Fernsehen

Scham, Ekel, Mitleid - Warum bitte schauen Sie das Dschungelcamp?

Unsere Autorin schaut sich das Dschungelcamp nicht an. Sie versteht die Sendung nicht und hat ein paar Fragen

Die Spiele sind eröffnet: Das Dschungelcamp 2018 startet. | © Foto: MG RTL D / Arya Shirazi

Angela Wiese
19.01.2018 | 19.01.2018, 18:11
Millionen Menschen in Deutschland werden es auch im Januar 2018 wieder tun: Sie werden das Dschungelcamp einschalten. Und dann werden sie  das Internet vollschreiben mit Kommentaren zur RTL-Show. Sie werden ständig darüber sprechen wollen. Sie werden sich mit "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" ernsthaft beschäftigen. Ich werde da nicht mitmachen, denn ich verstehe dieses Format einfach nicht. Ich habe es probiert, aber es bleibt ein Rätsel für mich. Dass es das für andere nicht ist, führt zu folgenden Fragen:

Die Sache mit dem Schamgefühl

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Pro Dschungelcamp: Das ist ganz großes Drama

Gibt es etwas Unwürdigeres, als würgend auf einem Kamel-Penis herumzukauen? Ja! Jemandem dabei zuzusehen, wie er würgend auf einem Kamel-Penis herumkaut. Oder auf einem Känguru-Hoden. Oder einem Strauß-Anus. Die "Stars" im Dschungel machen das freiwillig. Schon klar. Dass Fotos und Videos von ihnen mit Tier-Genitalien im vom Ekel verzerrten Mund für immer, aber wirklich immer, im Netz rumgeistern werden, ist mir auch egal. (Ich: "Was macht Marc Terenzi eigentlich beruflich?" Google-Bildersuche: "Er isst Kamelhirn im Wald.")

Nicht egal ist mir der grauenhafte Fremdscham-Schauer, der mich beim Anblick solcher Szenen durchfährt und bei mir kurze, kalte Schweißausbrüche verursacht. Noch stärker fallen die Fremdscham-Schauer aus, wenn die RTL-Kamera die richtig intimen Momente der Kandidaten einfängt. Die ungeschminkten Momente der schlechte Laune, des Nölens und Keifens, weil man einfach keinen Bock hat auf irgendwas. Das kennt ja wohl jeder. Warum soll man dabei zusehen, wenn Fremde solche Momente durchleben? Warum schauen Dschungel-Fans dabei zu? Schämen Dschungel-Fans sich eigentlich fremd? Oder tun sie's einfach nicht? Wie gehen sie damit um?

Die Sache mit dem Ekel

Als Praktikantin einer Lokalzeitung im Ruhrgebiet musste ich mal über den Kinderkarneval berichten. Dafür fuhr ich auf einem Karnevalswagen irgendeiner Kindergruppe mit, die damit beschäftigt war, Kamelle zu schmeißen und vor allem zu essen. Einem Kind ist das nicht bekommen. Es übergab sich im Wagen. Ich sah es, ich ekelte mich, ich musste mich wegdrehen. So ging es auch anderen auf dem Wagen. Das Kind konnte dafür natürlich nichts. Es wurde sofort betreut.

Worum es aber eigentlich geht: Die Reaktion der Anderen auf dem Wagen ist doch normal, oder? Wenn ein anderer Mensch sich übergibt, spuckt, würgt, dann ist man doch angeekelt? Und wie darf ich mir diesen Ekel bei Dschungel-Zuschauern vorstellen? Wenn "Stars" beim Verspeisen von Genitalien würgen, sich übergeben müssen?  Kennen sie keinen Ekel? Oder hat der Ekel bei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" Event-Charakter, der ihn unterhaltsamer macht?

Die Sache mit dem Mitleid

Wenn ich es richtig verstehe, gehört es zur harten RTL-Abstimmungsrealität, dass Nervensägen immer und immer wieder in die Dschungelprüfungen gewählt werden. Wo sie sich dann wie oben beschrieben selbst demütigen, vor einem Millionen-Publikum scheitern, weinen, ins Camp zurückgehen, von den anderen Kandidaten gemobbt werden. Bei der nächsten Wahl dasselbe Spiel. Begleitet wird das dann von maximal boshaften Kommentaren, vor allem bei Twitter. Die Kandidaten, eher Geschäftsleute als Stars, brauchen mein Mitleid nicht. Ich habe es trotzdem. Automatisch. Haben das Dschungelcamp-Zuschauer nicht? Wie gehen sie damit um? Fragen über Fragen, die mich davon abhalten, "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" einzuschalten. Warum es Millionen andere Menschen doch tun, wird mir wohl ein Rätsel bleiben. Sei es drum. Ich wünsche viel Spaß. Woran? Ich habe keine Ahnung.