Bielefeld. „Wir müssen uns Schritt für Schritt weiterentwickeln und in der 2. Liga stabilisieren“, sagt Samir Arabi. Arminia Bielefelds sportlicher Leiter gilt als Architekt des Aufstiegs. Er hat zusammen mit Trainer Norbert Meier die Mannschaft zusammengestellt, die Drittligameister wurde, das DFB-Pokal-Halbfinale erreichte und – was am wichtigsten für den DSC ist – die Rückkehr in die 2. Liga geschafft. Über die Perspektiven des DSC, der am ersten Verkaufstag rund 500 Dauerkarten absetzen konnte, und seine Pläne für die nächste Saison sprachen Torsten Ziegler und Peter Burkamp mit dem 36-Jährigen.
Herr Arabi, mit dem Durchmarsch aus der 3. in die 1. Liga hat Darmstadt 98 gezeigt, dass man auch mit einem kleinen Budget aufsteigen kann. Haben Sie Verständnis dafür, dass auch einige Arminen-Anhänger von der 1. Liga träumen?
SAMIR ARABI: Klar habe ich Verständnis dafür. Die Fans sollen die aktuelle Situation auskosten. Ich will auch nicht der Mahner sein, der auf die Euphoriebremse tritt. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass es für den Club besser ist, kleine, aber stabile Schritte zu machen. In der letzten Zweitligasaison standen wir mal über Nacht auf Platz drei und schon schrieben einige Medien vom Durchmarsch. Wie wir wissen, ist es ganz anders gekommen. Es ist wichtig, die Situation vernünftig einzuordnen.
Warum haben die Aufsteiger in die 1. Liga kaum eine Chance, die Klasse zu halten?
ARABI: Die Unterschiede zwischen Paderborn oder dem damaligen Aufsteiger Greuther Fürth und den Bayern oder Wolfsburg beispielsweise zeigen, wie groß die wirtschaftliche Kluft zwischen diesen Vereinen ist. Insgesamt sind die Differenzen in der 1. Liga wesentlich größer als in der 2.Liga. Unter diesen Voraussetzungen ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, sich in der 1. Liga zu etablieren. Sollte 1860 München sich in der Relegation durchsetzen, befinden sich in der kommenden Saison zwölf ehemalige Erstligisten in der 2. Liga.
Also bleibt die Rückkehr in die 1. Liga eine ferne Vision?
ARABI: Es gibt Wege aus der 2. Liga. Paderborn, davor Braunschweig und Fürth, jetzt der KSC, der Dritter geworden ist – diese Beispiele zeigen, was möglich sein kann, wenn sich Mannschaften über einen längeren Zeitraum entwickeln und nur punktuell an Stellschrauben gedreht wird. Diese Teams waren stabil und hatten ein bis zwei Spieler in ihren Reihen, die über die gesamte Saison überdurchschnittlich gute Leistungen gebracht haben. Klar würden wir den Ball nicht absichtlich am Tor vorbeischießen, wenn die Möglichkeit bestünde aufzusteigen, aber es ist für den gesamten Club und seine Strukturen gesünder, Schritt für Schritt zu wachsen und sich kontinuierlich zu verbessern.
Wie beurteilen Sie die Konkurrenz in der 2. Liga?
ARABI: Die 2. Liga wird eine sehr attraktive Liga mit vielen guten Mannschaften und Traditionsvereinen. Besonders ehemalige Erstligisten wie Düsseldorf, Bochum, Nürnberg, Kaiserslautern oder Duisburg haben für sich den Anspruch, irgendwann in die 1. Liga zurückzukehren. Mit diesem Anspruch werden einige entsprechend viel investieren, und das wird sich im Konkurrenzkampf niederschlagen. Daher wäre es aus unserer Sicht vermessen zu behaupten, dass wir auch in die 1. Liga gehören. Wir tun gut daran, uns darauf zu fokussieren ein stabiler und etablierter Zweitligist zu werden.
Der Darmstädter Marco Sailer lobte das gute Klima innerhalb seiner Mannschaft, auch diverse Arminen haben den Charakter ihrer Mannschaft hervorgehoben. Hatte diese Qualität großen Anteil am Aufstieg?
ARABI: Wir hatten auch im letzten Zweitligajahr eine gute Hierarchie und Spieler mit guten Charaktereigenschaften. Sicherlich hat uns das auch jetzt ausgezeichnet. Dass wir nie zwei Spiele hintereinander verloren haben, zeigt die Fähigkeit der Mannschaft, nach Rückschlägen zurückzukommen. Diese Eigenschaft ist auch Beweis für die Charakterstärke der Jungs. Letztlich glaube ich aber, dass die beiden Teams mit der größten individuellen und spielerischen Qualität aufgestiegen sind. Wir haben uns als Einheit präsentiert und zudem ganz ansehnlichen Fußball gespielt.
Es gab Stimmen, die behaupteten, mit der aktuellen Mannschaft wäre Arminia vor einem Jahr nicht abgestiegen. . .
ARABI: Das habe ich auch schon gehört, aber das ist doch hypothetisch. Ohne groß nachkarten zu wollen, aber: Wir haben damals extrem unter den mehr oder weniger langen Ausfällen von Oliver Petersch, Jan Fießer, Fabian Klos, Manuel Hornig, und Vujadin Savic gelitten.
Genau darauf wollen Sie mit mehr Qualität in der Breite reagieren.
