Paderborn. SCP-Trainer Stefan Effenberg ist seit vier Wochen im Amt, seine Freude an der Mannschaft ist gewaltig. Die Verbesserung seiner Spieler ist dem 47-Jährigen wichtiger als der Tabellenplatz. An den Presserummel um ihn verschwendet er keine Energie.
Herr Effenberg, Sie sind jetzt genau vier Wochen Trainer des SC Paderborn. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus?
STEFAN EFFENBERG: Wir, also die Mannschaft und ich, haben uns schnell gut kennengelernt, von daher ist alles positiv. Auch die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen. Ich persönlich bin hier sehr gut aufgenommen worden, war von Anfang an willkommen. Das ist ein gutes Gefühl und das macht das Arbeiten dann auch leichter.
Wie fällt Ihre sportliche Bilanz aus?
EFFENBERG: Gut – aber es geht immer besser. Mit der Punkteausbeute aus zwei Siegen und zwei Unentschieden kann man zufrieden sein, darf man aber auch nicht zufrieden sein. Wir haben gegen Frankfurt und Heidenheim Punkte liegen gelassen, das wissen die Jungs selber. Immer besser zu werden, das ist unser Auftrag.
Wo sehen Sie momentan die größten Baustellen?
EFFENBERG: Sportlich gesehen jetzt? Dass man ein Stück weit die Präzision erhöht.
Wenn die Mannschaft nach 1:0-Führungen wie gegen Frankfurt und Heidenheim in der zweiten Halbzeit immer weiter nach hinten gedrängt wird, haben Sie dann eine Faust in der Tasche? Wie gehen Sie mit solchen Situationen um?
EFFENBERG: Aktiv kann ich ja nun nicht eingreifen, aber meine Aufgabe ist es dann auch, das zu erkennen und andere Lösungen zu finden. Wenn man sich da mit einer gewissen Ruhe und Genauigkeit agiert, wird es immer große Möglichkeiten geben im Umschaltspiel. Das haben wir in Berlin schon erlebt. Da führen wir nach sechs Minuten 2:0 und haben viel liegen gelassen. Dann gehen alle nach Hause und sind mit einem 2:0 zufrieden. Ich war nicht mit einem 2:0 zufrieden. Wir hätten höher gewinnen müssen. Das ist so ein Punkt, der nicht so auffällt, weil wir gewonnen haben. Aber da fehlt die gewisse Kaltschnäuzigkeit und die Cleverness. Aber das kommt.
Wie lange wird dieser Prozess dauern?
EFFENBERG: Der Schlüssel ist, die Bälle unter Druck sauber rauszuspielen. Das funktioniert. Ich werde meine Schlüsse daraus ziehen, wie wir einem stärker aufkommenden Gegner entgegentreten. Ich werde da schon im Spiel gegen Freiburg eine Lösung präsentieren. Das ist mein Auftrag und meine Pflicht als Trainer, das zu tun. Die Idee fiel mir heute morgen um halb sechs ein. Da bin ich wach geworden und hab gedacht: ’Warte mal, das ist genau die Lösung, die passt.’
Sie haben ja als Profi viel erlebt, wie ist Ihr Puls denn an der Seitenlinie, wenn das Spiel nicht so funktioniert? Puls 200?
EFFENBERG: Meinen Puls weiß ich nicht, habe ich noch nie gemessen. Ich muss Situation erkennen und Lösungen anbieten. Aber es ist sehr gut, dass die Spieler selbstkritisch sind. Ich beobachte ja auch, wie sie sich äußern in Interviews. Die Spieler wissen: daran müssen wir arbeiten, an diesen Defiziten. Und das tun wir. Das Ziel ist, dass man das im nächsten Spiel besser macht.
Und darum gezielt keine Testspiele in der Länderspielpause?
EFFENBERG: Genau. Dafür ist mir die Zeit zu wertvoll. Wir werden gewisse individuelle Tests machen. Das wird wichtige Erkenntnisse für mich bringen, und die können wir jetzt nur in dieser Woche gewinnen. Aber immer auch mit taktischen Dingen, um die Fehler zu minimieren. Die Spieler müssen sich Automatismen erarbeiten und die dann mit einer Selbstverständlichkeit liefern. Da müssen wir hinkommen, und da werden wir hinkommen.
Stefan Effenberg
Stationen als Spieler:1987 – 1990 M’gladbach
1990 – 1992 FC Bayern
1992 – 1994 FC Florenz
1994 – 1998 M’gladbach
1998 – 2002 FC Bayern
2002 – 2003 Wolfsburg
2003 – 2004 Al Arabi SC
Erfolge als Spieler:
Weltpokalsieger 2001 mit dem FC Bayern; Champions-League-Sieger 2001 mit dem FC Bayern; Deutscher Meister 1999, 2000 und 2001, FC Bayern; DFB-Pokal-Sieger 1995 mit Bor. Mönchengladbach; 1998, 1999 und 2000 mit dem FC Bayern
Privates: 1990 Hochzeit mit Martina Effenberg, deren Tochter er adoptierte. Mit Martina hat er zwei Kinder (*1990 und *1996). 2002 gab das Paar die Trennung bekannt. Effenberg ist seit 2004 in zweiter Ehe mit Claudia verheiratet.
Der Eindruck ist, dass die Spieler mit Ihnen absolut zufrieden sind und Ihnen unbedingt folgen. Haben Sie den auch?
