Bielefeld

Die Trial-Familie dreht in Brake auf

Motorrad: Wie die Karawane der besten Gleichgewichts-Fahrerinnen und -Fahrer Werbung für ihren Sport macht. Die Sieger sind Steinert, Kadlec, die Zuschauer und der MSC.

Sophie ter Jung ist 21 Jahre jung und davon schon 17 auf dem Motorrad. In Brake hatte sie Pech und wurde Vierte. | © Sarah Jonek Fotografie

25.07.2021 | 25.07.2021, 17:59

Bielefeld. Staubende Hänge, röhrende Motoren und durchdrehende Reifen – das ist Motorrad-Trial. Und dieser erlebte am Wochenende beim MSC Brake mit dem dritten Lauf zur Deutschen Meisterschaft eine lang erwartete Glanzstunde. Im vergangenen Jahr fiel die traditionsreiche Veranstaltung im Bielefelder Nordosten wegen der Pandemie gänzlich flach, diesmal traf es lediglich die Partynacht. Am Ende des 2021-er-Trials setzte sich in der Frauen-Konkurrenz Jule Steinert vom MSC Jura Heideck durch, bei den Männern triumphierte der international erprobte Topfavorit Franz Xaver „Franzi“ Kadlec (AMC Holzkirchen) souverän.

„Ich bin wirklich glücklich, weil es ein schwieriger Lauf war“, sagte Jule Steinert, die nicht damit gerechnet hatte, ihren Erfolg beim MTC Saar beim vorangegangenen Lauf wiederholen zu können. Auch der ehrgeizige Kadlec, der nur sehr gute fünf Fehlerpunkte in den drei Läufen sammelte, war zufrieden. „Der Parcours war eine schöne Mischung aus künstlichen Elementen und Naturhängen“, sagte der 24-Jährige. Ostwestfälische oder gar Braker Startende waren in diesem Jahr auf dem deutschen Spitzenniveau nicht vertreten.

Insgesamt umfasste die von rund 70 Helfenden des MSC Brake geplante und aufgebaute Strecke zehn Sektionen, die auf dem und nahe beim Vereinsgelände aufgebaut waren. Jede der Sektionen bot mehrere Hindernisse, die einzeln bewertet und insgesamt innerhalb von 90 Sekunden absolviert wurden. Andernfalls gibt es die maximale Strafpunktanzahl von fünf, genauso wie wenn ein Hindernis nicht ohne Abstieg vom Motorrad überwunden werden kann.

Paul Reumschüssel aus Neunkirchen im Siegerland verpasste den zweiten Platz nur knapp. - © Sarah Jonek Fotografie
Paul Reumschüssel aus Neunkirchen im Siegerland verpasste den zweiten Platz nur knapp. | © Sarah Jonek Fotografie

"Die Fans haben uns extra motiviert"

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MSC Brake veranstaltet den 3. Lauf zur Deutschen – Trialmeisterschaft

er MSC-Vorsitzende Diedrich Weber war mit den sportlichen Darbietungen genau wie die dutzenden Zuschauer einverstanden. Diese durften sich frei rund um die Sektionen verteilen und genossen das Spektakel. Jule Steinert sagt: „Die Fans haben natürlich nochmal extra motiviert.“

Die deutsche Nummer eins, Franz Xaver Kadlec, ließ sich auch in Brake nicht lange bitten und siegte klar. - © Sarah Jonek Fotografie
Die deutsche Nummer eins, Franz Xaver Kadlec, ließ sich auch in Brake nicht lange bitten und siegte klar. | © Sarah Jonek Fotografie

Der jungen Dame des Jahrgangs 1997 kam zu Gute, dass sie im Gegensatz zu ihren Konkurrentinnen jede Hürde überwinden und so die fünf Fehlerpunkte umgehen konnte. Wenn die Füße zwischendurch zur Hilfe den Boden berühren, gibt es je nach Häufigkeit einen bis maximal nur drei Fehlerpunkte. Die „Fünf“ kassierte Starterin Sophie ter Jung derweil vierfach, so dass sie das Podium als vierte mit 41 von theoretisch maximal 150 Fehlerpunkten verpasste. „Ich bin mit meiner Steigerung im dritten Lauf jedoch zufrieden“, sagte die 21-Jährige. Ter Jung ist ein Beispiel dafür, dass der Trial-Sport eine Familienangelegenheit ist.

