Österreichs Fußball-Verbandschef Klaus Mitterdorfer ist mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. "Ich habe immer versucht, das große Ganze zu sehen, konstruktiv im Sinne des Fußballs zu agieren und gemäß meiner Werte verbindend zu wirken. Letzteres ist zuletzt nicht (mehr) gelungen und daher ist der Zeitpunkt gekommen, die Konsequenzen zu ziehen", erklärte der 59-Jährige in einer Mitteilung auf der Verbands-Homepage. Zuletzt hatte es unter anderem Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitterdorfer und Österreichs deutschem Nationaltrainer Ralf Rangnick, der dabei deutliche Ansagen machte, gegeben.
"Ich habe immer betont, dass ich mich nicht verbiegen werde, und dazu stehe ich auch. Die persönlichen Diffamierungen und Anschuldigungen der letzten Wochen vor und besonders auch hinter den Kulissen haben nicht nur meine Familie und mich in meiner ehrenamtlich ausgeführten Funktion, sondern in der Gesamtheit auch den ÖFB stark belastet", führte Mitterdorfer weiter aus. Vor allem sein Vorschlag für die Neubesetzung des Geschäftsführerpostens hatte für Diskussionen gesorgt, eine Mehrheit soll es dafür auch nicht gegeben haben.
Klare Ansage von Rangnick
Zuvor hatte Österreichs Auswahlcoach Rangnick die Absetzung von Bernhard Neuhold auf dem Posten des Geschäftsführers deutlich kritisiert. "Man kann uns nicht
einfach für dumm verkaufen", hatte er betont. "Neuhold von heute auf morgen ersatzlos zu streichen, das funktioniert nicht, ohne dass die Nationalmannschaft Schaden nimmt. Weil er der erste Ansprechpartner ist für alle Themen, die wir haben. Wenn man sich entscheidet, Bernhard Neuhold ist nicht mehr da, dann muss am gleichen Tag gleichwertiger, oder besserer Ersatz für ihn da sein", hatte der 66-Jährige ergänzt.
Die persönliche Erklärung von Klaus Mitterdorfer im Wortlaut:
"Liebe Fußballfamilie,
ich habe die Entscheidung getroffen, meine Funktion als Präsident des ÖFB mit sofortiger Wirkung zurückzulegen.
Angesichts der aktuellen Umstände war es aus meiner Sicht von höchster Priorität, im ÖFB sehr zeitnah für Klarheit und Ruhe in Form einer neuen hauptamtlichen Führung mit fundierten Managementqualitäten zu sorgen und die Aufgabe der raschen Weiterentwicklung mit viel Erfahrung und Know-how in Angriff zu nehmen. Die Mehrheit im Präsidium für diesen straffen Prozess ist in den letzten Tagen leider geschwunden.
Ich habe immer versucht, das große Ganze zu sehen, konstruktiv im Sinne des Fußballs zu agieren und gemäß meiner Werte verbindend zu wirken. Letzteres ist zuletzt nicht (mehr) gelungen und daher ist der Zeitpunkt gekommen, die Konsequenzen zu ziehen. Ich habe immer betont, dass ich mich nicht verbiegen werde, und dazu stehe ich auch. Die persönlichen Diffamierungen und Anschuldigungen der letzten Wochen vor und besonders auch hinter den Kulissen haben nicht nur meine Familie und mich in meiner ehrenamtlich ausgeführten Funktion, sondern in der Gesamtheit auch den ÖFB stark belastet.
Ich hoffe, dass einiges hinterlassen werden konnte, was den Fußball in Österreich nachhaltig stärkt, positiv verändert und weiterbringt.
Es erfüllt mich mit Stolz, dass es gelungen ist, eine längst fällige Strukturreform einzuleiten und damit eine Modernisierung und Verschlankung der Strukturen des ÖFB zu erreichen. Ziel sind klare, professionelle und effiziente Entscheidungswege, die Weiterentwicklung des Präsidiums zu einem Aufsichtsrat sowie eine weitere Kompetenzverschiebung zum Hauptamt. Künftig sollen die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ÖFB und der Verbände mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten.
Das wohl größte Projekt des ÖFB in den letzten Jahrzehnten, der ÖFB Campus in Wien-Aspern, der nach großen Anstrengungen gemeinsam mit dem Bund und der Stadt Wien realisiert werden konnte, ist bereits in einer sehr fortgeschrittenen Bauphase und wird dem ÖFB und den Nationalteams eine gemeinsame und würdige Heimat bieten.
Mein großer Dank gilt allen konstruktiven Kräften, die im Sinne des Fußballs in Österreich auf allen Ebenen und in allen Funktionen wirken. Insbesondere danke ich aus ganzem Herzen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖFB, die in einer sehr herausfordernden Phase einen tollen Job machen und den ÖFB zusammenhalten.
Ich hoffe sehr, dass es meinen Nachfolger:innen gelingt, dass die Sache selbst - nämlich der Fußballsport in allen seinen Facetten - wieder im Mittelpunkt der Arbeit und des Einsatzes stehen kann und wünsche dem gesamten ÖFB, den Nationalteams und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur das Beste für die Zukunft."
INFORMATION
Die Präsidenten des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) seit 1945:
- Josef Gerö (1945 - 1955)
- Hans Walch (1955 - 1969)
- Heinz Gerö (1970 - 1976)
- Karl Sekanina (1976 - 1982)
- Herbert Raggautz/Heinz Gerö (interimistisch, 1982 - 1984)
- Beppo Mauhart (30. Juni 1984 - 7. April 2002)
- Friedrich Stickler (7. April 2002 - 7. November 2008)
- Kurt Ehrenberger (interimistisch, 7. November 2008 - 28. Februar 2009)
- Leo Windtner (28. Februar 2009 - 17. Oktober 2021)
- Gerhard Milletich (17. Oktober 2021 - 31. Januar 2023)
- Johann Gartner (interimistisch, 3. Februar 2023 - 8. Juli 2023)
- Klaus Mitterdorfer (8. Juli 2023 - 21. November 2024)