Bielefeld

Heepens Kicker mit italienischen Momenten

Was lernt der heimische Amateurfußball von der Europameisterschaft? Sicher, dass Geschlossenheit und Herz wichtig sind. Aber auch: Elfmeter üben!

Zwei gegen einen ist clever: Die Italiener Chiellini (l.) und Bonucci gegen Englands Sterling. | © imago images/Xinhua

12.07.2021 | 12.07.2021, 23:00

Bielefeld. Von den Alten lernen heißt Siegen lernen. Sagt man. Das stimmt nicht immer, aber oft. Aus den vier Wochen der Fußball-EM mit dem Turniersieger Italien haben auch die heimischen Amateurtrainer ihre Schlüsse gezogen. Da ist ganz viel Taktik im Spiel, aber vor allem sind es die sogenannten Basics. Und: attraktiver Fußball gewinnt. Nicht immer, aber oft.

Bastian Metzdorf, Trainer des Bezirksligisten SV Heepen, setzt auch bei der Sportvereinigung auf Erfahrung. Genau wie die Italiener. Nach hinten raus zwar nicht so erfolgreich, aber einige Parallelen zum frisch dekorierten Europameister sind vorhanden. „Wir haben definitiv ein Oldie-but-Goldie-Quartett, das auf und neben dem Rasen dem Team durch seine Erfahrung enorm weiterhilft. Rene Gerd Romoth, Rene Lewi, Marcel Kutza und Pascal Schiedeck sind nicht ersetzbare Säulen, die der persönlichen und sportlichen Weiterentwicklung alles unterordnen“, zieht Metzdorf einen Vergleich zum 70-jährigen italienischen Innenverteidiger-Duo Giorgio Chiellini (36) und Leonardo Bonucci (34).

VfR-Coach Dominik Popiolek mag Attraktivität. - © Nicole Bentrup
VfR-Coach Dominik Popiolek mag Attraktivität. | © Nicole Bentrup

Metzdorf hat aber auch Ähnlichkeiten zum deutschen System festgestellt. In der Aufstiegssaison 2019/ 2020 spielten die Heeper ebenfalls mit einer Dreierkette. Mittlerweile ist ihm dieses System zu durchschaubar. „Die Einzelbesetzung auf den Außenbahnen birgt für mich im Verschiebeverhalten die größte Gefahr. Das 1:0 von Frankreich gegen Deutschland ist hier sinnbildlich. Durch die Dreierkette und die ständig anhaltenden tiefen Läufe müssen die drei Innenverteidiger häufig aktiv aus der Kette herausbrechen und verteidigen. Geschieht dies nicht schnell und energisch genug, sind die Lücken häufig zu groß um sie immer zu schließen“, sagt der Heeper Coach.

Heepens Trainer Bastian Metzdorf mag Oldies. - © Nicole Bentrup
Heepens Trainer Bastian Metzdorf mag Oldies. | © Nicole Bentrup

"Aufgeben darf niemals eine Option sein"

Für seine Mannschaft hat Metzdorf etwas gelernt. „Die Achtelfinalspiele haben deutlich gezeigt, dass Aufgeben niemals eine Option sein darf. Totgeglaubte Teams machen in zehn Minuten einen Zwei-Tore-Rückstand wett. Diese Tugend, immer an sich und das Team zu glauben, möchte ich meiner Mannschaft mit auf den Weg geben.“

Philipp Willmann, Trainer des Westfalenligisten VfB Fichte setzt auf Mentalität, Basics und Einstellung. „Ich denke, die EM hat deutlich gezeigt, dass der Fußball aus Basics besteht, die in jedem Spiel Priorität haben müssen: Einsatz, Leidenschaft und Mut. Die Italiener zeigen klar, dass man mit Mentalität viel erreichen kann“, sagt er. Für seine Westfalenliga-Kicker wünscht sich Willmann eben diese Basics auch. Er misst den Erfolg nicht an Titeln und schaut eher auf Teams wie Dänemark, Schweiz oder die Ukraine.

»Aus den Möglichkeiten das Maximale erreichen«

„Sie haben aus ihren Möglichkeiten das Bestmögliche gemacht. Teilweise, siehe Dänemark, haben sie mehr erreicht, als je einer von ihnen erwartet hatte. Erfolg ist, aus den eigenen Möglichkeiten das Maximale zu erreichen.“

Eine kleine Parallele zum VfB Fichte sieht Willmann in der spanischen Auswahl. „Man sieht, dass immer mehr junge Spieler in den Fokus geraten und Ihnen sehr früh viel Verantwortung gegeben wird. Pedri zum Beispiel. Mit 18 Jahren füllt er die Sechser-Position mit einer unfassbaren Souveränität und einer absoluten Selbstverständlichkeit.“ Willmann selbst setzt ebenfalls auf junge Spieler.

Jens Horstmann, Trainer des Landesligisten TuS Dornberg, erklärt: „Erfolg kann man mit allen Systemen und Taktiken haben, man muss nur das Passende für die eigene Mannschaft und die eigene Überzeugung finden.“ Er selbst lässt seit Jahren mit einer Dreierkette spielen. Mit Erfolg. Zwei Aufstiege feierte Horstmann mit dieser Variante. „Gerade bei Teams im 3-4-3 System habe ich viele Ähnlichkeiten zu unserem Spiel erkannt. Weil die Positionsanforderungen einfach gleich sind. So ähnelt Simon Kerker in seiner Art schon sehr Mats Hummels, weil beide aufgrund ihrer Fähigkeiten zentral in der Dreierkette spielen. Starker Kopfballspieler, gutes Passspiel, technisch besser als zunächst vermutet und nicht zu schnell“, meint Horstmann humorig.

"Selber Lösungen für uns ableiten"

Er habe auf Teams geachtet, die das Dornberger System spielen. Vor allem das Laufverhalten und die Positionierung könne am ehesten in den Amateursport kopiert werden. „Aber ich habe auch darauf geachtet, wie Teams mit Viererkette gegen eine Dreierkette gespielt haben. Um selber Lösungen ableiten zu können, auf was wir uns einstellen können oder wie wir vielleicht selber antreten, wenn der Gegner mal Dreierkette spielt.“

Dominik Popiolek, Trainer des Bezirksligisten VfR Wellensiek, zieht eine denkbar einfache Quintessenz aus der EM: „Elfmeter üben.“ Wichtig ist ihm, dass er als außenstehender Amateurtrainer nicht immer alles beurteilen kann, da er einfach nicht weiß, was der Matchplan ist und was vom jeweiligen Trainer vorgegeben wurde. Die Attraktivität des Fußballs sieht Popiolek schwerpunktmäßig eher bei den Fans. „Für den klassischen Fan ist sie sehr wichtig. Für die ,Show’ und für das ,Produkt’ Fußball ist sie sicherlich wichtig, da möglicherweise sonst nur Fachleute und Analysten ins Stadion gehen würden. Wir Trainer setzen unsere Schwerpunkte bei unseren Mannschaften anders und verzichten gerne auf Fallrückzieher und Hackentricks, wenn dafür eine einstudierte Standardsituation funktioniert oder ein gesamter Matchplan zum Erfolg führt.“ Eine einstudierte Standardsituation kann im Übrigen auch ein Elfmeter sein.