Bielefeld

Wolfgang Diekmann - ein Mann des Gesetzes

Gregor Winkler
29.07.2017 | 29.07.2017, 07:10

Bielefeld. Der Mann trägt keinen Sheriffstern, keinen tief ins Gesicht gezogenen breitkrempigen Hut oder gar einen Colt. Trotzdem drängt sich das Bild aus dem Hollywood-Western irgendwie auf, denn Wolfgang Diekmann ist ein Mann des Gesetzes. Der Braker sitzt der Verbands-Jugendspruchkammer des Fußball- und Leichtathletikverbands Westfalen (FLVW) vor.

Diekmanns Ausschuss ist die höchste Instanz, die der Verband ins Feld führen kann. Und obwohl der Bielefelder meist eindeutig identifizierte Übeltäter vor sich hat, wirkt er nicht wie einer, der gleich aus der Hüfte zieht. „Unser oberstes Ziel ist es ja zu erreichen, dass die Jugendlichen ihre Fehler einsehen und nicht wiederholen", erklärt der Jurist, der schon aufgrund seiner Statur durchaus Eindruck macht. Die Wirkung ist einkalkuliert: „Wenn die Spieler in einer mündlichen Verhandlung vor einem mehrköpfigen Gremium erscheinen müssen – das darf ruhig etwas einschüchtern", sagt Diekmann.

Seine Karriere als Funktionär war von Beginn an klar eingegrenzt. Im Jahr 1984, Diekmann kickte damals beim SVA Gütersloh, wurde er angesprochen, ob er nicht in der Kreis-Jugendspruchkammer mitarbeiten wolle. Fünf Jahre lang wirkte der Jurist also in dem Gremium des Bielefelder Nachbarkreises mit. Dann entdeckte Manfred Deister den Mitarbeiter. Der Gütersloher Deister, der später eine große Laufbahn bis hin zum Jugendobmann des Westdeutschen Fußballverbands und Vizepräsident des FLVW absolvierte, holte seinen Kreiskollegen in die Verbands-Jugendspruchkammer (VJSK). Das war im Jahr 1989. Kurz zuvor war Diekmann nach Bielefeld umgezogen. Von Brake aus machte er sich fortan auf, um die Sitzungen im rund 100 Kilometer entfernten Kaiseraus zu besuchen. Von 2010 bis 2016 war er stellvertretender Vorsitzender der VJSK, im vergangenen Jahr wurde er für drei Jahre als deren Vorsitzender gewählt.

Diekmann sieht bei seiner Arbeit nicht vorrangig den erhobenen Zeigefinger. Er wählt lieber einen pädagogischen Ansatz: „Wir sind doch nicht dazu da, die Vereine ins Knie zu schießen. Alle Betroffenen sollen das Gefühl haben, dass eine vernünftige Regelung für das jeweilige Problem getroffen wurde." Das könnte in Zukunft schwieriger werden, denn nach einer Neugliederung werden künftige Fälle schriftlich, per Mail oder telefonisch von nur noch einem „Richter" verhandelt. „Wir haben diese Entscheidung nicht zu kritisieren. Ich sehe ein paar Probleme dabei, aber man muss abwarten, ob sich das System bewährt", sagt Diekmann ganz diplomatisch. Seinem Ausschuss bleibt es auch künftig überlassen, mündliche Verhandlungen anzusetzen.

Diekmann strahlt Gelassenheit aus. Dabei wird er ständig mit den unschönen Seiten des Fußballs konfrontiert. Beleidigungen, Bedrohungen und Prügeleien sind die Tatbestände, die vor seiner Spruchkammer, die künftig den Namen „Verbands- Jugendsportgericht" tragen wird, landen. „Mit den Jahren ist vieles in den Satzungen immer mehr verrechtlicht worden", meint der Bielefelder. Ohne seine Erfahrung als Rechtsanwalt wäre das Ehrenamt sicher kaum zu bewältigen. Allein die Anwendung des Verbandsregelwerks erfordert umfassende Erfahrung im Umgang mit juristischen Texten.

Wolfgang Diekmann hat einen klaren Standpunkt: „Tätlichkeiten haben im Sport nichts zu suchen. Profikicker mit ihrer Rudelbildung gegen den Schiedsrichter, wie man es in der Bundesliga immer sieht, sind ein ganz schlechtes Vorbild. Wir haben in den Amateurliegen keine Profi-Schiedsrichter. Trotzdem sind deren Entscheidungen zu akzeptieren." Hektik und Panik hätten auf und neben dem Spielfeld sicher zugenommen, aber Kloppereien seien zum Glück immer noch nicht der Standardfall sondern die Ausnahme.

Einmal hatte Diekmann einen ganz großen Fall auf dem Schreibtisch. Zwei Bundesligavereine stritten um ein „außergewöhnlich großes Nachwuchstalent". Durch ungewöhnliche Umstände sollte die VJSK über den Wechsel entscheiden, bei dem direkt und indirekt durchaus auch erhebliche Geldsummen im Spiel waren. Es wäre ein schlagzeilenträchtiges Urteil gewesen, doch die Klubs einigten sich bevor die Kammer zusammentrat, gütlich, absolvierten sogar noch ein Freundschaftsspiel gegeneinander.

„Von unseren Verurteilten haben wir keinen zweimal gesehen", sagt Diekmann nicht ohne Stolz. Er und seine Mitstreiter scheinen also das richtige Händchen dafür zu besitzen, Recht und Ordnung wiederherzustellen. „Überzeugen ist das Wichtigste", fasst der Spruchkammer-Boss seine Arbeit zusammen – und verschwindet im Braker Sonnenuntergang.