„Angst zu schüren gefährdet die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge“

Bielefeld. Der Streit um die Asylpolitik in Deutschland, Gewalttaten wie der Mord an der 14-jährigen Susanna in Mainz und Rettungsschiffe im Mittelmeer, die nicht anlegen dürfen – Themen wie diese bestimmen die hitzige Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen. In dieser schwierigen Phase hat Dominik Bartsch die deutsche Repräsentanz des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen übernommen, um Öffentlichkeit für die Menschen zu schaffen, die aus den Krisenherden dieser Welt fliehen. DEUTSCHE ASYLPOLITIKDie Bundesregierung streitet um die Frage, ob Deutschland Flüchtlinge, die sich vor der Einreise bereits in einem anderen europäischen Land registriert haben, zurückweist. Bartsch warnt vor einer Kettenreaktion. &bdquo;Wir benötigen eine europäische Lösung, um zu verhindern, dass nicht auch andere europäische Länder Flüchtlinge zurückweisen." Deshalb berge ein Alleingang Deutschlands große Gefahren. &bdquo;Wir müssen sicher sein, dass die Prüfung des Schutzbedarfs das zentrale Kriterium bleibt, damit nicht die Menschen zurückgewiesen werden, die einen Anspruch auf Schutz haben", so Bartsch. &bdquo;Deutschland ist dazu verpflichtet, bei Schutzsuchenden, die an der Grenze um Asyl nachsuchen, zu prüfen, welches Land zuständig ist." Für die Dauer der Prüfung müssen die Menschen bleiben dürfen. Ebenso kritisch bewertet Bartsch den begrenzten Familiennachzug. Die Bundesregierung hat den Familiennachzug für Flüchtlinge mit untergeordnetem Schutzstatus wieder eingesetzt, allerdings liegt die monatliche Obergrenze bei 1.000 Angehörigen. Laut Bartsch eine falsche Regelung. &bdquo;Wir sind mit der Kontingentierung nicht einverstanden, denn die Sicherheit der Familie ist wichtig für die Integration", sagt Bartsch. &bdquo;Wir kennen Fälle von Syrern, die trotz Schutzstatus zurück nach Syrien gegangen sind, weil ihre Frauen nicht kommen durften. Das zeigt, wie groß die Not dieser Menschen ist." Bartsch befürchtet zudem, dass das Kontingent nicht voll ausgeschöpft wird. &bdquo;Wir befürchten, dass wir an die Zahl 1.000 nicht herankommen werden, wenn die Verwaltung keine einfachen Vorschriften für die praktische Umsetzung bekommt." Familien mit minderjährigen Kindern sollten laut Bartsch zuerst berücksichtigt werden. Danach sollten die Anträge in der Reihenfolge der Wartezeit seit Stellung des Asylantrags geprüft werden. MITTELMEERMit Blick auf die vielen Rettungsschiffe, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten, aber nicht in die Häfen von Italien und anderen europäischen Ländern einlaufen dürfen, warnt Bartsch vor einem Verlust der internationalen Solidarität. &bdquo;Die Stimmung hat sich gewandelt, denn immer mehr Staatschefs wägen ab, inwieweit die Rettung von Flüchtlingen die Stimmung in ihrem Land beeinflusst", moniert Bartsch. Er fordert im Umgang mit Flüchtlingen einen europäischen Weg. Zudem müsse intensiv an der Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern gearbeitet werden. &bdquo;Bestimmte Staaten sollten ein besonderes Interesse daran haben, in der konkreten Situation zu helfen. Angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise sehe ich die europäischen Staaten besonders in der Verantwortung." GEWALTTATENDer Mord an der 14-jährigen Susanna in Mainz und anderen Gewalttaten von Flüchtlingen haben die Debatte um die Flüchtlingspolitik in Deutschland verschärft. &bdquo;Die Angst in der Bevölkerung ist nachvollziehbar und darf nicht kleingeredet werden", sagt Bartsch. Ihr müsse aber begegnet werden. &bdquo;Wir werben immer dafür, das Gespräch mit Flüchtlingen zu suchen. Warum nicht mal ein Treffen in einer Flüchtlingsunterkunft organisieren, um zu erfahren, wer dort lebt?" Kontakt sei der beste Weg, um Ängste auf beiden Seiten abzubauen. &bdquo;Denn auch Flüchtlinge haben Ängste", sagt Bartsch. Sie fürchten Verallgemeinerungen und sorgen sich um ihre Perspektiven. &bdquo;Uns macht Hoffnung, dass die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge in Deutschland noch immer sehr hoch ist." Das Schüren von Ängsten gefährde diese Einstellung jedoch.

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