Interview mit dem Detmolder Krimiautor Sven Koch

Über das Böse, Regionalkrimis und guten Kaffee

02.04.2012 | 02.04.2012, 00:41
Detmolder Krimiautor Sven Koch im Interview - © DETMOLD
Detmolder Krimiautor Sven Koch im Interview | © DETMOLD

Bielefeld/Detmold. Die Kriminalpsychologin Alex Stietencron ist wieder einem Serienmörder auf der Spur. Er foltert und verbrennt Frauen auf dem Scheiterhaufen, die Anhängerinnen der Hexen-Religion Wicca sind. "Brennen muss die Hexe" heißt der spannende neue Krimi des Detmolder Schriftstellers Sven Koch. Anke Groenewold sprach mit dem 42-Jährigen.

Herr Koch, hat Sie das Motiv der Hexenverbrennung interessiert, weil es sich einem gebürtigen Lemgoer geradezu aufdrängt, oder gab es andere Auslöser für die Geschichte?
SVEN KOCH: Einerseits hatte mich der Begriff Medieval-Crime beschäftigt. Damit bezeichnet man Romane wie "Der Name der Rose" – also Genre-Crossover aus Historischem Roman und Krimi. Ich wollte das gerne umdrehen und etwas Mittelalterliches ins Heute ziehen. Das Motiv der Hexenverbrennungen beschäftigt mich schon sehr lange, und Lemgo hat damit verlässlich etwas zu tun. Man kann dem Thema dort auf Dauer kaum entkommen.

Information
Sven Koch
  • Geboren 1969 in Lemgo, lebt in Detmold, hat zwei Kinder und eine Katze. Er arbeitet hauptberuflich als Redakteur der Lippischen Landes-Zeitung
  • 2010 erschien Kochs erster Thriller "Purpurdrache" bei Knaur (464 S., 8.99 ð). In dem neuen Krimi "Brennen muss die Hexe" (400 S., Knaur, 8,99 ð) gibt es ein Wiedersehen mit der taffen Profilerin Alex Stietencron
  • Koch ist ebenfalls Fotograf. Er singt und zupft den Bass in seiner Punkrock-Band "The Jerks". Mit den "Golden Boys" spielt er Rock’n’Roll, Rockabilly und Swamp-Blues.
  • Infos unter: www.sven-koch.com
Der Journalist und Schriftsteller Sven Koch mit seinem zweiten Krimi. - © FOTO/MONTAGE: VERA GERSTENDORF-WELLE
Der Journalist und Schriftsteller Sven Koch mit seinem zweiten Krimi. | © FOTO/MONTAGE: VERA GERSTENDORF-WELLE

Wie weit sind Sie bereit, für die Recherche für ein Buch zu gehen, oder spielt sich das vor allem am Computer ab? Haben Sie sich mal zur Probe auf die Folter spannen lassen?    
KOCH: Ich war in Münster einen Tag lang in der Rechtsmedizin, habe mir das Schießen mit Polizeiwaffen beibringen lassen und mit Wicca, neuen Hexen, gesprochen, forensische Literatur gelesen sowie Untersuchungen über medizinische Folgen von Folterungen oder Protokolle peinlicher Befragungen. Ich habe mich aber keiner unterzogen. Peinliche Dinge erlebt man ohnehin genug.

Das Buch spielt wieder in der fiktiven westfälischen Stadt Lemfeld. Einige Orte scheinen von realen in OWL inspiriert zu sein, aber Ihre Bücher sind dennoch nicht konkret in der Region verankert. Warum nicht?
KOCH: Ich wollte nicht in die Regionalkrimi-Schiene geraten. Das kann schnell passieren, wenn man konkret wird mit Ortsbeschreibungen. Beileibe habe ich nichts gegen Regiokrimis, ich schreibe bloß keine. Zudem wollte ich mir meine Welt so bauen, wie sie mir gefällt. Andere Autoren machen das vor: Karin Slaughter schreibt über den fiktiven Ort Heartsdale in Georgia, Stephen King hat sein Derry in Maine. Beide lese ich sehr gerne.

Das aktuelle Buch ist das zweite mit Alex Stietencron, ein drittes liegt bereits beim Verlag. Wenn man eine fiktive Figur über längere Zeit entwickelt und verfeinert, wird sie im Laufe der Zeit so real, dass sie sich ein Stück weit verselbstständigt?
KOCH: Das passiert sehr schnell, wenn eine Figur gut funktioniert. Meine Kriminalpsychologin und Ermittlerin Alex würde bestimmte Dinge einfach nicht tun und mir sagen: Vergiss es, ich werde nicht freiwillig in der Polizeikantine essen, dazu musst du mich schon zwingen. Tja. Dann muss man sich etwas ausdenken, um sie zu überreden – oder sich etwas anderes einfallen lassen.

Alex hat Ecken und Kanten, ist aber grundsympathisch. Wäre für Sie eine Hauptfigur denkbar, die dunklere Seiten hat, die weniger zur Identifikation einladen?
KOCH: Unbedingt. Ich bin ein Fan der Serie "Dexter", die einen Serienmörder als sympathische Hauptfigur hat. Es ist interessant, wie das dramaturgisch gemacht ist. Hitchcock hat das in "Psycho" ebenfalls vorgeführt: Mörder Norman Bates packt ein Opfer in den Kofferraum und versenkt das Auto, doch es geht nicht unter, und der Zuschauer zittert um Norman. Eine gewisse "sympathy for the devil" können Menschen wohl nicht negieren.

In der Wirklichkeit sind Serienmörder glücklicherweise relativ selten. Warum sind sie in der Literatur so populär, und was reizt Sie persönlich daran?
KOCH: Ich denke, es ist einerseits das plakative Böse, das das Motiv populär macht. Weiter hat es mit Suspense zu tun. Man weiß als Leser: Dieser Mörder wird verlässlich wenigstens noch einmal zuschlagen, wenn der Ermittler es nicht verhindert, und er hat das nächste Opfer schon im Visier. Ein Damoklesschwert schwebt über der Geschichte, und das sorgt für Thrill.

Sie schreiben sehr filmisch und bildhaft. Zufall?
KOCH: Ich wollte früher auf die Filmhochschule, habe Drehbücher geschrieben, Kurzfilme gemacht und fotografiere gerne. Vielleicht schreibe ich deswegen recht visuell, falls man das so sagen kann.

Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Bücher bei einem Großverlag wie Knaur unterzubringen?
KOCH: Ich konnte eine Literaturagentur für mein Manuskript "Purpurdrache" gewinnen. Die Agentur hatte verschiedene große Publikumsverlage dafür interessiert und es dann versteigert. Knaur gab das beste Angebot ab. Ich bin fast umgefallen, als ich hörte, wer noch alles mitgeboten hatte.

Der Genuss guten Kaffees ist wichtig in Ihren Romanen. Eine private Obsession?  
KOCH: Es geht nichts über einen guten Kaffee. Leider bekommt man selten einen.

Welche Frage wollten Sie schon immer mal beantworten, die Ihnen leider noch nie jemand gestellt hat?
KOCH: Ich wurde noch nicht gefragt, ob ich ein sechsmonatiges Autoren-Stipendium auf Grand Bahama annehmen möchte. Ich würde antworten: Vielleicht.