ARABI: Wir haben jetzt schon mehr Zweitligaerfahrung in der Mannschaft als letztes Mal, nimmt man allein die Außenverteidiger Dick und Schuppan. Das Gerüst ist stabiler und breiter aufgestellt. Einige Spieler werden uns noch verlassen, so dass wir Handlungsspielraum haben. Wir werden an verschiedenen Stellschrauben drehen und für alle Mannschaftsteile mehr Spieler dazuholen, die Zweitliganiveau nachgewiesen haben. Dabei muss man aufpassen, dass man durch zu viele Neuzugänge nicht die intakte Hierarchie gefährdet. Es bringt nichts, vier Diven zu holen, die vielleicht super Kicker sind, aber in der Mannschaft nicht akzeptiert oder integriert sind.
Wie hat es Norbert Meier geschafft, die Mannschaft nach dem Abstieg wieder auf Kurs zu bringen?
ARABI: Es war von vorneherein sein Ziel, dass die Mannschaft über Erfolgserlebnisse neues Selbstvertrauen gewinnt. Durch die vielen Spieler, die wir erst zu einem relativ späten Zeitpunkt der Vorbereitung dazugeholt haben, war uns klar, dass es am Anfang der Saison holprig werden könnte. Umso wichtiger war es, den Turnaround mit dem Pokalsieg über Sandhausen zu schaffen.
Haben Sie nach dem Fehlstart am Trainer gezweifelt?
ARABI: Nein, keinen Moment. Auch nicht als es von Außen schon Druck gab. Ich war auch nach dem Abstieg von Norbert Meier überzeugt und konnte diese Überzeugung erfolgreich gegenüber anderen Meinungen vertreten. Ich habe auf Meier gesetzt, weil ich tagtäglich beobachten konnte, wie er im Training arbeitet, wie er mit den Spielern spricht und wie er die Mannschaft weiterentwickelt. Wir befinden uns in einem ständigen Austausch, Norbert Meier arbeitet höchst professionell. Wenn du mit den verschiedensten Vereinen aufgestiegen bist, ist das kein Zufall.
Was passiert mit Peer Kluge?
ARABI: Bis er zu uns kam, hat Peer getickt wie ein Uhrwerk. Plötzlich reiht sich eine Verletzung an die andere. Derzeit befindet er sich in der Reha und gibt alles, um zurückzukommen. Ob es klappt, ist schwer einzuschätzen.
Sie suchen einen dritten Stürmer. Ist das besonders schwer, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass an Klos kein Weg vorbei führt?
ARABI: Der Markt für Stürmer ist sehr dünn. Wir suchen einen, der anders geartet ist als Fabian Klos und Koen van der Biezen. Als wir Koen im Winter holten, war klar, dass wir das System nicht ändern werden. Wir haben aber aus unseren Erfahrungen gelernt und wollten einen qualitativ guten Stürmer dazuholen, um auf eine mögliche längere Ausfallzeit eines Stürmers vorbereitet zu sein. Koen hat für den KSC zehn Tore in der 2. Liga geschossen. Mit seiner Verpflichtung haben wir unseren Plan erfüllt.
Wird Fabian Klos bei Arminia bleiben?
ARABI: Ich bin ganz sicher, dass er nächstes Jahr für uns spielt. Es gibt kein Angebot und hat im Übrigen auch vergangenes Jahr kein konkretes Angebot für ihn gegeben. Fabi ist ein wichtiger Baustein in unserem System. Wenn er in guter körperlicher Verfassung ist, wird er auch in der 2. Liga bei uns eine gute Rolle spielen.
Wie sehen Sie die Chance einer Vertragsverlängerung mit Klos?
ARABI: Fakt ist, er hat einen Vertrag bis 2016. Wir sprechen regelmäßig miteinander. Für mich und uns ist wichtig, dass wir solche Angelegenheiten mit einer gewissen Seriosität angehen und immer gemäß unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten. Ich würde mich freuen, wenn Fabi weiter für uns spielt. Es ist aber auch legitim, wenn ein Spieler, der in einem gewissen Alter ist und möglicherweise vor seinem letzten großen Vertrag steht, sich seine Gedanken macht. Und wenn es dann nicht zusammenpasst, gibt man sich die Hand und geht getrennte Wege. Das wäre ein normaler Vorgang im Profigeschäft.
Wie sieht die Zukunft von Alexander Schwolow aus?
ARABI: Er würde gern hier bleiben. Freiburgs Trainer Christian Streich hat gesagt, dass man auch die Meinung des Spielers hören und respektieren werde. Ich hoffe, dass diese Form der Menschlichkeit Platz hat im Profigeschäft. Andererseits hat Freiburg vertraglich die Möglichkeit, ihn zurückzuholen. Wir müssen jetzt warten, wie sich der SC entscheidet. Ich muss Alex jedenfalls nicht davon überzeugen, wie schön es in Bielefeld ist. Er fühlt sich wohl und gewertschätzt. Außerdem spielt er mit uns auch 2. Liga.
Wie ist die Ausrichtung für den Unterbau ?
ARABI: Vorweg gesagt: Wir gehen mit der U 23 nächste Saison definitiv in der Oberliga an den Start. Darüber hinaus hat Priorität, dass wir mit der U 19 direkt wieder in die Bundesliga aufsteigen. Über die weitere Ausrichtung machen wir uns derzeit sehr viele Gedanken. Wir haben eine Task Force gebildet. Da gilt es, sehr viel abzuwägen. Würden wir die U 23 abmelden, wie es viele Profiklubs tun, hätte das einschneidende Auswirkungen auf die Profiabteilung und die Jugend. Die Konsequenzen würden wir Jahre lang spüren. Wo bekommen Profis sonst Spielpraxis? Versuchen wir die besten U-19-Spieler direkt in den Profikader zu ziehen? Kommen noch Jugendliche von Auswärts zu uns, wenn wir ihnen keine U 23 bieten können? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns sehr intensiv.