Paderborn/Höxter

Bosseborn-Prozess: Verteidiger wollen Briefeschreiber hören

Die Staatsanwaltschaft Paderborn soll die Adresse des unbekannten Mannes ermitteln. Zudem schaltet das Gericht einen weiteren Rechtsmediziner ein.

Im Gericht: Der Angeklagte Wilfried W. mit seinen Verteidigern Carsten Ernst (l.) und Detlev Binder. | © Marc Köppelmann

28.04.2018 | 28.04.2018, 10:00

Paderborn/Höxter. Seit fast anderthalb Jahren beschäftigt der Bosseborn-Prozess die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Paderborn. 45 Verhandlungstage schon versuchen die Richter um den Vorsitzenden Bernd Emminghaus zu klären, ob Wilfried und Angelika W. des zweifachen Mordes durch Unterlassen schuldig sind.

Per se ist das kein einfaches Unterfangen, doch dass nun, schon seit Monaten der Prozess auf der Stelle zu treten scheint, das ist vor allem der im Winter erfolgten Ablösung des Gutachters Michael Osterheider geschuldet. Denn zurzeit arbeitet Nahlah Saimeh immer noch an ihren Expertisen zur Schuldfähigkeit beider Angeklagter, und so muss das Gericht diese Zeit sinnvoll überbrücken.

Schreibt das Gutachten: Die forensische Psychiaterin und Gutachterin Nahlah Saimeh. - © Köppelmann
Schreibt das Gutachten: Die forensische Psychiaterin und Gutachterin Nahlah Saimeh. | © Köppelmann

Während am 44. Verhandlungstag Mitte des Monates Emminghaus noch einen Brief verlesen konnte, in dem der Autor eine Lanze für Wilfried W. brach, ging es am Freitag eher formal zu. So verkündete der Vorsitzende den Beschluss des Gerichts, einen weiteren Rechtsmediziner einzuschalten. Dieser soll erhellen, wie es um die Überlebenschancen von Susanne F. bestellt war, als sie am 21. April 2016 völlig entkräftet in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, aber dort nach wenigen Stunden verstarb.

Am 15. Mai wird die Verhandlung fortgesetzt

Im Sommer hatten zwei Ärzte völlig unterschiedliche Auffassungen vertreten. Ein Rechtsmediziner aus Göttingen hatte damals Susanne F.s Leben wegen der Kopfverletzung für ohnehin verloren gehalten – im Gegensatz zu seinem Kollegen aus Münster. Als im Februar ein von der Staatsanwaltschaft eingeschalteter Neurochirurg gleichfalls äußerte, dass die Frau gute Überlebenschancen bei rascher intensivmedizinischer Behandlung gehabt hätte, war das für das Gericht Anlass, einen weiteren Experten einzuschalten.

Aufstocken will auch die Verteidigung von Wilfried W. das Restprogramm des Gerichts. Detlev Binder und Carsten Ernst wollen jenen Mann hören, der den Brief an die Staatsanwaltschaft geschrieben, darin eine Zeugin der Lüge bezichtigt und Wilfried W. als Mann dargestellt hatte, der sich nicht wehre und sich vor dominanten Frauen ducke. „Wir halten das für erforderlich", sagten sie. Der Schreiber könne wahrscheinlich Auskünfte über Wilfried W. und seine Beziehungen geben.

Worte, die Emminghaus hörte und denen er Taten folgen ließ. Er forderte die Staatsanwaltschaft auf, „die Anschrift des möglichen Zeugen zu ermitteln". Ob das gelingt, weiß zurzeit niemand. Schließlich konnte nur der Vorname Otto und der Ort Bruchhausen auf dem Schreiben einwandfrei entziffert werden. Möglicherweise sind diese Angaben aber falsch.

Folglich wird es wohl sehr wahrscheinlich wieder nur eine sehr kurze Sitzung sein, wenn am 15. Mai die Verhandlung fortgesetzt wird. Der 47. Verhandlungstag jedoch soll ganz im Zeichen von Experten aus dem Bereich der Medizin stehen.

INFORMATION


Nahlah Saimeh gibt Posten auf

Nach knapp 14 Jahren als ärztliche Direktorin hat sich Nahlah Saimeh vom Zentrum für forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn des LWL verabschiedet. LWL-Direktor Matthias Löb bedankte bei Saimeh: „Sie haben das LWL-Zentrum zu einer modernen und bundesweit anerkannten forensischen Klinik weiterentwickelt, die dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit Rechnung trägt aber auch dem Interesse der Patienten." Löb würdigte damit die bundesweit anerkannte Forensikerin, die sich entschlossen hat, ihre Tätigkeit aufzugeben, um als forensisch-psychiatrische Sachverständige selbstständig zu arbeiten.