Nach dem erfolgreichen Ausflug in die Eifel samt bestandenem Führerschein für die Grüne Hölle beginnt für Max Verstappen der finale Saison-Countdown in der Formel 1. Und nach der «Wiedergeburt» von Monza rechnet allen voran das Red-Bull-Lager mit weiteren Siegen des viermaligen Weltmeisters. «Was Baku und die schnellen Strecken betrifft, bin ich sehr optimistisch», sagte Motorsportberater Helmut Marko dem Fachportal «motorsport.com». «Normalerweise haben wir auf langsamen Strecken Probleme, aber ich glaube nun, dass in dieser Phase alles möglich ist.»
Monza war keine «Eintagsfliege»
Einer, der sehr gut weiß, wie es ist, wenn - wie in dieser Saison - zwei McLaren-Piloten um den Titel kämpfen und am Ende ein anderer triumphiert, traut Verstappen im WM-Kampf ebenfalls eine Aufholjagd zu. «Diese halte ich in der Tat für absolut realistisch», sagte Norbert Haug der Deutschen Presse-Agentur.
«Alleine in den restlichen acht Hauptrennen sind noch 200 Punkte zu vergeben, dazu noch Punkte bei Sprintrennen. Wer Verstappens überlegene Siegesfahrt in Monza erlebt hat und den notwendigen Durchblick hat, weiß, dass das keine streckenspezifische Eintagsfliege war», betonte der 72-Jährige, der von einer «Wiedergeburt» gesprochen hatte.

2007 konkurrierten schon einmal zwei McLaren-Piloten um den Titel. Sie fahren heute noch in der Motorsport-Königsklasse: Lewis Hamilton (damals in seinem ersten Formel-1-Jahr) und Fernando Alonso (war als zweimaliger Champion von Renault gekommen). Anders als Oscar Piastri und Lando Norris, die einen doch eher höflichen und fairen Umgang pflegen, war das Stallduell damals komplett eskaliert. Am Ende holte Kimi Räikkönen im Ferrari den Titel. Haug war seinerzeit Motorsportchef bei McLaren-Partner Mercedes.
Auf die Frage, welchen Einfluss nun die sogenannten Papaya-Rules, wonach es keine Nummer eins gibt und die Entscheidung zwischen den Stallrivalen auf der Strecke fallen soll, auf die WM-Entscheidung 2025 haben können, antwortete Haug: «Klar sagt alle Welt, die beiden McLaren-Mercedes-Fahrer stehlen sich gegenseitig die Punkte. Für mich ist dieser Wettkampf ohne Stallorder aber der einzig richtige Weg, fair Motorsport zu betreiben.» Wenn es dann nicht mit dem WM-Titel klappen sollte, dann sei es so. «Ich spreche hier durchaus aus leidvoller Erfahrung.» 2007 eben.
Als vier- oder doch fünfmaliger Champion zum 24-Stunden-Rennen?

Kann Verstappen diesmal zum Profiteur werden? Klar ist, dass der Monza-Auftritt für den Niederländer selbst und die Teamverantwortlichen ein gehöriger Stimmungsaufheller war. Das vergangene Formel-1-freie Wochenende nutzte der 27-Jährige dann auch noch, um sich den Führerschein für die Nordschleife zu sichern, im April kommenden Jahres wird er dort bei den 24 Stunden starten - schon jetzt abgesegnet vom Team.
Dass er als fünfmaliger Champion dort antritt, ist nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich. Zu den maximal 200 Punkten für acht Grand-Prix-Siege kommen noch maximal 24 Punkte aus den drei zusätzlichen Sprintentscheidungen.
Und Verstappen weiß, wie WM-Kampf geht. Er kennt die Tricks, er kennt die nötigen Nervenspielchen, er hat die Routine und mittlerweile auch die Gelassenheit und Souveränität eines mehrmaligen Weltmeisters und 66-maligen Grand-Prix-Siegers. Piastri und Norris stehen in dieser exponierten Form zum ersten Mal im Fokus einer Titelentscheidung.
Alles andere als ein Triumph des 24 Jahre alten Australiers oder des 25 Jahre alten Briten in der Fahrerwertung wäre eine bittere Enttäuschung - und auch ein bisschen Blamage angesichts der Führung der beiden im Klassement. Man bedenke: Bereits an diesem Wochenende auf dem Straßenkurs von Baku kann der britische Rennstall erneut die Konstrukteurswertung gewinnen.
Herangehensweise schreit «nach Spannung und Konflikten»
Allerdings sorgt die Strategie der Teambosse immer wieder für Diskussionen. Keiner der beiden soll bevorzugt werden. Den Zweikampf sollen Piastri und Norris auf der Strecke austragen. Zuletzt führte es dazu, dass Piastri Norris nach dessen verunglücktem Boxenstopp vorbeilassen sollte - und genau das auch befolgte. «Lando Norris' Weltmeisterschaftsambitionen wurden von seinem McLaren-Team kontrovers am Leben erhalten», raunte danach der britische «Independent».
Die Gefahr, dass beide sich auf der Strecke (zu) nahe kommen, wird durch die McLaren-Regeln kaum geringer. Nicht, dass es ohnehin noch nicht passiert wäre. In Montréal fuhr Norris in den Wagen von Piastri. Norris schied aus, Piastri rettete sich noch als Vierter ins Ziel. Doch so was kostet Punkte. «Klar schreit diese Herangehensweise nach Spannung und Konflikten im eigenen Team», sagt Haug: «Wenn aber vorher feststeht, wer gewinnen darf und wer nicht, zerfällt das Team und das geschieht den Verantwortlichen dann auch Recht.»
Also frei Fahrt und Zweikampf auf der Strecke - oder aber ein Dreikampf um den Titel, wenn Verstappen nun doch richtig durchstartet.