
Bielefeld. Mit Menschen über ihre Krankheit zu sprechen, machen auch Journalisten nicht gerne - auch wenn das Leiden und der persönliche Umgang damit Thema einer Geschichte sein sollen. Schnell stößt man an eine oft unsichtbare Grenze, die zu überschreiten man seinem Gegenüber nicht zumuten möchte.
Bei Reinhard Moh, dem früheren Cheftrainer des Tennispark Bielefeld, sind solche Vorbehalte schnell ausgeräumt, ja sie entstehen erst gar nicht. "Ich hatte mit 50 einen Herzinfarkt, ein paar Jahre später einen Schlaganfall und weiß seit Ende 2014, dass ich Lungenkrebs habe und daran wohl auch sterben werde", sagt der 68-Jährige und klingt dabei so, als arbeite er nicht eine Liste persönlicher Schicksalsschläge, sondern etwa die Stationen seiner beruflichen Laufbahn ab. Womit deutlich wird, dass "ich dem Krebs keine Chance gebe, die Nummer eins in meinem Leben zu werden", wie Mohn es ausdrückt: Andere Dinge seien für ihn einfach wichtiger.
Zum Beispiel Bücher zu schreiben. Als er vor vier Jahren im Evangelischen Klinikum Bethel von dem Onkologen Prof. Dr. Florian Weißinger die Diagnose Lungenkrebs erhielt, ging mit der Einleitung der klinischen Therapie das Angebot einher, den Kampf gegen den Krebs auch mit musischen Aktivitäten anzugehen. Gemeinsam mit der Kunsttherapeutin Ulrike Koch entwickelte Moh die Idee, sich quasi den Frust von der Seele und über sein Leben zu schreiben. Und wählte für sein erstes Werk nicht von ungefähr den Titel "German Glückskind".
»Ich habe gelernt, dass man sein Schicksal in die Hand nehmen muss«
Der Name sei Programm, meint Moh lachend: Trotz der vielen gesundheitlichen Probleme sei er ein glücklicher Mensch und liebe das Leben. Das Schreiben habe in einer aussichtslos erscheinenden Situation Struktur in seinen Alltag gebracht. "Ich habe gelernt, dass man sein Schicksal in die Hand nehmen muss", erklärt Moh, der in seinem Lebenslauf immer wieder neue Abfahrten genommen hat: "Die hin zum Schreiben war sicher eine der schönsten!"
Reinhard Moh, gelernter Textilbetriebswirt, später auch Sportmanager und staatlich geprüfter Tennislehrer, kam 1973 nach Bielefeld. In seiner Freizeit spielte er Tennis beim THC Gelb-Weiß, anschließend beim Bielefelder TTC, bei dem er die Bielefelder Tennis-Legende Folker Seemann kennenlernte. "Bei schönem Wetter war ich viel lieber auf dem Tennisplatz als im Büro", erinnert sich Moh, der deshalb nicht lange nachzudenken brauchte, als Seemann, der mittlerweile den Tennispark gegründet und das Tennisland Dornberg hochgezogen hatte, ihm einen Job als Trainer und Tennislehrer anbot.
"Folker war so etwas wie mein Ziehvater, ich habe ihm viel zu verdanken", sagt Moh, der Seemann das ihm geschenkte Vertrauen zurückzahlte: Unter seiner Regie stieg der Tennispark mit Spielern wie Kai Birck, den Wehler-Brüdern oder dem Schweden Svensson mehrmals hintereinander bis in die Oberliga auf.
Das gleiche Kunststück gelang ihm einige Jahre danach mit dem TC Brackwede, zuvor hatte er sich - verpflichtet von Gerhard Weber - in den Anfängen des TC Blau-Weiß Halle um die erste Mannschaft verdient gemacht und das Jugendtraining übernommen. "Außerdem habe ich das erste ATP-Turnier in Halle, damals noch auf Sand und weit vor den Gerry-Weber-Open, als Turnierdirektor geleitet", berichtet Moh nicht ohne Stolz - was Tennis angeht, war der Mann ein echter Tausendsassa. Und brachte es als Dozent an der Universität Bielefeld sogar zu akademischen Meriten, da er gemeinsam mit Prof. Elke Zimmermann das Projektseminar "Sport Ymotion" entwickelte und durchführte. Schließlich unternahm Moh noch einen Ausflug in den (halb-)professionellen Fußball: Auf Vermittlung des früheren Arminia-Profis Uwe Fuchs arbeitete er zwei Jahre lang als Marketinggeschäftsführer bei Fortuna Köln.
»Von Band zu Band fallen immer mehr Mühlsteine von mir ab«
Die Krebs-Diagnose setzte vielen seiner Aktivitäten ein abruptes Ende. Mit der Krankheit habe sich sein Leben in eine ganz andere Richtung entwickelt, erläutert Moh - allerdings in eine sehr interessante. "Beim Schreiben entdecke ich ganz neue Seiten an mir", sagt der Autor Moh, der in seinen "Romanografien" sein Leben in vielen amüsanten, spannenden und interessanten Geschichten und Anekdoten erzählt, die auch sehr viel mit Rock- und Popmusik zu tun haben. "Neben dem Tennis ist die Musik meine zweite große Liebe", sagt Moh, der einmal 10.000 Langspielplatten sein eigen nannte, die er aber in Zeiten wirtschaftlicher Not alle verkauft hat.
Um seine Bücher - zu "German Glückskind" ist ein zweiter Band gleichen Namens hingekommen - drucken zu können, hat Moh ein Crowdfunding-Projekt ins Leben gerufen, bei dem ihn 50 Freunde und Bekannte finanziell unterstützen. Ihnen zuliebe veranstaltete er nach Fertigstellung des zweiten Bandes eine "musikalische Lesung" mit vielen bekannten Künstlern. Doch das zweite soll noch nicht das letzte Buchprojekt gewesen sein. "Ich mache weiter", sagt Moh, der merkt, "wie von Band zu Band immer mehr Mühlsteine von mir abfallen". Dass der Tod ihn plötzlich stoppen könnte, glaubt Moh nicht. Dafür spricht, dass er nach dem Gespräch erwähnt, dass er jetzt eine Pfanne kaufe wolle. "Und zwar eine gute - denn ich werde sie noch lange brauchen!"