Paderborn. Am 22. Juni wird der SC Paderborn in die Vorbereitung auf die Zweitliga-Saison 2015/2016 starten. Ob André Breitenreiter dann der Trainer des Erstliga-Absteigers sein wird, ist allerdings ungewiss. Seine erfolgreiche Arbeit hat den 41-jährigen Fußball-Lehrer auch bei anderen Klubs begehrt gemacht. Presseagenturen vermelden jetzt, dass Breitenreiter den SCP vermutlich vorzeitig verlassen werde, er wird beispielsweise als möglicher neuer Coach des FC Schalke 04 gehandelt. Frank Beineke sprach mit Paderborns Trainer über Spekulationen, über Ziele und Forderungen des Präsidenten und die Perspektiven des SCP.
Herr Breitenreiter, wie geht es denn nun mit Ihnen weiter?
ANDRÉ BREITENREITER: Derzeit sind wir mit dem Trainerteam und Michael Born auf Sylt, reflektieren und analysieren die abgelaufene Saison und machen uns Gedanken über die Zukunft. Wir werden sicherlich auch erste Entscheidungen in Sachen Kaderzusammenstellung treffen. Wichtig ist, dass wir uns qualitativ verbessern, dabei aber auch nächste Saison eine Mannschaft mit hoher Mentalität und Motivation für die 2. Liga auf den Platz bringen. Dafür brauchen wir sicher frisches Blut. Was meine Person angeht, bin ich über zwei sportlich sehr erfolgreiche Jahre glücklich, in denen wir aus einem überregional wenig wahrgenommenen, verschuldeten Provinzverein einen bundesweit anerkannten, sympathischen und erfolgreichen Verein ohne Schulden, aber mit Perspektive entwickelt haben. In den letzten intensiven Wochen habe ich mich mit möglichen Interessenten nicht beschäftigt und nie Gespräche mit anderen Vereinen geführt.
Allerdings möchte Präsident Wilfried Finke, dass Sie sich möglichst noch in dieser Woche entscheiden, ob Sie nun in Paderborn bleiben oder den Verein verlassen. Wie gehen Sie mit dieser Forderung um?
Nach einem Bericht des Online-Fußball-Magazins "Kicker.de" soll SCP-Coach Breitenreiter eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag besitzen. Demnach soll er die Möglichkeit haben, den Verein nach dem Abstieg aus der 1. Liga verlassen zu können. Wie das Magazin berichtet, wäre der Vertrag im Fall des Klassenerhalts ohne Ausstiegsmöglichkeit weitergelaufen.
Breitenreiter: Zunächst einmal habe ich einen Vertrag bis 2016. Darüber hinaus habe ich von dem Ultimatum aus den Medien erfahren, was mich sehr überrascht hat. Vor einigen Wochen haben Herr Finke und ich ausgemacht, dass wir uns nach Saisonende in Ruhe zusammensetzen und der Verein mir eine langfristige Zusammenarbeit anbieten möchte. Ein Gespräch hat aber noch nicht stattgefunden. Zudem ist es wichtig zu wissen, welche Möglichkeiten uns für die neue Saison zur Verfügung stehen und mit welcher realistischen Zielsetzung wir in die Saison starten. Dass mein Name mittlerweile bei jeder frei gewordenen Trainerstelle fällt, nervt mich auch. Ich kann es aber nicht ändern, da unser Erfolg als Trainerteam mit einer tollen Mannschaft hier in Paderborn bei diesen Rahmenbedingungen als außerordentlich wahrgenommen wird. Ich weiß nicht, warum jetzt dieser öffentliche Druck von Herrn Finke aufgebaut wird. Zuletzt hatten wir uns erst einmal voll und ganz auf die letzten Saisonspiele fokussiert. Jetzt sind wir dabei, die Saison zu analysieren und in die Planungen einzusteigen. Und wenn wir wieder in Paderborn sind, wird es sicher Gespräche mit dem Präsidenten geben. Dann ist natürlich auch nicht ausgeschlossen, dass ich meinen Vertrag verlängere. Das ist aber auch eine Frage von realistischen Zielsetzungen.
Stichwort Zielsetzungen. Präsident Wilfried Finke liebäugelt bereits mit dem Wiederaufstieg. Halten Sie dies für ein realistisches Vorhaben?
