
Halle. Nur ein Hersteller von Gartenmöbeln freute sich über die Aufmerksamkeit – Andrei Rublew hatte schon nach einer Viertelstunde genug von seinem Finalgegner und donnerte beim Stand von 0:3 mit Wucht gegen seine Handtuchbox. Alexander Bublik, an dem sich tags zuvor schon Alexander Zverev die Zähne ausgebissen hatte, setzte seine Traumreise am Sonntag nahtlos fort: Der 26-Jährige feierte mit dem ATP-500-Titel der 30. Terra Wortmann Open den größten Erfolg seiner Karriere. Das 6:3, 3:6, 6:3 war eine weitere Machtdemonstration binnen 94 Minuten.
Eine Erklärung für diese Woche hatte der 1,98-Meter-Hüne nicht parat. „Ich weiß es wirklich nicht“, sagte er im ersten Interview. „Diese Woche hat einfach alles funktioniert. Gegen meinen guten Freund zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes.“
Mit rasanten Aufschlagspielen und einem frühen Break war Bublik durch den ersten Satz gestürmt. Nach nur 28 Minuten war dem 48. der ATP-Rangliste – vor dem Turnier, wohlgemerkt – die wichtige Führung geglückt. Russe Rublew schleuderte seinen Schläger gegen das Knie, er fand keinen Weg zu eigenen Breaks, weil Bublik krachend servierte und seine Doppelfehlerquote lange überraschend niedrig hielt. Doch im zweiten Satz ergab sich die Chance mehrfach, im zweiten Anlauf breakte Rublew seinen nun etwas unkonzentrierten Kumpel. Lange Ballwechsel? Fehlanzeige, die Punkte wurden schnell verteilt. So war nach zwei Sätzen erst eine Stunde rum.
Zweiter Aufschlag mit 221 km/h bringt den Titel
Dann schaffte Bublik mit einem unerwarteten Crossball das frühe Break, führte wieder 3:0, der erste Satz wiederholte sich. Bublik, der laut eigener Aussage nur wegen der guten Verdienstmöglichkeiten auf der Tour unterwegs ist, den Trubel und die ständig wechselnden Zeitzonen schlecht verträgt, war nun auf Kurs – und strich die 410.515 Euro Siegprämie mit dem ersten Matchball ein. Und wie bezeichnend war das für das Spiel Bubliks: Nach drei Doppelfehlern binnen eines Spiels wuchtete er einen zweiten Aufschlag mit 221 Kilometern pro Stunde unerreichbar für Rublew zum Triumph übers Netz.
Die Hoffnungen auf den ersten deutschen Gewinner seit Florian Mayers Triumph 2016 hatten sich schon am Samstagnachmittag zerschlagen – und das war völlig verdient. Denn da wurde Zverev, damals ebenso Finalist wie ein Jahr darauf gegen Roger Federer, schon eine Runde zuvor unsanft gestoppt. Das 3:6, 5:7 gegen Bublik ging in Ordnung, der Spielfreude des für Kasachstan startenden Russen hatte Zverev nichts entgegenzusetzen. 94 Prozent gewonnener Bälle auf den ersten Aufschlag und 35 Gewinnerschläge – etliche davon mit punktgenauen Stoppbällen – unterstrichen statistisch, was die rappelvolle OWL-Arena über nur 88 Spielminuten neidlos anerkennen musste: Zverev war gegen den späteren Gewinner ziemlich chancenlos.
Zverev gegen Bublik völlig überfordert
Und ratlos obendrein. „Ich weiß nicht, was ich hätte anders machen sollen“, sagte Zverev. „Er hat gemacht, was für ihn gut war – und damit das ganze Spiel beherrscht.“ Das war aber nur ein Teil der Wahrheit, denn Zverev fand im Verlauf des Matches keine dringend benötigte Anpassung in seinem Spiel. „Ich habe mit dem Trainerteam gesprochen, aber wir hatten heute keine Antwort auf sein Niveau. Vor allem, wenn er dann noch mit fast 230 Sachen serviert.“
Auch Vater Alexander fand kein Mittel – auf ihn setzt Zverev nun wieder, nachdem er den zweimaligen French-Open-Sieger Sergi Bruruera als Coach entlassen hatte. Ihnen bleibt eine Woche bis Wimbledon, Feinjustierungen zu betreiben. Denn dort warten, bei allem Respekt vor der phänomenalen Woche Alexander Bubliks in Ostwestfalen, noch ganz andere Kaliber. Dabei soll es doch nach den Halbfinal-Niederlagen von Genf, Paris und nun Halle doch wieder in Richtung Titel gehen.