Der medienscheue Michael Olise verdrückte sich nach seinen fünf Scorerpunkten wie üblich wortlos aus der Arena - Lennart Karl nicht. Der famose Bayern-Teenager fürchtet sich vor nichts und niemand: nicht vor den Gegenspielern, nicht vor dem Hype um seine Person, nicht vor TV-Kameras und Reporterfragen. Ja, nicht einmal verwegen klingenden Vergleichen mit Lionel Messi, einem der größten Fußballer auf der Erdkugel, weicht der Junge aus.
Mit einer Wollmütze unter der Kapuze seines Hoodies stand der 17-jährige Karl nach seinem nächsten bemerkenswerten Auftritt beim furiosen 6:2-Comeback des FC Bayern nach 0:2-Rückstand gegen den SC Freiburg in der Allianz Arena und beantwortete im Telegrammstil alle Fragen, die auf ihn einprasselten.
Noch kein Kontakt mit Nagelsmann
Gab's schon Kontakt mit Bundestrainer Julian Nagelsmann? «Nein.» Beschäftigt ihn, der gerade erst einen furiosen Drei-Tore-Einstand in den ersten zwei Spielen für Deutschlands U21-Junioren hinter sich hat, die WM 2026? «Ich muss einfach meine Leistung zeigen und dann schauen, was Julian macht», sagt das Offensivtalent zu einer möglichen Beförderung zum Nationalspieler.
Und die Vergleiche mit Superstar Messi (38), der ebenfalls mit dem linken Fuß zaubert und mit 1,70 Metern kaum größer ist als er? Die weist der Youngster nicht etwa von sich. Er ordnet sie aber ein. Auch er könne Großes erreichen, «natürlich, wenn es so weitergeht. Aber jetzt kann ich mich noch nicht mit Messi vergleichen. Messi ist ganz weit oben. Das ist noch ein langer Weg.»
Eine Eins mit Sternchen für Zocker Olise
Doch der Weg von Lennart Karl aus Frammersbach in Unterfranken geht gerade ganz steil nach oben. 17 Jahre, wunderbar. Die Gegenwart entwickelt sich zur Verheißung für die Zukunft. Das Freiburg-Spiel war der nächste Beleg. Eine Eins mit Sternchen verdiente sich zwar der zweifache Torschütze Olise, der neben seinem 2:2 und 6:2 gleich an drei weiteren Bayern-Toren beteiligt war.
Doch Karl, der wie Dayot Upamecano, Harry Kane und Nicolas Jackson einmal traf, war derjenige, der das Münchner Starensemble nach den Freiburger Toren von Yuito Suzuki und Johan Manzambi jeweils nach Eckbällen maßgeblich aus dem Tiefschlaf riss. Der Jüngste als Bayern-Anführer - Chapeau!
«Bemerkenswert» nannte es Sportvorstand Max Eberl, wie gerade Karl die prominenten Kollegen in einer schwierigen Spielphase mitgerissen habe. «Lennart war heute für mich ein Schlüsselspieler, der das Spiel in der ersten Halbzeit mit gedreht hat», sagte Eberl. Auch wenn der 23 Jahre alte Olise in der Gesamtbetrachtung der noch größere Show-Act im vollen Stadion war.
«Zwei Spieler machen etwas Besonderes», sagte Trainer Vincent Kompany zum Zocker-Duo Karl/Olise, das sich die Tore zum 1:2 und 2:2 gegenseitig auflegte: «Das ist auf jeden Fall Qualität, das kannst du nicht anders beschreiben.»
Die Klasse von Kane, Olise, Luis Díaz oder Serge Gnabry überrascht in München nicht mehr. Karls rasante Entwicklung zu einem Qualitätsspieler dagegen schon. Ein Eigengewächs als große Entdeckung - und das im ersten Jahr nach dem Abschied des Ur-Bayern Thomas Müller. «Einer aus unserem Campus, das macht Freude», schwärmte Bayerns Vorstandschef Jan-Christian Dreesen.
Díaz gesperrt: Karl als Option gegen Arsenal
Weiter «Leistung zeigen» und «Vollgas geben», das bleibt Karls Marschroute. Die Rot-Sperre von Luis Díaz und die Kniebeschwerden von Gnabry könnten dem Youngster auch im Topspiel der Champions League an diesem Mittwoch in London gegen den FC Arsenal einen Platz in der Startelf bescheren. «Es macht mich glücklich, dass der Trainer ab und zu auf mich setzt», sage Karl. Er gab auch sofort Entwarnung nach seiner Auswechslung wegen einer leichten Blessur: «Alles gut, ich bin fit.»
Kompany will Karl behutsam aufbauen, aber nicht künstlich bremsen. Den Hype findet der Coach «okay». Und er hält es sogar für «wichtig, dass der Junge diese Phase genießt». Aber für Kompany, der einst selbst mit 17 Jahren im Profibereich durchstartete, ist die Außenwelt nicht maßgeblich.
Messi? Kompany will «die beste Version von Lenny»
«Wir gehen nicht mit der Geschichte, welcher linksfüßige Spieler ähnlich ist wie er», sagte Kompany zu den Messi-Vergleichen: «Lenny ist Lenny. Und wir schauen, dass er die beste Version wird von Lennart Karl.» Eberl argumentierte ähnlich: «Lionel Messi geht dem Ende seiner Karriere zu, Lennart Karl startet gerade. Er soll seine eigene Geschichte schreiben.»