Seehofer kanzelt Bielefelds kritische Muslimin ab - "Fühle mich als Deutsche abgelehnt"

Bielefeld/Berlin. Kaum ist Horst Seehofer (CSU) im Amt des Bundesinnenministers, setzt er mit einem Zeitungsinterview ein Zeichen, wie er Deutschland sieht. Auf die Frage &bdquo;Gehört der Islam zu Deutschland?", antwortet er: &bdquo;Nein. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben." Najla M. ist Bielefelderin, Lehrerin, deutsche Staatsbürgerin mit tunesischen Wurzeln und Muslimin. Sie fühlt sich von dieser Aussage des deutschen Innenministers zu Unrecht an den Rand gedrängt und schreibt ihm einen bemerkenswerten Brief: &bdquo;Meine Heimat ist Deutschland und ich bin Muslimin. Wie und woran ich glaube, ist sehr privat. Wenn Sie als unser Bundesinnenminister sich so über den Islam in Deutschland äußern, fühle ich mich nicht nur angesprochen, sondern als deutsche Muslimin abgelehnt. Ist das wirklich Ihre Absicht?" "Mit solchen Aussagen wird Angst geschürt" Najla M. sorgte bereits nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht mit ihrem offenen Brief an die Lokalredaktion im Januar 2016 deutschlandweit für Aufsehen. Wenig später lud sie daraufhin sogar das Fernsehen ein. Damals sprach sie ungeschminkt gesellschaftliche Probleme an, die zu dieser Zeit unsagbar schienen. Zwei Jahre später hat sie wieder einen Brief mit zahlreichen Denkanstößen geschrieben. M. fragt sich außerdem, warum Seehofer ausgerechnet jetzt mit dem Satz &bdquo;Der Islam gehört nicht zu Deutschland" die Debatte um den Islam neu entfacht. &bdquo;Sie betonen, dass unser Land christlich geprägt ist. Wer zweifelt das an? Sie möchten nicht, dass landestypische Gebräuche und Feiertage aufgegeben werden? Wer verlangt das? Sind das tatsächlich Ihre Ängste?" M. betont: &bdquo;Ich finde es fatal, dass mit solchen Aussagen die Angst geschürt wird, christliche Traditionen könnten verschwinden." In den Erklärungen Seehofers liest die Lehrerin eine Aufforderung, ihren Glauben und damit auch einen Teil ihrer Identität abzulegen: "Nur wer sich zugehörig fühlt, wird auch Verantwortung übernehmen" &bdquo;Menschen mit muslimischen Wurzeln leben seit mindestens drei Generationen in Deutschland. Haben Sie sich gefragt, was dieser Satz bei ihnen auslöst?", schreibt M. weiter. Jedes Land habe seine Geschichte und werde fortlaufend weitergeschrieben, so M., &bdquo;vor diesem Hintergrund kann man die Äußerungen von Angela Merkel, Wolfgang Schäuble und Christian Wulff gut verstehen." Mittlerweile lebten 4,5 Millionen Muslime in Deutschland, viele von ihnen als deutsche Staatsbürger und diesem Land sehr verbunden. Der Islam ist längst Teil der deutschen Realität geworden. Najla M. kritisiert, dass die Aussage des Innenministers zahlreiche Bemühungen in diesem Land zunichtemache: &bdquo;Wenn es um Fragen der Integration geht, ist Zugehörigkeit ein sehr wichtiger Faktor. Nur wer sich zugehörig fühlt, kann in einem Land Verantwortung übernehmen und sich einbringen, sich weiterentwickeln und dieses Land mitgestalten. Dazu brauchen wir aber Politiker, die alle hier lebenden Menschen ansprechen und sie nicht ausgrenzen." "Muslime wie mich muss man nicht erst bitten, Teil der Gesellschaft zu werden" Eine solche Anerkennung und Wertschätzung wünsche sich die Bielefelderin auch vom neuen Heimatminister. Seehofer erklärte in dem Interview: &bdquo;Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns." Seehofers Statement ist auch innerhalb der Unionsparteien sehr umstritten: CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer hat der Aussage von CSU-Chef #Seehofer widersprochen, wonach der #Islam nicht zu Deutschland gehöre. pic.twitter.com/4AiORxB6nr tagesschau (@tagesschau) 16. März 2018Najla M. ist entrüstet: &bdquo;Muslime wie mich muss man nicht erst bitten, Teil der Gesellschaft zu werden. Als aktive und berufstätige Bürgerin gestalte ich dieses Land mit." Als Demokratin liege ihr die Sicherheit ihrer Heimat Deutschland sehr am Herzen. &bdquo;Auch ich wünsche mir, dass sich die Protestwähler bei den nächsten Wahlen wieder für eine demokratische Partei entscheiden werden. Diese Wähler auf Kosten der hier lebenden Muslime zurückzugewinnen halte ich für fatal." "Leider wird die Diskussion nun allein in Talkshows geführt" Ob Horst Seehofer die Gedanken der Bielefelderin gelesen hat, glaubt sie nicht. Immerhin antwortete ihr zwei Tage später das Büro des Innenministers mit einer Eingangsbestätigung. In dieser Antwort finden sich drei Links – einer vom kritisierten Interview und zwei zu Aussagen Seehofers auf der Seite des Ministeriums.&bdquo;Leider kannte ich das alles schon." M. befürchtet, dass das Thema nun wieder allein von den Talkshows aufgenommen wird – mit plakativen Slogans und unreflektierten Meinungsmachern. Das Ergebnis sei in der Regel kein gutes.

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