Stadt soll ihre Klärwerke ausbauen, weil Mikroschadstoffe die Gewässer belasten

Bielefeld. Rückstände aus Medikamenten, Waschmitteln, Kosmetika und Pflanzenschutzmitteln finden sich im Abwasser – und auch in Bächen und Flüssen. Zwar filtern die Kläranlagen den großen Dreck aus dem Schmutzwasser heraus – doch die kleinsten Partikel (Mikroschadstoffe) fließen fast ungehindert in die Gewässer. Sogenannte 4. Reinigungsstufen könnten das Problem lindern. Doch in den meisten Städten gibt es sie noch nicht. Für Bielefeld werden sie teuer. Gewässer belastet &bdquo;Das Abwassergesetz schreibt sie nicht vor", erklärt Andreas Moseke, Sprecher der Bezirksregierung Detmold. Trotzdem müssten sich die Städte damit befassen. Denn über die Wasserrahmenrichtlinie versuchen EU und Land, die Qualität der Gewässer zu verbessern. Und das setzt auch Klärwerkbetreiber wie den städtischen Umweltbetrieb in Bielefeld unter Druck, zu handeln – bis 2021. Denn das Wasser in Lutter und Aa, in die die großen Bielefelder Klärwerke Heepen und Brake einleiten, ist gering oder mäßig belastet (Güteklassen II bis II-III) – und damit verbesserungswürdig. Problem in Bielefeld ist, dass es nur kleine Flüsse gibt. &bdquo;Da schlägt jede Verunreinigung durch", sagt Klärwerksleiter Peter Seydel. Auf Dauer wird die Bezirksregierung die Stadt bei der Verlängerung der Einleitungserlaubnisse (in der Regel für zehn Jahre) strengere Auflagen bis hin zur 4. Reinigungsstufe machen. Der Umweltbetrieb tut sich aber schwer damit – weil so viel nicht geregelt sei. &bdquo;Uns wäre es lieber, es gäbe klare gesetzliche Vorgaben", sagt Marion Hauptmeier-Knak, Abteilungsleiterin Stadtentwässerung: &bdquo;So ist es schwer, den richtigen Zeitpunkt, aber auch den passenden technischen Standard zu finden." Wenn die Stadt Pech hat, fallen die Grenzwerte später anders aus, als die Kläranlage sie bei einer Nachrüstung einplant. Zudem gilt die 4. Stufe als freiwillige Aufgabe – mit dem Risiko, dass später Gebührenbescheide anfechtbar sein könnten. Kostenspanne groß Deshalb tastet sich Bielefeld vor. Zunächst ließ der Umweltbetrieb auf Weisung aus Detmold Machbarkeitsstudien für Heepen und Brake erarbeiten. Die stellten neun bzw. 15 Stoffe fest, die die Reinigung bisher nicht schafft. Und sie empfehlen einen Versuchsbetrieb. Der soll 2017 in Heepen starten und ein bis zwei Jahre laufen. Der Förderantrag sei gestellt. Doch welches ist die richtige Technik? Drei Verfahren sind derzeit aktuell, sie können auch kombiniert werden. Die Kostenspanne ist groß. Hauptmeier-Knak rechnet mit Investitionen von bis zu 2,5 Millionen Euro. Das Land fördert 70 Prozent. Am günstigsten wäre ein Aktivkohlefilter mit Granulat, der in Heepen in die heutige 3. Reinigungsstufe (Filtration) eingesetzt werden könnte. Bei anderen Verfahren wie Ozonierung (Aufspaltung mit Ozon und Chlor) oder Nanofiltration (mit Membranen) wären Erweiterungsbauten nötig. Und bei ihnen befürchten Seydel und Teamleiter Michael Bröker erheblich höhere Betriebskosten. Hauptmeier: &bdquo;Zusätzlicher Aufwand geht in die Abwassergebühren." Allerdings könnte es auch eine Entlastung geben: Denn je besser die Klärwerke reinigen, desto weniger Abwasserabgabe zahlen sie. So sind die Bielefelder stolz, dass sie die Abgabe durch Optimierungen von 700.000 auf 400.000 Euro pro Jahr senken konnten. Veraltete Technik Aber die drei Klärwerke, die der Umweltbetrieb in Heepen, Brake und Sennestadt betreibt, laufen weitgehend mit Technik aus den 1990er Jahren, als sie letztmals saniert oder gebaut wurden. Seydel: &bdquo;Der Modernisierungsbedarf ist groß." Aktuell läuft die Umstellung der Prozessleittechnik, mit der die Anlagen gesteuert werden, auf vollautomatischen Betrieb – Kosten: rund fünf Millionen Euro. Klärschlamm teurer? Unklar ist zudem, wie auf Dauer der Klärschlamm entsorgt wird, von dem jährlich rund 18.000 Tonnen in Bielefeld anfallen. Noch darf er auf Äcker gekippt werden. Doch der Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Verwertung ist absehbar. Derzeit wird der Bielefelder Schlamm zur Hälfte verbrannt. Die Kosten hierfür sind etwa doppelt so hoch. Von einer 4. Reinigungsstufe profitiert Bielefeld allerdings bereits: Brackwede und Senne werden über die Anlage Obere Lutter in Niehorst (Gütersloh) entwässert – die bereits nachgerüstet ist. Hauptgrund dafür waren häufig überschrittene Grenzwerte, ausgelöst durch einen privaten Entsorgungsbetrieb.

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