Das große Rausräumen bei Wellmann

Enger. Schnäppchenjäger kommen derzeit überall auf ihre Kosten. Der Handel trennt sich von der Winterware – und Pullover, Mäntel, Jacken oder warm gefütterte Stiefel gehen für kleines Geld über den Ladentisch. Ganz außergewöhnliche Schnäppchen gibt es zur Zeit auch im Gewerbegebiet Enger-Besenkamp. Der insolvente Küchenmöbelhersteller Wellmann, eine Tochtergesellschaft der Alno-AG, verkauft die letzten der hier produzierten Küchenzeilen – zum Schleuderpreis. Bei Nachlässen von bis zu 90 Prozent des regulären Preises schlagen die Herzen echter Sparfüchse da höher. Beate Dupré jubelt – sie hat ihre nagelneue Küche zu &bdquo;einem Hammerpreis" bekommen. Nur rund 1.000 statt 7.000 Euro hat sie für die komplette Zeile bezahlt. Allerdings musste sie dafür ein bisschen kompromissbereit sein. &bdquo;Meine neue Küche ist weiß, das wollte ich eigentlich nicht", sagt sie. Dafür aber sei sie wunderschön und vor allem: Sie passt genau in den dafür vorgesehenen Raum. Mit Fantasie und handwerklichem Geschick zur Traumküche Das sei schon ein Glücksfall, räumt auch Andreas Capito ein. Der ehemalige Leiter der Qualitätssicherung ist in diesen Tagen vor allem damit beschäftigt, das Lager des Küchenmöbelherstellers leer zu räumen. Etwa 350 Küchen, eine komplette Tagesproduktion, standen im November noch in den Hallen, als der Insolvenzverwalter alle weiteren geschäftlichen Transaktionen untersagte. 400 Mitarbeiter verloren damals ihren Arbeitsplatz (die NW berichtete). Seitdem versuchen die letzten 30 noch verbliebenen &bdquo;Wellmänner", diese Möbel an den Mann oder die Frau zu bringen. Die Nachfrage ist groß, an manchen Tagen herrscht in den großen Fabrikhallen reges Treiben. Zur Zeit, so Capito, stehen dort noch rund 50 Küchen. Einige weitere können aus dem Lager noch nachgeräumt werden. Muskelkraft und handwerkliches Geschick Wer sich für eine der Schnäppchenküchen interessiert, muss allerdings ein bisschen Fantasie mitbringen. Denn zu sehen ist immer nur eine Front der Küchenzeile, alles andere bleibt verpackt. Ob die Küche passt oder nicht, muss sich jeder Käufer selbst aus dem Angaben auf den Kartons zusammenreimen. Für Transport und Aufbau der Küche, so sagt Capito, sei auch ein wenig Muskelkraft und handwerkliches geschickt nicht schlecht. Dann aber habe man ein echtes Schnäppchen gemacht, betont auch der ehemalige Standortleiter des Werkes Stefan Schneider. Denn alle Küchen, die jetzt abverkauft werden, stammen aus der letzten aktuellen Produktion und seien absolut hochwertig. Ein bisschen wehmütig schaut Schneider dann aus dem Fenster seines Büros. &bdquo;Nicht nur die Küchen, sondern das alles hier kommt jetzt unter den Hammer", sagt er und weist über das Fabrikgelände. Zum Betrieb gehören auch Privathäuser Das alles, das sind nicht nur die Produktionshallen und das Verwaltungsgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Zum Betrieb gehören auch Privathäuser in der unmittelbaren Nachbarschaft und Grundstücke, die in besseren Zeiten sozusagen &bdquo;auf Zuwachs" gekauft worden waren. 70.000 Quadratmeter Grundfläche gehören zur Firma, 45.000 davon sind überbaut. Sowohl für das Verwaltungsgebäude als auch für die Fabrikhallen gibt es Interessenten, bestätigt Schneider, der vom Standortleiter zum Abwickler des kompletten Betriebes geworden ist. Die Immobilien, so vermutet er, werden sich wohl unterschiedliche Käufer teilen. Das komplette Anlagevermögen ist bereits an einen Verwerter verkauft. Vom Schreibtischstuhl bis zur Maschine – alles kommt unter den Hammer Zu diesem Posten gehört von allen Maschinen bis zum letzten Schreibtischstuhl das gesamte Firmeninventar. &bdquo;Der Schreibtisch, an dem wir sitzen, gehört uns schon nicht mehr", sagt Schneider und lächelt ein bisschen gequält. Aufgekauft hat ihn wie alles andere ein professioneller Wiederverkäufer, der sämtliche Teile wahrscheinlich ab Februar im Internet versteigern wird. Und Schneider ist sicher: &bdquo;Da geht das Zeug weg wie nichts!" Vieles bleibe sicherlich bei Firmen in Deutschland. So manche Maschine werde aber auch nach Osteuropa oder auch nach Afrika und Südamerika verkauft. Auch das so genannte Umlaufvermögen muss in diesen Tagen versilbert werden. Dazu gehören alle im Betrieb benötigten Materialien, vom Holz für die Möbel über Scharniere bis hin zum Faxpapier – alles kommt unter den Hammer. Das machen die letzten Mitarbeiter in enger Absprache mit dem Insolvenzverwalter selbst. &bdquo;Da steht noch so manches Urlaubsgeld aus" Auch hier gilt wie für alles andere, so viel Gewinn wie möglich zu erzielen. &bdquo;Da wird jetzt überall so richtig gepokert", sagt der ehemalige Betriebsleiter. Aber das sei ja auch gut so, räumt er ein. Es gebe schließlich einige Gläubiger zu bezahlen und auch die Angestellten hätten durchaus noch Forderungen. &bdquo;Da steht noch so manches Urlaubsgeld aus, je mehr Geld wir mit dem Ausverkauf verdienen, desto besser ist das also auch für uns." Noch bis Ende März, so schätzt Stefan Schneider, werden die letzten 30 Wellmänner mit dem großen Räumen und den letzten Abrechnungen beschäftigt sein. Die Immobilie in Schuss halten Danach, so vermutet er, werden wohl noch sieben oder acht Mitarbeiter bleiben, die die Immobilien in Schuss halten, bis auch diese verkauft sind. Er selbst wird das nicht mehr miterleben. Am 12. Januar hatte er seinen letzten Arbeitstag bei Wellmann in Enger. &bdquo;Aber", so sagt er, &bdquo;ich habe Glück im Unglück gehabt, einen neuen Job und damit eine neue Perspektive gefunden. Vor einem Vierteljahr war mir das noch nicht so klar gewesen!"

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