Superstar Tadej Pogacar kassierte neben der großen Pleite beim Einzelzeitfahren der Rad-Weltmeisterschaft auch einige kleine in den vergangenen Tagen. Im Radsport-begeisterten Gastgeberland Ruanda veröffentlichte der slowenische Ausnahmekönner ein Video beim Training: Ein Einheimischer überholte den Slowenen und seine Partnerin Urska - auch Radsportlerin - mit seinem technisch deutlich unterlegenen Rad am Berg.
«Ich habe einige Duelle verloren bei den Erholungsfahrten. Sie schlagen mich immer», sagte der 27-Jährige mit einem Schmunzeln. «Die Atmosphäre auf den Straßen ist toll», lobte er - selbst bei Trainingsfahrten richten sich viele Augen auf die Fahrer. Rund um die hügelige Hauptstadt Kigali transportieren die Menschen auf ihren Rädern alles Mögliche - von schweren Kartoffelsäcken, sperrigen Werkzeugen bis zu Tieren ist einiges dabei. Wenn man hier ein gutes Team aufbaue, sagte Pogacar, dann könne man «sehr gute Fahrer» für den Radsport gewinnen.
Denkwürdige Pleite im Zeitfahren

Vor seiner geplanten Titelverteidigung am Sonntag beim WM-Straßenrennen (09.45 Uhr/Eurosport und ZDF im Livestream) zeigte sich Pogacar zwar weiter zu Späßen aufgelegt, doch die denkwürdige Niederlage im Zeitfahren hat Spuren hinterlassen. Der Belgier Remco Evenepoel überholte den viermaligen Tour-de-France-Sieger ausgerechnet an dessen Geburtstag beim Rennen gegen die Uhr - und war am Sonntag ganze 2:37 Minuten schneller, obwohl Evenepoel zweieinhalb Minuten später loslegte.
Evenepoel, der künftig für das deutsche Red-Bull-Team fährt, triumphierte in seiner Paradedisziplin zum dritten Mal als Sieger im Zeitfahren. Dabei verlief die bisherige Saison eigentlich genau andersherum: Pogacar gelang sehr viel, Evenepoel hatte Probleme, musste im Sommer entkräftet die Tour de France vorzeitig beenden.
«Jetzt am Sonntag bin ich vielleicht an der Reihe, durchzustarten und diesen zwar nicht schlechten Tag, aber dieses schlechte Gefühl, wenn jemand dich einholt, beiseitezuschieben», sagte Pogacar.
Die intensive Saison ging nicht spurlos an ihm vorbei. Nach seinem letztendlich ungefährdeten Triumph bei der Frankreich-Rundfahrt wirkte Pogacar müde. Für ihn stehen Anfang Oktober noch die EM in Frankreich und kurz darauf die Lombardei-Rundfahrt an. «Ich freue mich auf die rennfreie Zeit, um schöne Zeit zu Hause zu verbringen, vom Radfahren abzuschalten zusammen mit Urska und Familie», sagte der Ausnahmefahrer und stellte gleichzeitig klar: «Erst müssen wir noch diese großartige Saison beenden.»
Experte Voigt sieht Evenepoel mit Vorteilen
Der deutsche Ex-Profi und TV-Experte Jens Voigt sieht Evenepoel am Sonntag allerdings vorn. «Er hat ein sehr starkes Team, was bei einem langen Rennen, in dem man sich lange verstecken muss, entscheidend ist», sagte er bei Eurosport. «Pogacar sah für mich im Zeitfahren nicht so bei 100 Prozent aus, wie man das gewohnt ist, nicht so fokussiert und kraftvoll. Er ist trotzdem fast noch aufs Podium gekommen, aber sonst gewinnt er Rennen mit einem Lächeln im Gesicht. Ihm fehlte nach meinem Eindruck in allen Bereichen so ein halbes bis ein Prozent», fügte er hinzu.
Im vergangenen Jahr in der Schweiz feierte Pogacar zum ersten Mal WM-Gold nach einem 100-Kilometer-Soloritt. 2022 holte Evenepoel in Australien seine einzige Goldmedaille auf der Straße.
Ein erneutes Mega-Solo scheint auf der extrem anspruchsvollen Strecke am Sonntag mit knapp 270 Kilometern und kniffligen 5475 Höhenmetern eher unwahrscheinlich. Aber Pogacar ist eben auch der beste Fahrer seiner Generation - und immer für eine explosive Attacken-Überraschung gut.
Doch nicht nur die Strecke hat ihre Tücken. Wie viele andere Profis musste sich der Slowene auch an die klimatischen Bedingungen in der auf etwa 1500 Metern Höhe gelegenen Stadt gewöhnen. «Das Wetter ist etwas anders als zu Hause. Es ist ein bisschen seltsam. Es ist heiß, es ist nicht feucht, aber es kann auch feucht sein», sagte er. Er stellte aber auch klar: «Ich habe mich an die Umgebung gewöhnt, an die Höhe, an das Wetter. Und einfach an alles.» Denn auch das Wetter dürfte den Superstar an einem guten Tag kaum bremsen.