Herford

Elektromechanischer Organist für St. Johannes Baptist

Notlösung: Die katholische Kirchengemeinde leidet unter einem Mangel an Kirchenmusikern und will für rund 10.000 Euro eine "Organola" anschaffen. Auch die evangelische Gemeinden werden in den nächsten Jahren schwerer Kantoren finden

Dem Altar zugewandt: Der Organist sitzt in St. Johannes Baptist mit Rücken zur Orgel - das ist ungewöhnlich. Pfarrer Gerald Haringhaus spielt sonst nicht Orgel und hat nur für unser Foto nur kurz Platz genommen und einige Töne angeschlagen, wie er es auch tut, wenn Kindergartenkinder zur Besichtigung kommen. | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

18.02.2016 | 18.02.2016, 10:23

Herford. Für Gerald Haringhaus ist es ein Lückenbüßer - das computergesteuerte Gerät "Organola", das in rund zwei Monaten in St. Johannes Baptist zur Heiligen Messe die Orgel spielen soll. "Bei uns ist der Organistenmangel noch schlimmer als der Priestermangel", wirbt der katholische Pfarrer um Verständnis.

Organola: Die bayerische Firma Holzapfel stellt den Manual-Aufsatz her, der die Tasten der Orgel drückt, wie es ein Kirchenmusiker an einer anderen Orgel vorher eingespielt hat. - © Foto: Hersteller
Organola: Die bayerische Firma Holzapfel stellt den Manual-Aufsatz her, der die Tasten der Orgel drückt, wie es ein Kirchenmusiker an einer anderen Orgel vorher eingespielt hat. | © Foto: Hersteller

Hauptamtliche Stellen für Organisten gibt es in den katholischen Kirchengemeinden in Herford nicht. "Das können wir nicht bezahlen", sagt Haringhaus.

Während die Kirchenmusik an Maria Frieden und St. Paulus dank sehr engagierter und langjähriger nebenamtlicher Kirchenmusiker sogar über das Orgelspiel hinaus gut funktioniert, muss sich die Gemeinde in Herford-Mitte seit Jahren mit häufigem Wechsel und Notlösungen zufrieden geben. "Es ist schon passiert, dass wir bei einer Trauung ohne Musik dastanden", hat der Pfarrer in schmerzlicher Erinnerung und weiß: "Die Gottesdienstbesucher sind unzufrieden."

Ein Student der Kirchenmusikhochschule hilft aus

Im Sekretariat habe man sich oft am Telefon "die Finger wund gewählt", um Vertretungen zu finden, die sich hören lassen können. Derzeit hilft unter anderem ein Student der Kirchenmusikhochschule aus, doch auch das geht nur bis März.

Und so wurde nun im Kirchenvorstand die Anschaffung einer Organola eines bayerischen Herstellers "als letzte Option" beschlossen, wie es schon seit einiger Zeit im Gespräch war, berichtet Haringhaus. Dabei handelt es sich um einen Kasten, der bei Bedarf auf den Spieltisch aufgesetzt wird, und dessen Innenleben über elektromagnetisch gesteuerte Stößel tatsächlich die Orgel der Kirche spielt und so den gewohnten Klang erzeugen soll. Die Register der Orgel von 1969 sind über elektrische Schalter zu bedienen und daher auch von der Organola mit wenig Aufwand zu steuern. Das Gerät wird bestellt mit einem Repertoire von rund 700 Liedern und weiteren Musikstücken, die von Kirchenmusikern eingespielt wurden.

Applaus für ferngesteuerte Musik

Die Vikare Christoph Lange und Michael Bendel kannten die Organola schon aus Gemeinden, in denen sie vorher tätig waren. "Vor einem Jahr war der Kirchenvorstand dann in einer Bielefelder Gemeinde zu Besuch, die die Organola schon nutzt", erinnert sich Haringhaus. Man war positiv überrascht: "Der dortige Küster hat sogar schon mal Applaus für ein Stück bekommen." Dabei hatte er nur die Fernbedienung für das Gerät gedrückt.

Ein nebenamtlicher Organist bekommt an St. Johannes Baptist 20 Euro Aufwandsentschädigung für eine Messe, das summiert sich auf über 1.000 Euro im Jahr, so dass sich die Organola auf Dauer amortisiert. "Das ist aber nicht der Grund für die Anschaffung", bekräftigt Gerald Haringhaus. Man sei froh über jede Kirche, an der die Kirchenmusik ohne Organola funktioniert. "Wir wollen nicht ohne Not einen Organisten ersetzen."

Die Organola wird finanziert aus einer Spende, die an die Kirche St. Johannes Bapist gebunden ist, und mithin nicht anderswo verwendet werden kann.

Mit Gerät auf lebendige Gemeinde eingehen sei schwierig

Der Rektor der Herforder Hochschule für Kirchmusik, die für die evangelische Kirche ausbildet, fürchtet nicht, dass die Apparate Arbeitsplätze von Kirchenmusikern gefährden. "Ich kann die Notlage der Gemeinde verstehen", erklärte Helmut Fleinghaus auf Anfrage. Nach seiner Vorstellung ist es aber schwierig, mit einem Gerät, das Orgel spielt, auf eine lebendige, singende Gemeinde einzugehen. Zwar lasse sich das Tempo des Orgelspiels vorab einstellen, doch schwanke das Tempo einer Gemeinde.

Es sei wohl durchaus so gedacht, dass Kirchenmusiker im Nebenamt ihr Geld in erster Linie in einem Hauptberuf verdienen. Dass man für 20 Euro Honorar pro Gottesdienst aber keinen Organisten findet, wundert ihn nicht: "Ein Profi muss schon zwei bis drei Stunden üben." Bei der Bezahlung brauche es einen Idealisten.

Ein Mangel steht allerdings auch bei hauptamtlichen Musikern in der evangelischen Kirche bevor. "Nach der Altersstruktur werden 2020 einige Stellen frei und am Markt gibt es nicht genug junge Leute", weiß Fleinghaus. Als die Kirchen in den 1990er-Jahren gesagt hätten "Wir haben kein Geld mehr", seien die jungen Leute weggeblieben. Das ändere sich erst allmählich wieder. Derzeit versucht eine arbeitsrechtliche Kommission, die Gehaltsstruktur der Kirchenmusiker zu verbessern.