Bielefeld. Es ist die klassische Aschenputtel-Geschichte. Aus einer "kleinen, unsichtbaren Mannschaft" wurde in kurzer Zeit ein Aufsteiger, ja sogar ein Champion. Die Futsal-Mannschaft des Matthias-Claudius-Hauses (MCH) in Sennestadt hat eine phänomenale Entwicklung genommen und steigt nun als Meister der Westfalenliga in die Regionalliga-West auf – wohlgemerkt: die höchste deutsche Spielklasse.
"Ich kann das alles selber noch nicht so genau fassen, aber es ist wahr", gesteht Trainer Yasin Kacar. Wie viel Potenzial in der Truppe steckt, bewiesen die Sennestädter an den letzten beiden Spieltagen. Bei Meisterschaftsdurchgang sieben traf das MCH auf DJK Germania Mauritz. Gegen die Truppe hatten die Süd-Bielefelder zu Saisonbeginn ihre bisher einzige Niederlage kassiert (7:8). Acht Minuten lang tasteten sich die Kontrahenten voller Ehrfurcht ab. Doch schon mit der 1:0-Führung für den Bielefelder Tabellenführer war der Bann gebrochen. 5:0 stand es zur Pause. Gar 23:2 am Ende – der bisher höchste Sieg in der noch kurzen Geschichte des Teams. "Wir haben uns in einen regelrechten Rausch gespielt", jubelt Kacar. Spieler Cavit Zorlu: "Es war eine kleine Revanche für die bittere Niederlage aus dem Hinspiel."
Am vergangenen Wochenende in Kamen-Kaiserau, am achten Spieltag, sicherten sich die Sennestädter Überflieger mit einem 9:4-Erfolg über UFC Münster II auch noch den Meistertitel. Dabei waren die Münsteraner (Deutscher Meister 2006 und 2008) gleich mit vier Leuten aus der Ersten, der Regionalliga-Mannschaft, angetreten. Trainer Yasin Kacar bilanziert: "Ich bin stolz auf die Leistung meiner Mannschaft. Wir haben ein junges Team und gleich in der ersten Saison Sensationelles geleistet."
Sieben Siege in acht Begegnungen, eine Tordifferenz von 93:31 Treffern. Hakan Güzel wurde zum besten Spieler der Saison gekürt und Muhammet Sözer führt aktuell die Torjägerliste an (es stehen allerdings für die anderen Teams noch ein paar Partien aus). Um das MCH-Team hat sich mittlerweile eine kleine Fangemeinde gebildet. "50, 60 Zuschauer haben wir bei jedem Spiel", staunt selbst der Coach.
Vielleicht rührt die gute Resonanz daher, dass die Truppe eine recht ungewöhnliche Entstehungsgeschichte hat. Die Futsal-Mannschaft ist aus den Soccer-Boys entstanden. Diese Fußballgruppe besteht seit mehr als zehn Jahren und ist ein offenes Angebot des Matthias-Claudius-Hauses für Jugendliche, die gerne kicken. "Wir sind wie eine große Familie, in der Dinge wie Alter, Kultur oder Leistung nebensächlich sind", sagt Kacar, der die Soccer-Boys seit vielen Jahren betreut. Das Team hatte nur ein Problem. Zu offiziellen Turnieren war es nicht zugelassen. So blieben lediglich ab und zu ein paar Hobbyveranstaltungen wie die "Street Soccer Tour". Doch die Jungs wollten mehr – und zwar regelmäßiger Fußball spielen. Also meldete das MCH im vergangenen Jahr für die Futsal-Westfalenliga.
Anfangs mussten sogar noch einige "Veteranen" aushelfen, weil Kinder im Alter von 14 bis 16 Jahren dort nicht spielberechtigt sind. "Doch mittlerweile können wir aber mit unseren Jugendlichen auffüllen", sieht Kacar "überhaupt keine Nachwuchsprobleme". Trotzdem helfen auch immer wieder einmal gestandene Amateurkicker aus, wobei das von den Vereinen gar nicht gerne gesehen wird. So musste Matti Kuuse, Torwart des Westfalenligisten VfB Fichte, sein Engagement beim MCH Sennestadt wieder aufgeben.
Von nun an freuen sich die Sennestädter auf die Regionalliga. Die neue Saison beginnt im Herbst. Bis dahin will das Team die Zeit nutzen, um sich auf das höhere Niveau einzustellen. "Um das zu erreichen brauchen wir für unser Training Hallenzeiten und den einen oder anderen Sponsor", sagt Kacar. Denn zu den Auswärtspartien geht es immerhin bis nach Uerdingen, Siegen oder Wuppertal. Wenn es optimal läuft, dann kommt es in der neuen Spielzeit sogar zu einem Bielefelder Lokalderby. Dazu müssen die Black Panther aus Brackwede allerdings den Klassenerhalt in der Regionalliga schaffen.