Serien-Kritik

7 Gründe, warum Sie sich "13 Reasons why" nicht angucken sollten

Die erfolgreiche Netflix-Serie hat mit mittlerweile vier Staffeln. Die als “Tote Mädchen lügen nicht” bekannte Reihe thematisiert Mobbing, Gewalt und Suizid. Unser Kommentator hält das für gefährlich.

Hannah Baker bereitet in der Serie "13 Reasons why" Kassetten vor, auf denen sie von ihrem Leid erzählt. | © picture alliance | Beth Dubber

23.04.2017 | 23.08.2023, 12:29

Kaum eine Serie wurde in den vergangenen Jahren so heiß diskutiert und war so umstritten wie "13 Reasons why", oder auch "Tote Mädchen lügen nicht" - so heißt das Format beim deutschen Netflix. Die Serie ist so beliebt, dass es mittlerweile vier Staffeln gibt. Jede einzelne Staffel ist populär bei den Netflix-Zuschauern.

Die Serie erzählt die Geschichte der Schülerin Hannah Baker, die Selbstmord begeht und ihren Mitschülern sieben Kassetten hinterlässt. Auf diesen nennt sie die Gründe für ihren tragischen Suizidgedanken sowie den anschließenden Suizid. Sie erzählt von Mobbing durch ihre Mitschüler und ihrer Rolle als Opfer, schildert Gewaltverbrechen und macht ihre Schulkollegen verantwortlich.

Diese Themen spielen in "13 Reasons why" eine Rolle

In „Tote Mädchen lügen nicht geht es unter anderem um sexuellen Missbrauch durch einen Vergewaltiger und psychische Störungen sowie Suizidgedanken einer Schülerin, die keinen anderen Ausweg mehr sieht, weil sich die Ereignisse in ihrem Leben überschlagen. Seit Beginn der Ausstrahlung wird die Serie von vielen, darunter auch von Beratungsstellen, kritisiert, weil sie die Zuschauerinnen und Zuschauer zwar mit extremen Themen konfrontiert, aber keinen gesunden Umgang mit ihnen vermitteln- und den Bezug zur Realität verlieren soll. Psychotherapeuten sprachen entsprechende Warnungen aus. Hilfesuchende können von Beratungsstellen Rat erhalten.Unser Autor hat sich durch die 13 Folgen, Staffel um Staffel, gekämpft und findet die Serie auf vielen Ebenen grauenvoll - und sogar gefährlich. Das sind seine "7 Reasons why":

1. Leichtsinniger Umgang mit dem Thema in einer Staffel mit Suizid

Die erste Staffel der Serie schlachtet die Selbsttötung einer Jugendlichen bis zum Erbrechen aus. Das ist nicht nur wegen des "Werther-Effekts", also der Gefahr von Nachahmern, ein ziemlich heikles Ding. Die Staffel setzt den Suizid auch in direkten Zusammenhang mit dem Thema Schuld von Betroffenen. Das ist gefährlich und weckt gerade beim jungen Publikum den Eindruck, man könnte für die Selbsttötung eines anderen Menschen verantwortlich sein. Eine Studie des Wiener Suizidforschers Thomas Niederkrotenthaler zeigt sogar, dass Teenagersuizide in den USA nach Ausstrahlung der Serie deutlich angestiegen sind.

2. "Tote Mädchen lügen nicht" wiederholt Highschool-Klischees

Ereignisse wie Highschool-Partys, Schulbälle oder Schlägereien am Spind: Die Nerds sind die Loser, die Jungs aus dem Baseballteam gutaussehend und böse. Und, als könnte es anders sein: Das Cheerleader-Team besteht aus verhätschelten Rich-Kids. Wir haben das alles schon in unzähligen Neunzigerjahre-Teenager-Filmen gesehen. "13 Reasons why" hat sich nicht ansatzweise Mühe gegeben, eine Geschichte aus einer Schule mal anders zu erzählen.

Die Serie "13 Reasons Why" wiederholt mit den Jugendlichen Charakteren Klischees aus der Highschool. - © Symbolfoto: Pixabay
Die Serie "13 Reasons Why" wiederholt mit den Jugendlichen Charakteren Klischees aus der Highschool. | © Symbolfoto: Pixabay

3. Die Handlungen der Serie sind so offensichtlich

Wer "13 Reasons why" guckt, hat das Gefühl in einer ARD-Vorabendserie gelandet zu sein. Die Serie lässt dem Zuschauer nicht mal einen Hauch einer Chance für Eigeninterpretationen. Alles, wirklich alles wird erklärt, damit es auch der letzte Depp versteht. Dialoge ziehen sich daher wie Kaugummi, Cliffhanger sind vorhersehbar.

4. Ausgelutschte Film-Stilmittel bei "13 Reasons why"

Die Serie erzählt zwei Zeitstränge. Die Gegenwart und die Rückblenden, in denen Hannah Baker noch lebte. Damit das auch wirklich jeder Zuschauer versteht, spielen die Produzenten mit sehr subtilen Stilmitteln: Für die Darstellung der Jetzt-Zeit ist das Bild bläulich und kalt, in den Rückblenden hell und warm. Und falls es dann immer noch nicht jeder verstanden hat, trägt Hauptdarsteller Clay zur Sicherheit in der Gegenwart ein Pflaster am Kopf. Man traut dem Zuschauer in dieser Serie wirklich gar nichts zu.

