der Reform will die EU nun vor allem große Plattformen wie Youtube, Instagram und Co. in die Pflicht nehmen. Wenn keine Autorisierung des Künstlers vorliegt und ein Nutzer ein Werk hochlädt, sollen die Plattformen haftbar sein.

Die Plattformen können sich jedoch entlasten, wenn sie drei Kriterien erfüllen. Dann geht die Haftung wieder an den Nutzer über. Erstens müssen sie ihr bestmögliches zu tun, um Lizenzen für die geschützten Inhalte zu erwerben. Weiterhin müssen sie sicherstellen, dass Inhalte, für die ein Verstoß gemeldet wird, schnell von der Plattform gelöscht werden. Zuletzt sind die Plattformen angehalten, geschützte Inhalte unter "hohen Branchenstandards" und nach "besten Anstrengungen" unzugänglich zu machen.

Insbesondere der dritte Punkt stößt auf große Kritik und wird vom SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken im Gespräch mit nw.de als "Bruch des Koalitionsvertrags" bezeichnet. Denn obwohl der Begriff "Uploadfilter" nicht verwendet wurde, bleibt für die Plattformen keine andere technische Möglichkeit, als eben jenen einzusetzen.

Nach dem Entwurf müssten die Plattformbetreiber außerdem Lizenzen für sämtliche urheberrechtlich geschützten Inhalte erwerben - was unmöglich erscheint. Schließlich sollen sie diese Lizenzen für ihre Nutzer vorhalten, falls sie geschützte Lieder oder Bilder verwenden und auf die Plattform hochladen, erklärt Probst-Klosterkamp.

Nutzung ohne Lizenz: Auch zukünftig soll es möglich sein, dass geschütztes Material ohne Lizenz für Parodien, Satire, Persiflagen, Zitate, Kritiken oder Rezensionen genutzt werden kann.

Ausnahme für Startups: Seiten, die jünger als drei Jahre sind und mit denen weniger als 10 Millionen Euro jährlich umgesetzt werden, sind von der Regelung ausgenommen.

Ausnahme für weitere Dienste: Von der Richtlinie sind außerdem Marktplätze, Cloud-Dienste und Enzyklopädien sowie Non-Profit-Organisationen ausgenommen.

Stakeholder-Dialoge: Die Richtlinie sieht vor, dass die Europäische Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Dialog zwischen den Medienschaffenden und den Online-Plattformen sowie Nutzerverbänden organisiert. Innerhalb dieser Gespräche sollen "best practices" zwischen den Beteiligten ausgetauscht werden. Für Probst-Klosterkamp klingt diese Vorschrift des Richtlinienentwurfes nicht praktikabel. „Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens müssen die Vorgehensweise und die Modalitäten der Lizensierung zwischen den einzelnen Akteure längst geklärt sein", sagt die Professorin für Medienrecht.

Was ist ein Uploadfilter?

Ein Upload-Filter ist eine Software, die von Plattformen im Internet eingesetzt werden kann. Mithilfe des Filters werden Inhalte vor dem Hochladen untersucht. Entsprechen diese nicht den Regeln oder sind illegal, kann der Filter sie abweisen oder verändern. Zum Scannen der Inhalte kommen Algorithmen zum Einsatz, die Text, Ton, Bilder oder Videos analysieren und so auf einen möglichen Verstoß überprüfen.

Welche Gefahren birgt ein Uploadfilter?

Die große Sorge, die insbesondere junge Menschen umtreibt, ist eine massive Veränderung des Internets. Denn Experten trauen Algorithmen eine Unterscheidung zwischen einem Verstoß und einer erlaubten Nutzung, wie beispielsweise bei einem Zitat, nicht zu. Auf ihrer Website erklärt EU-Parlamentarierin Julia Reda, dass die meisten Seitenbetreiber nach aktuellem Richtlinienentwurf keine andere Wahl hätten, als Upload-Filter einzusetzen. Diese seien nicht nur teuer, sondern auch fehleranfällig. Kritiker weisen zudem darauf hin, dass es eine (versteckte) Pflicht für die Nutzung von Upload-Filtern außerdem zu einer weiteren Stärkung der Marktmacht für Konzerne wie Alphabet, Amazon oder Facebook komme. Denn die aufwendige Entwicklung wird für kleine Betreiber kaum leistbar sein, sodass sie die Software der mächtigen Unternehmen nutzen müssten.

Aus Angst, für Verstöße haftbar gemacht zu werden, ist damit zu rechnen, dass beispielsweise Youtube seine Upload-Filter "extrem streng" einstelle, meint Robin Blase, der auf dem Videoportal seinen Kanal RobBubble mit mehr als 200.000 Abonnenten betreibt. "Auf Youtube werden pro Minute 450 Stunden Videomaterial hochgeladen", sagt Blase im Gespräch mit nw.de. Er rechne damit, dass ein großer Teil des Contents "pauschal weggesperrt werde" und die künstliche Intelligenz aktuell noch nicht klug genug sei, um über einen Upload zu entscheiden.

Peter Smits, einer der bekanntesten deutschen Youtuber und Namensgeber des Kanals PietSmiet mit mehr als 2 Millionen Abonnenten, hält es für möglich, dass Urheber unliebsame Kritiker mundtot machen könnten. Im Gespräch mit nw.de erzählt er, dass es bereits vorgekommen ist, dass Spieleentwickler einen Content ID-Anspruch auf kritische Let's Plays erhoben hätten. Mit dem Uploadfilter könne es Smits Meinung nach möglich sein, dass negative Rezensionen einfach zensiert würden.

Die Richtlinie betrifft jedoch nicht nur YouTube oder Instagram. Fast überall dort, wo Nutzer sich beteiligen können, besteht potenziell die Gefahr einer Urheberrechtsverletzung. Angefangen bei Fanfictions - Geschichten, die Fans über Idole, schreiben oder in denen sie literarische oder filmische Werke fortführen - bis hin zu Foren, auf denen Entwickler Codes veröffentlichen, die ebenfalls vom Urheberrecht geschützt sind.

Denn der Entwurf der Copyright-Richtlinie enthalte derzeit noch eine Vielzahl undefinierter Rechtsbegriffe, erklärt die Expertin für Medienrecht. Zwar sind Clouddienste, Non-profit-Enzyklopädien wie Wikipedia, Online-Marktplätze oder auch nicht-kommerzielle Bildungs- und Forschungsplattformen explizit ausgenommen, doch welche Provider wirklich betroffen sind, bleibt unklar. So ist im Entwurf beispielsweise von Anbietern die Rede, die "keine signifikanten Erlöse" erzielen. Was signifikant ist, wird nicht definiert. 

Das führt zu großer Verunsicherung und der Vermutung, dass Seitenbetreiber ihren Nutzern aus Gründen der Sicherheit nicht mehr erlauben, eigene Inhalte zu veröffentlichen.