Kommentar

Vergewaltigung in Harsewinkel: Das Schweigen der Polizei verschlimmert die Sache nur

Bereits im November 2017 soll ein 14-jähriges Mädchen in Harsewinkel Opfer von sexuellen Übergriffen durch eine Gruppe junger Männer geworden sein. Erst jetzt kam der Fall an die Öffentlichkeit. Zu spät, findet NW-Chefredakteur Thomas Seim.

In Harsewinkel ist eine 14-Jährige missbraucht worden. Nun steht auch die Polizei in der Kritik.  | © picture alliance / Eibner-Pressefoto

Thomas Seim
08.06.2018 | 08.06.2018, 20:43

Harswinkel. Man schwankt zwischen unkontrollierter Wut, Mitleid, Zorn und Kopfschütteln. Der Missbrauch eines 14-jährigen Mädchens durch mehrere männliche Jugendliche oder jugendliche Männer ist so widerlich und menschenverachtend, dass man die Gedanken nicht öffentlich machen kann, die einem die erste Wut über die Nachricht in den Kopf treiben. Niemand von uns kann das einfach so zur Seite legen. Wir sind beim Leid des Opfers. Wir leiden mit ihm.

Nach den ersten jetzt vorliegenden Erkenntnissen gibt es keine genaueren Erinnerungen des Mädchens an die Tat. Die Polizei kam erst spät auf eine Gewalttat und ermittelte einen möglichen Täterkreis. Die Leiden der 14-Jährigen werden groß sein. Körperlich. Vor allem aber muss man fürchten, dass sie Schäden an der Seele davon tragen wird.

Das dachte sich die Polizei sicher auch und verschwieg über mehrere Wochen diese Tat; so lange, bis eine rechtsradikale Plattform sich der Informationen über die Tat annahm und sie öffentlich machte. Sie schürt nun nicht nur mit ausländerfeindlichen Parolen die Fremdenfeindlichkeit, sondern zerrt damit zugleich das Opfer in die Öffentlichkeit. Das ist widerlich.

Geheimhaltungsstrategie macht den Fall noch schlimmer

Aber es erhöht auch den Zorn über die Ermittlungsbehörden. Dass ein solches Verbrechen – zumal in einem kleinen Ort – geheim gehalten werden kann, ist unvorstellbar. Dass es lange vor einem Strafprozess öffentlich wird, darf als sicher gelten. Das weiß auch die Polizei.

Man schüttelt deshalb den Kopf über die Geheimhaltungsstrategie der Ermittlungsbehörden, insbesondere über deren Chefs. Sie hätten – wie so oft – den Fall und seinen Verlauf vom Ende her denken müssen. Dann wäre ihnen sofort bewusst geworden, dass ihre Strategie den Schaden für das Mädchen und deren Familie nicht verringert, sondern vergrößert.

Dann hätten sie gewusst, dass der ihnen bekannte Tatbestand zu erheblichen Reaktionen in der Öffentlichkeit führen würde. Dann hätten sie vorausahnen müssen, dass die Information und deren Geheimhaltung politisch missbraucht werden würde, wie sie jetzt missbraucht wird von dieser rechtsradikalen Internet-Plattform.

Das ist bitter. Und doch darf es nicht ablenken von der schlimmen Tat in unserer Nachbarschaft. Das Verhalten der sechs Jugendlichen deutet insgesamt darauf, dass sie sehr genau wussten, wie unerträglich und kriminell ihr Verhalten war. Dafür müssen sie sich nun verantworten. Vor einem vorurteilsfreien deutschen Gericht. Das wird ein gerechtes Urteil für die Täter finden.