5. Die Charaktere sind furchtbar

Hauptdarsteller Clay (Dylan Minnette) ist ein unsicherer Langweiler-Typ und Hannah Baker (Katherine Langford) eine belehrende, besserwisserische Drama-Queen. Jede Kameraeinstellung verlangt, dass man gefälligst Mitleid mit ihnen hat. Doch beide Figuren gehen einem spätestens ab der dritten Folge ungeheuer auf die Nerven. Ihnen bei ihnen Problemen und beim Scheitern zuzusehen, ist eine einzige Quälerei.

In der Serie "Tote Mädchen lügen nicht" ("13 Reasons why") hört der Highschool-Schüler Clay die Tonaufnahmen einer toten Mitschülerin. - © Beth Dubber/Netflix
In der Serie "Tote Mädchen lügen nicht" ("13 Reasons why") hört der Highschool-Schüler Clay die Tonaufnahmen einer toten Mitschülerin. | © Beth Dubber/Netflix

6. Schlechte Synchronisation

"13 Reasons why" ist ausschließlich im englischen Originalton erträglich. Wer die ohnehin schon platten Dialoge in der deutschen Synchronisation schaut, kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Tipp: Richtig Spaß macht die Serie in der italienischen oder türkischen Synchro. Man versteht zwar nichts, aber das ist auch eigentlich ganz gut so.

7. Das Drehbuch der Serie"13 Reasons why"

In der Serie hört sich Hauptdarsteller Clay (Dylan Minnette) sechseinhalb Kassetten an. Jede Kassette hat (laut Beschriftung) 60 Minuten Spielzeit: Er wäre also in sechseinhalb Stunden damit fertig. Die Handlung der Serie hingegen erzählen die Macher der Serie über mehrere Wochen, da Clay (Dylan Minnette) jeden genannten Ort mit dem Fahrrad abfahren und die Sache noch mal ausführlich diskutieren muss. Niemand würde das tun. Niemand. "13 Reasons why" wäre vielleicht ein solider Spielfilm geworden. Als 13-teilige Serie ist die Story einfach nur albern.Fazit des Kommentators: Kassette zurückspulen und dann bitte abschalten.

Wo kann man "13 Reasons why” gucken?

Die Serie mit vier Staffeln ist über den Streaming Anbieter "Netflix” abrufbar.

Welche FSK hat "13 Reasons why”?

Netflix hat für die Serie "Tote Mädchen lügen nicht" ein Mindestalter von 16 Jahren angesetzt. - © Symbolbild: Pixabay
Netflix hat für die Serie "Tote Mädchen lügen nicht" ein Mindestalter von 16 Jahren angesetzt. | © Symbolbild: Pixabay

Suizid, Mobbing, Gewalt, Vergewaltiger, psychische Störungen und Beleidigungen: Und trotzdem "empfiehlt” Netflix lediglich eine Altersfreigabe von 16 Jahren für Staffel 1 – 4 ohne weitere Warnhinweise. Eine Einschätzung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) gibt es nicht. Allerdings steht diese Handhabung seit Ausstrahlung der Serie in der Kritik. Prominente, Pädagogen und besorgte Eltern diskutierten über den Zugang für Kinder und Minderjährige.Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention und die Bundespsychotherapeutenkammer sprachen explizite Warnungen aus. Betroffene sollten vor Anschauen der Serie die Warnhinweise beachten. Ein Land hat sich selbst darum gekümmert: In Neuseeland dürfen Jugendliche unter 18 Jahren die Serie "Tote Mädchen lügen nicht” nur noch im Beisein Erwachsener ansehen. Hilfesuchende können bei Beratungsstellen Rat erhalten.

Die Debatte um die Suizid-Szene

Die umstrittene Szene, in der Staffel, in der sich Hauptdarstellerin Hannah Baker (Katherine Langford) das Leben nimmt, wurde nach über zwei Jahren Kritik von Netflix entfernt und angepasst. Nach Gesprächen mit Experten für geistige Gesundheit habe man sich gegen diese Darstellung und für das Herausschneiden der Szene entschieden. Ursprünglich sei der Gedanke gewesen, die Szene so drastisch darzustellen, um eine Nachahmungsgefahr auszuschließen. Über Twitter wurde dieser Schritt verkündet:

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Beruht die Serie "13 Reasons why" auf einer wahren Begebenheit?

Die Serie "Tote Mädchen lügen nicht” basiert auf dem gleichnamigen Buch von Jay Asher und ist 2007 erschienen. Die Handlung ist fiktiv und beruht auf keiner wahren Begebenheit. Im Juli 2011 belegte der Roman den ersten Platz auf der "New York Times"-Bestseller-Liste, auf der Liste ist es 57 Wochen geblieben. Außerdem wurde es mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der International Reading Association.

Gibt es 13reasonswhy.info auf deutsch?

13reasonswhy.info war eine Website, die Netflix nach der ersten Staffel der Serie "Tote Mädchen Lügen Nicht" ins Leben gerufen hat. Auf der Website wollte man Hilfesuchenden Materialien und Hilfsmittel zur Seite stellen. Experten aus Bereichen der Prävention von Selbstmord und sexuellen Übergriffen durch Vergewaltiger äußern sich zu der Staffel. Eine Gesprächsreihe klärt über Themen wie etwa Depressionen, Missbrauch, Mobbing oder Alkohol- und Drogenkonsum auf.

Mittlerweile leitet der Pfad auf die Seite "Wanna Talk About it" um. Diese Website wurde im Sommer 2020 von Netflix ins Leben gerufen und ist auf zahlreichen Sprachen verfügbar, auch auf deutsch. Der Fokus ist weggerückt von 13 Reasons Why, es geht aber immer noch um psychische Gesundheit. Laut Netflix wurden die Informationen, Videos und Leitfäden von Organisationen aus verschiedenen Ländern zusammengetragen, die Experten auf den genannten Gebieten sind.

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