Der „Minder“ muss die Maschine im Zweifelsfall beherzt abfangen

Begonnen hat sie mit den ersten Versuchen auf einem kleinen Motorrad im Alter von vier (!) Jahren und macht inzwischen eine Ausbildung bei einem Siegerländer Offroad-Ausstatter, der auch gleichzeitig Teamsponsor ist. Das Familiäre ist sinnbildlich für die Motorradsport-Disziplin, denn genau wie ter Jung ist auch Joschka Kraft mit seinen Eltern aus Süddeutschland angereist. Krafts Vater agiert als sogenannter „Minder“, der im Zweifelsfall beherzt zupackt, falls das Hindernis nicht überwunden werden kann. Denn die Maschine mit 80 Kilogramm sollte nicht auf die Sportlerinnen und Sportler hinabfallen.

Für den erst 18-jährigen Kraft war diese Hilfe, bei der es auch bei versehentlicher Motorrad-Berührung seitens des Minders direkt fünf Strafpunkte für die Sektion gäbe, nur in den ersten beiden Läufen nötig. Der angehende Abiturient aus dem Schwarzwald freute sich deshalb im Anschluss „sehr über diesen positiven Abschluss“ Dabei zeigte er sich besonders an den letzten Stationen nahe der bevölkerten Grillstation des MSC Brake souverän und hängte dort seine erfahrenere Konkurrenz ab. „Bislang ist der Trial-Sport gut vereinbar mit der Schule“, erläutert Kraft. Ähnlich wie andere Teilnehmende reist Kraft zu Wettbewerben mit der Familie oft mit Wohnmobil oder Wohnwagen an.

Professioneller Amateursport

Denn wie für viele Topfahrerinnen und -fahrer geht es für den Teenager demnächst bei der Europameisterschaft weiter. Lediglich sein Motorrad bekommt er dank seiner kontinuierlichen Leistungsentwicklung finanziert, Reisekosten, Reparaturen und ähnliches gehen auf eigene Kosten in diesem recht professionellen Amateursport.

Dass sich der Trial-Sport dabei nicht vor neuen Trends und mehr Nachhaltigkeit verschließt, macht Diedrich Weber klar: „Es gibt auch eine E-Motoren-Europameisterschaft und ich denke, wir werden uns allgemein dahin entwickeln.“ Aktuell werden die Zweiräder beim MSC-Trial jedoch noch per Benzin und mit typischen Motorengeräuschen betrieben. „Theoretisch könnten Teilnehmer auch bei uns mit E-Motoren antreten, tatsächlich fehlt den Motoren im Vergleich jedoch derzeit noch die letzte Power.“

Zum Glück blieb der Regen aus

Gefreut hat sich der MSC-Vorsitzende neben dem regen Zuschauerzuspruch und dem ausbleibenden Regen – „dann werden die vom Fahren „versiegelten“ Hänge sehr rutschig“ – auch über die gute Zusammenarbeit mit dem Bielefelder Ordnungsamt und weiteren Behörden, da etwa der Kurs auf den Feldern rund um die Grafenheider Straße in Brake Monate im Voraus angemeldet werden und am Tag der Veranstaltung gesichert werden musste. „Zwischen den einzelnen Sektionen wird jedoch langsam und umsichtig gefahren, denn es gibt keinen Zeitdruck“, erzählt Weber.

Und was macht der eigene Trial-Nachwuchs beim MSC Brake? Mit Tobias Müller war zumindest ein Aktiver als Minder für den Dritten Paul Reumschüssel dabei. Abseits davon befände sich der Trial in Ostwestfalen gerade in einem kleinen Loch nach den erfolgreichen Zeiten um Mirco Kammel und Jan Junklewitz. Dennoch gab es am Sonntag noch einen kleineren OWL-Trial, und jeden vierten Samstag im Monat können Interessierte (ab dem Grundschulalter) sich beim MSC Brake auf Trial-, Fahr- oder Motorrädern ausprobieren.

Ergebnisse

Männer, Top 5: 1. Franz Xaver Kadlec (Reichersbeuern/5 Fehlerpunkte), 2. Joschka Kraft (Welschensteinach/36), Paul Reumschüssel (Neunkirchen/39), 4. Hendrik Binder (Kerzenheim/40), 5. Jonathan Heidel (Amtzell/49)

Gesamtstand nach drei Läufen: 1. Kadlec 300 Punkte, 2. Kraft 240, 3. Reumschüssel 225, 4. Binder 175, 5. Heidel 170

Frauen, Top 5: Jule Steinert (Heideck /22), 2. Vivian Wachs/29), 3. Charlotte Steffens (Dreckenach/33), 4. Sophie ter Jung (Neunkirchen/41), 5. Hannah Schneider (Neunkirchen/62)

Gesamtstand: 1. Steinert 270, 2. Wachs 255, 3. ter Jung 220, 4. Steffens 200, 5. Pia Emonts (Stolberg) 160