EFFENBERG: Definitiv. Sie sind mit Begeisterung und mit Freude dabei. Natürlich ist der eine oder andere nicht erfreut, wenn er mal nicht im Kader ist, aber das ist mein Job, damit umzugehen. Natürlich fühle ich mich nicht wohl, wenn ich einem sagen muss: ’Du bist jetzt nicht im Kader’. Das ist mir nie egal.
Wie gehen Sie mit Defiziten um, die Sie erkennen?
EFFENBERG: Es muss eben erlernt werden. Da gibt es elementare Trainingsformen, die immer wieder vorkommen. Die müssen die Spieler ernsthaft und mit einer hohen Konzentration durchführen. Dabei dürfen sie aber nicht ihre Kreativität verlieren. Ich gebe den Spielern Dinge an die Hand, aber wenn sie Situationen selber erkennen: Bitteschön! Da sind sie frei. Sonst hemme ich die Spieler ja. Das wird bei mir nie der Fall sein.
Deshalb geben Sie kein Saisonziel in Form eines Tabellenplatzes heraus?
EFFENBERG: Genau so. Wir wollen die Spieler besser machen. Das hat Jürgen Klinsmann damals gesagt, viele haben darüber gelächelt, ich habe das total ernst genommen. Das ist der Auftrag. Und damit auch die Fans glücklich zu machen mit der Art und Weise, wie man Fußball spielt. Wenn das eine passiert, dass Automatismen greifen, dann wird auch das passieren, was man sich wünscht in dieser Stadt. Es wird dann einiges wahrscheinlicher.
Sie haben mit 19 Jahren Ihr erstes Bundesligaspiel gemacht. Unterscheiden sich die heutigen Talente von den damaligen?
EFFENBERG: Nein. Wir haben ja auch heute Spieler mit großem Talent. Wie Mario Götze. Wann hat der zum ersten mal Bundesliga gespielt ... Man muss das als Trainer natürlich erkennen. Um auf mich zurückzukommen: Was hat mich ausgezeichnet? Der absolute Wille. Ich war jetzt nicht ganz talentfrei, aber es gab Spieler, die mehr Talent hatten. Ich hatte den größeren Willen, und damit habe ich sie geschlagen. Wenn man das eine hat, und das hat hier jeder im Verein, braucht es noch den anderen Baustein.
Sie sind ja eigentlich ein Hamburger Junge, haben aber nie dort auf der großen Bühne gespielt. Ihr letzter Wohnsitz war München. Wie viel Hamburger steckt noch in Ihnen und wie viel Münchner ist noch dabei?
EFFENBERG: Ich liebe beide Städte, keine Frage, aber mein Zuhause ist jetzt Paderborn. Und hier fühle ich mich sehr wohl.
Über Sie steht als Person des öffentlichen Interesses eine Menge in den Medien. Manchmal Sachen, die Sie selber noch nicht wussten. Regen Sie sich darüber auf?
EFFENBERG: Nein, dann würde ich ja Energie verlieren. Für mich ist es wichtig, dass ich mich zu 100 Prozent auf den Fußball konzentriere. Das ist meine Aufgabe, von allem anderen muss man sich verabschieden. Im Juni habe ich noch mal mit Steffen Henssler gedreht, das wird jetzt irgendwann ausgestrahlt. Aber das liegt lange zurück und ist Vergangenheit. Jetzt ist es mein Auftrag, in Paderborn erfolgreiche Arbeit zu leisten.
Da ist so eine Provinz wie Paderborn genau das Richtige.
EFFENBERG: Es geht hier nicht um irgendwelche Lebensqualität. Ganz davon ab ist Paderborn auch fußballerisch keine Provinz.
Ihr Mentor ist Ottmar Hitzfeld, Ihr Trainer zu den erfolgreichsten Bayern-Zeiten. Haben Sie auch jetzt regelmäßig Kontakt zu ihm?
EFFENBERG: Wir stehen in Kontakt, und das ist auch gut so. Es ist mir auch wichtig, diesen Austausch zu haben. Auch für mich gilt, obwohl ich ein bisschen älter bin als die Spieler: Augen auf, Ohren auf. Es ist ja niemand perfekt.
Sie haben sich Zeit gelassen, Ihren ersten Trainerjob anzunehmen. Haben Sie eine Perspektive für sich?
EFFENBERG: Was in der Zukunft ist, ist alles hypothetisch. Über sowas rede ich nicht. Jetzt bin ich froh, dass ich hier und glücklich bin.
Die kurzfristige Perspektive?
EFFENBERG: Ich freue mich auf das neue Trainingszentrum, da ist eine große Vorfreude bei uns allen. Auch die Spieler sind total euphorisch. Dort werden wir deutlich bessere Möglichkeiten haben.
Die unvermeidliche Frage ist die nach den aktuellen Vorgängen beim DFB um den Rücktritt von Präsident Wolfgang Niersbach.
EFFENBERG: Kein Kommentar.
Ihre Frau Claudia ist bei den Spielen dabei und Ihre Eltern sind es auch.
EFFENBERG: Ja genau. Meine Tochter kommt im Dezember aus Amerika. Und die hat sich so gefreut, dass das Spiel gegen Düsseldorf am 21. an einem Montag ist. Dann kann sie es sehen. Ich freue mich auch.
Die Zuschauer-Resonanz ist mit zuletzt knapp unter 10.000 nicht eben berauschend.
EFFENBERG: Die Zahl der Zuschauer hängt auch immer davon ab, was für einen Fußball man spielen lässt. Natürlich würde ich mich freuen, wenn es ein paar mehr werden würden, allein schon für die Mannschaft. Denn die Zuschauer dürfen nicht unterschätzen, was für eine positive Wirkung die Kulisse auf die Spieler hat.