Breitenreiter: Unser Präsident ist ja dafür bekannt, dass er sehr forsche Ziele formuliert. Ich werde mir in den Gesprächen anhören, was der Verein für die Umsetzung geplant hat. Wir messen uns schließlich mit Konkurrenten wie beispielsweise Leipzig, Lautern, Düsseldorf, Union Berlin oder Nürnberg, die über deutlich höhere Budgets verfügen. Zudem wird das neue Trainingszentrum erst frühestens im Februar oder März bezugsfertig sein. Das bedeutet, dass die Rahmenbedingungen wie gehabt nicht tauglich sind. Ein zweites Wunder, wie wir es letztes Jahr erlebt haben, wird es unter den Möglichkeiten, mit denen wir 2013/2014 aufgestiegen sind, ziemlich sicher nicht geben. Ich bin gespannt. . .
Apropos Möglichkeiten. Mit Paderborn und Freiburg sind nun die Klubs mit den geringsten Etats abgestiegen. Zufall?
Breitenreiter: Auf der einen Seite war es für beide Vereine machbar, die Liga zu halten. Letztlich haben Nuancen entschieden. Aber es hat sich schon gezeigt, dass Geld Tore schießt. Denn über 34 Spieltage hinweg setzt sich zumeist die Substanz der Großen durch. Wir haben alles versucht, aber in gewissen Momenten entscheidet die individuelle Qualität - und da sind die Unterschiede zwischen Etats von 50, 60, 70 Millionen und unserem von 15 Millionen Euro zu groß. Auch beim Saisonfinale gegen Stuttgart hat die individuelle Qualität den Ausschlag gegeben. Und es macht mich traurig, dass sich die Jungs trotz der ungeheuren Energie, die sie in dieser Saison investiert haben, nicht belohnen konnten.
Auch in der Rückrunde hat ihr Team noch mit viel Energie gespielt. Dennoch gab es lange Negativserien. Woran lag's?
Breitenreiter: Wir wussten, dass wir im Saisonverlauf auch mal Schwächephasen erleben werden. Diese sind nur leider länger als gewünscht ausgefallen. Der Saisonstart hatte natürlich die Erwartungen nach oben geschraubt. Aber da haben wir auch viel von der Euphorie gelebt. Und Gegner haben uns unterschätzt. Dann sind wir gegen Mainz und den HSV sehr schlecht in die Rückrunde gestartet. Etwas Selbstzufriedenheit, zu viele Schulterklopfer, Verletzungspech und unterirdische Trainingsbedingungen haben dazu geführt, dass wir in den ersten Spielen keine Topleistung abrufen konnten. Wir haben auf Matsch, Schnee oder Kunstrasen trainiert, der mir vor Saisonbeginn versprochene Ausweichplatz ist bis heute nicht realisiert. In vielen Momenten hat uns sicher auch das nötige Quäntchen Glück gefehlt. Trotzdem waren wir nie in einem mentalen Loch. Die Jungs hatten den Kopf stets oben, sind immer wieder aufgestanden und haben nie den Glauben an sich verloren.
Überwiegt daher nun der Stolz? Oder sitzt die Enttäuschung über den verpassten Klassenerhalt noch zu tief?
Breitenreiter: Im ersten Moment sind wir natürlich tief traurig, dass wir den Gang in die 2. Liga antreten müssen. Aber wir können auf diese Mannschaft und die Saisonleistung sehr stolz sein. Wir haben nicht nur bei unseren Anhängern, sondern bundesweit Begeisterung ausgelöst und viele Sympathien gewonnen. Und wir haben außergewöhnliche Momente wie die Tabellenführung oder das Rekordtor von Moritz Stoppelkamp erlebt. Ich bin stolz auf die sportliche Entwicklung, die wir genommen haben. Besonders stolz aber bin ich auf unsere Fans.
Inwiefern?
Breitenreiter: Die Unterstützung war unglaublich - gerade auch bei den Auswärtsspielen. Es war nicht zu erwarten, dass ausgerechnet der kleine SC Paderborn die besten Fans Deutschlands hat. Aber die Mannschaft hat mit Herz und Leidenschaft gespielt. Wir als Trainerteam haben versucht, es vorzuleben. Und exakt dies quittieren auch die Fans. Sie wollen Spieler sehen, die sich für den Verein zerreißen.
Und was nehmen Sie persönlich mit aus Ihrem ersten Jahr als Trainer in der 1. Liga?
Breitenreiter: Eine ganze Menge. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die ich in meine Trainerphilosophie einfließen lasse. Diese Saison hat mich auch als Mensch weitergebracht. Es war ein super Jahr. Ich hatte eine tolle Mannschaft und ein super funktionierendes Trainer- und Betreuerteam. Ich habe viel dazu gelernt.