Förstern gehen die Baum-Setzlinge aus

Bielefeld. In unseren Wäldern zwischen Teutoburger Wald und Wiehengebirge klaffen riesige Kahlflächen. Dürren bedingt durch den Klimawandel, Sturmschäden und verschiedene Schädlinge wie zuletzt der Borkenkäfer haben den Wäldern zugesetzt. Aufforstung ist das Stichwort. Laubhölzer wie Buchen und Eichen sind jetzt gefragt, doch die Vorräte in den Baumschulen sind erschöpft und können die Nachfrage nicht decken. Neues Saatgut muss her. Das Jahr 2020 ist ein Mastjahr. Ein gutes Jahr also zur Gewinnung von Saatgut. Bucheckern und Eicheln gibt es zu genüge. Da ist es naheliegend, Spaziergänger dazu aufzurufen, das Saatgut aufzusammeln und den Baumschulen zu bringen, wie es einige Gemeinden getan haben. "Aber die Idee ist ein absoluter Schnellschuss gewesen", sagt Michael Blaschke, Sprecher von Wald und Holz NRW. Darum sei das Ganze auch schnell wieder abgeblasen worden. "Die Wälder hier in Deutschland sind ja nicht Niemandsland", gibt er zu bedenken. "Und da kann nicht jeder einfach etwas einsammeln und Bäume pflanzen." Den genaueren Hintergrund kann Andreas Roefs erklären: "Es gibt in Deutschland ein Saatgutgesetz, sodass die Baumschulen nicht einfach irgendwelche Samen verwenden dürfen", sagt der Sprecher des Regionalforstamtes Ostwestfalen Lippe. Für jedes Wuchsgebiet, sei es die Niederung oder das Mittelgebirge, gebe es anerkannte Saatgutbestände. "Und wenn jemand gesammelte Eicheln abgibt, weiß man eben nicht, welche genetischen Veranlagungen sie haben. Sie könnten möglicherweise später an ihrem Standort nicht überleben." Vergangene Mastjahre nicht genutzt Früher habe es das gegeben, dass in Baumschulen von freiwilligen Sammlern geerntete Eicheln und Bucheckern verwendet wurden. "Aber dann hat es am Ende immer Bäume gegeben, die genetisch nicht an die Standortbedingungen angepasst waren", erklärt Roefs weiter. Heute sind für das Sammeln des Saatguts professionelle Samenbeernter zuständig. Mithilfe von Erntehelfern sammeln sie in ausgewiesenen Wäldern zertifiziertes Saatgut. "Die Saatgutsätze bekommen dann eine Begleiturkunde und werden mit Versiegelung an die Forstbaumschulen geliefert." Trotzdem sei der Engpass bei den Setzlingen einiger Baumsorten nun eben da. Für Alain Paul, Vorsitzender des Verbands Deutscher Forstbaumschulen, eine Folge der Vernachlässigung des Themas Saatgut in den vergangenen Jahren. "Mit der Privatisierung sämtlicher Staatswälder ist das Sammeln von Saatgut in den Hintergrund gerückt, weil es nicht unbedingt ein lohnendes Geschäft ist", sagt Paul. Er vermutet, dass aus diesem Grund möglicherweise vergangene Mastjahre nicht genutzt wurden. Neue Modebäume Dass ausgerechnet nur Buchen und Eichen so gefragt sind, kann Paul nicht verstehen. "Eigentlich wollten die Förster weg von der Monokultur, aber nach den Fichten sind nun einige wenige Laubhölzer die neuen Modebäume, die alle Förster pflanzen wollen", bemerkt er. "Dabei haben wir in Westdeutschland 40 verschiedene Baumarten, die angepflanzt werden könnten." Paul ruft die Förster dazu auf, vorausschauender zu agieren. "In zwei oder drei Jahren wird es auch wieder genug Buchen- und Eichensetzlinge geben, die Förster könnten die Zeit nutzen und bis dahin die Brachflächen aufräumen." Gleichzeitig rückt das Thema Naturverjüngung immer weiter in den Vordergrund. Dabei sorgt die Natur durch herabfallende Samen selbst für den Wald-Nachwuchs. Auch dem stehen die Baumschuler nicht kritisch gegenüber. "Die daraus wachsenden Bäume passen garantiert an ihren Standort", sagt Paul. "Und mit zusätzlichen Setzlingen aus der Baumschule könnte die Diversität an einem Standort noch gefördert werden." So könne eine abwechslungsreiche Kultur geschaffen werden. Sicher ist, dass den Wäldern, Förstern und Baumschulen weiterhin eine schwierige Zeit bevorsteht. Dass die Zahl der Forstbaumschulen in den vergangenen Jahren sich quasi halbiert hat, kommt dabei nicht sehr gelegen. Doch eine vorausschauende Planung der Förster mit ihrem Baumschuler des Vertrauens für die nächsten zwei bis drei Jahre könne in dieser Zeit hilfreich sein, sagt Paul.