Fußballmärchen der Ex-Paderborner: Vom Drittligaabstieg zum Europapokalsieg

Paderborn. Am 20. Mai 2017 um 15.23 Uhr war Markus Krösche Sport-Geschäftsführer eines Fußball-Regionalligisten. Die Drittliga-Partie zwischen dem VfL Osnabrück und dem SC Paderborn war soeben abgepfiffen worden. Und das torlose Remis an der Bremer Brücke und ein starker Saisonendspurt sollten dem SCP nicht reichen, um den dritten Abstieg in Folge zu vermeiden. Exakt fünf Jahre später erholte sich Krösche am Freitag von den Folgen einer rauschenden Party. Denn seit dem vergangenen Mittwoch um 23.54 Uhr ist der 41-Jährige Sportchef eines Europapokal-Siegers. Da nämlich versenkte Rafael Borré in Sevilla den entscheidenden Elfmeter, mit dem Eintracht Frankfurt im Finale gegen die Glasgow Rangers die Europa League gewann. Der außergewöhnliche Werdegang von Markus Krösche, der seit dieser Saison als Sportvorstand für die Eintracht im Einsatz ist, hatte einen schier unglaublichen Höhepunkt erreicht. Und mit ihm jubelte sein persönlicher Referent Ole Siegel, der von 2016 bis 2020 Teammanager des SC Paderborn gewesen war. "Als ich mit Ole in der Kabine stand, habe ich ihn als erstes gefragt: Weißt du eigentlich, was vor fünf Jahren passiert ist", berichtet Krösche. "Vom schlimmsten Moment hin zu so einem Europapokal-Triumph - und dazwischen noch die ganzen anderen Erfolge. Manchmal muss ich mich selbst kneifen", sagt Paderborns Rekordspieler, hinter dem fünf äußerst ereignisreiche Jahre liegen. "Das alles ist ziemlich surreal" Der SCP profitierte nach dem sportlichen Abstieg anno 2017 vom Lizenzentzug des TSV 1860 München und schaffte als Fast-Regionalligist den sensationellen Durchmarsch in die Bundesliga. Erfolgsmanager Krösche wechselte nach dem Erstliga-Aufstieg zu RB Leipzig, erreichte mit den Roten Bullen das Champions-League-Halbfinale und wurde ein Jahr später deutscher Vizemeister. Und nun holte er mit der Eintracht den Europapokal. "Wenn ich seit 20 Jahren in einer solchen Position wäre, wäre es etwas anderes. Aber ich weiß, wo ich herkomme. Daher ist das alles ziemlich surreal, zumal es in einer solchen Geschwindigkeit passiert ist", bilanziert Krösche. Ole Siegel fällt dazu nur ein Wort ein. "Wahnsinn", sagt der 32-Jährige. Siegel hatte sich im Juli 2020 eigentlich vom Fußball zurückgezogen, um mehr Zeit für seine Familie zu haben. Doch schon acht Monate später heuerte er bei Eintracht Frankfurt an, weil Markus Krösche ihn unbedingt an seiner Seite haben wollte. "Der Abstand vom Fußball hatte mir gut getan, aber es hat schnell wieder gekribbelt", erklärt Siegel. Und er sollte seine Entscheidung nicht bereuen. Glaube versetzt Berge "Was seit Mai 2017 in Paderborn passiert ist, ist schon außergewöhnlich. Aber hier in Frankfurt ist das noch einmal eine andere Dimension", urteilt Siegel. "Es ist unglaublich, was dieser Klub der Stadt, der Region, ja zum Teil ganz Deutschland bedeutet. Und diese Wucht hat sich in Sevilla voll entladen", sagt Krösche. Getragen von der Begeisterung der Fans habe sich eine riesige Überzeugung entwickelt. Eben jene Überzeugung hatte die sportliche Leitung allerdings auch stets vorgelebt. "Wir wertschätzen diesen Wettbewerb unfassbar und leben ihn. Das wird uns zum Titel führen", hatte Krösche vor einigen Wochen orakelt. "Wir haben erst gar nicht im Konjunktiv gesprochen, sondern einfach gesagt: Wir erreichen dieses Ziel", betont Ole Siegel. Ein dritter Ex-Paderborner war hierbei maßgeblich daran beteiligt, der Mannschaft diesen Glauben zu implementieren: Martin Daxl. Der 61-Jährige war von 2017 bis 2020 als sogenannter Potenzialtrainer für den SCP im Einsatz. Im vergangenen Sommer lotste ihn Krösche zur Eintracht. Und Frankfurts Cheftrainer Oliver Glasner will nicht mehr auf Daxl verzichten. "Er ist ein ganz wichtiger Faktor für die Stimmung im Team", so der Eintracht-Coach. Auf Krösche wartet viel Arbeit "Wir werden wohl erst in den nächsten Tagen realisieren, was wir erreicht haben", sagt Krösche. Bislang gab es kaum Zeit zum Runterkommen. Ole Siegel wird ab Sonntag Gelegenheit dazu haben, denn dann fährt er mit seiner Familie in den Urlaub. Am Freitagvormittag stand unterdessen noch ein gemeinsames Brunchen mit der Mannschaft auf dem Programm. Am Nachmittag saß Markus Krösche schon wieder im Büro, wo der studierte Betriebswirt auch die nächsten Tage verbringen wird. "Es gibt noch ein paar Themen abzuarbeiten", erklärt der 41-Jährige, der unter anderem wichtige Vertragsgespräche führen muss. Der Europapokalsieg, die damit verbundene Champions-League-Qualifikation und die Prämie für die Supercup-Teilnahme spülen rund 70 Millionen Euro in die Eintracht-Kassen. "Wir werden deshalb aber nicht unsere Transferstrategie ändern", verspricht Krösche. Frankfurt werde nun ganz sicher nicht das Geld zum Fenster hinauswerfen. Das würde auch Krösches Naturell widersprechen. Der ehemalige SCP-Kapitän weiß schließlich, wo er herkommt. Und das nicht erst seit dem 20. Mai 2017.

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