Bielefeld

Das Zweitliga-Abenteuer der TSG Altenhagen-Heepen

Ein Handballmärchen ohne Happy End

Edelfan und Macher: Klaus Güse, lange Jahre Mitglied des Förderkreises, hält die Erinnerung an die glorreichen Tage seines Vereins hoch. | © Andreas Zobe

Hans-Joachim Kaspers
02.03.2017 | 02.03.2017, 06:01

Bielefeld. Reden wir über die TSG Altenhagen-Heepen. Und die TSG Bielefeld. Nicht zu vergessen die HSG 02 Bielefeld. Sprechen wir also über drei Vereine? Natürlich nicht, vielmehr geht es um einen einzigen Klub, der unter verschiedenen Namen von 1993 bis 2003 zehn Jahre in der 2. Handball-Bundesliga spielte.

Wobei die Umbenennungen schon ein Indiz dafür sind, welche Anstrengungen die aus den Stadtteilklubs TSV Altenhagen und Spvg. Heepen hervorgegangene Spielgemeinschaft im Lauf der Jahre unternehmen musste, um auch nur einigermaßen konkurrenzfähig zu bleiben. Der Ritterschlag in Form des Aufstiegs blieb Machern und Spielern aber versagt - es war mithin ein Handballmärchen ohne wirkliches Happy End.

"Wir sind zur 2. Liga gekommen wie die Jungfrau zum Kind", erinnert sich Klaus Güse. Der Ehrenvorsitzende des TSV Altenhagen und passionierte Handballer hat das "Abenteuer Bundesliga" bei der TSG hautnah miterlebt, saß im einflussreichen Förderkreis und brachte lange Jahre das Hallenheft zu den Spielen heraus. Alles fängt im Frühjahr 1993 an. Die 1986 gegründete "Trainings- und Spielgemeinschaft Altenhagen-Heepen" spielt seit zwei Jahren in der Regionalliga und schafft mit viel Glück zum zweiten Mal in Folge den Sprung in die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Und entschließt sich nach einigem Zögern (Güse: "Uns war zuerst nicht klar, ob wir die Halle voll bekommen würden"), für die Play-offs in die eben fertig gestellte Seidensticker Halle umzuziehen.

Was dann kommt, haut alle aus den Latschen. In drei Gruppenspielen und dem Finale strömen mehr als 15.000 Zuschauer in Bielefelds neue gute Sportstube - die Neugier auf die Halle paart sich bei den Fans mit dem Frust über die in der Oberliga darbenden Arminia-Kicker und mit der Begeisterung über den Siegeszug der Handballer, die am Ende mit dem Erfolg über den TV Vallendar die 2. Liga klarmachen. Sonntags feiern die Gladiatoren auf dem Rathausbalkon, am Montag geht der Rummel hinter den Kulissen los. "Wir sahen uns sofort mit Abwerbungsversuchen wichtiger Spieler konfrontiert, mussten zudem eine halbe Mannschaft ersetzen", sagt Güse: Es sei von Null auf Hundert in die Vollen gegangen.

"Für den kleinen Rahmen der Regionalliga hat unser Finanzierungskonzept hervorragend funktioniert", erläutert Güse im Rückblick. Und auch die erste Saison in der 2. Liga sei aufgrund des Geldregens, den die Einnahmen aus der Aufstiegsrunde in die Vereinskasse gespült hatten, "problemlos auf die Beine zu stellen" gewesen. Die TSG langt dementsprechend hin, holt den russischen Weltmeister Igor Wassiljew und mit Frank "Potti" Wahl eine Legende des DDR-Handballs.

Trotzdem muss man bis zum Saisonende gegen den Abstieg kämpfen - und im Liga-Alltag ist die Euphorie der Aufstiegsrunde schnell dahin: Die Zuschauerzahlen bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück.

"Für die zweite Zweitligasaison haben wir schon die Unterstützung von acht Bürgen gebraucht, um finanziell über die Runden zu kommen", erzählt Klaus Güse. Und wer stellte sich da zur Verfügung? "Ein paar wirklich handball-verrückte Gönner aus Altenhagen und Heepen", sagt Güse schmunzelnd. Überhaupt habe es bei der TSG im Grunde kaum ein echtes Sponsoring gegeben, also eine Unterstützung des Vereins aufgrund unternehmerischer Marketingstrategien. "Die meisten unserer Unterstützer waren ehe Mäzene, die keinen wirklichen Gegenwert für ihr finanzielles Engagement erwartet haben", so Güse.

Auch die Umbenennung in TSG Bielefeld, mit der ab 1995 Firmen aus dem gesamten Stadtgebiet als Werbepartner geködert werden sollen, bringt keinen großen Schub - die nächsten Jahre muss sich der Verein stets nach der Decke strecken. Um wirtschaftlich mehr zu bewegen, spannt die TSG Experten wie Jürgen Kuchenbecker, den Ex-Manager des TBV Lemgo, den früheren Arminia-Vorständler Rainer Kempa und Hans-Rudolf Holtkamp, Leiter des Amts für Stadtmarketing, ein, doch sportlich geht?s weiter bergab.

Schließlich setzt der Verein vor der Saison 1998/99 alles auf eine Karte und auf den neuen Geschäftsführer Carsten Förster, der den langjährigen Manager Udo Harms abgelöst hat und eine "Gesamtbereinigung" verspricht. Spektakuläre Neuzugänge - allen voran der russische Weltmeister Stanislaw Koulintschenko, der Pole Roman Judycki und der Schwede Tony Hedin - sollen den Aufstieg erzwingen. Doch am Saisonende steht nur Platz sechs, und die 1995 gegründete TSG Bielefeld Spielbetriebs GmbH ist insolvent. "An diesem Punkt stand es Spitz? auf Knopf", sagt Klaus Güse: Wenn die Hauptvereine die Altschulden der GmbH nicht übernommen hätten, wäre die TSG in der sportlichen Versenkung verschwunden.

Hans-Rudolf Holtkamp und der spätere Arminia-Präsident Jörg Zillies leisten wichtige Überzeugungsarbeit, und die Mitglieder der Vereine stimmen zu, die Altschulden der GmbH per jahrelanger Vereinsumlage zu tilgen. Trotzdem muss der Klub von jetzt an kleinere Brötchen backen. Da entsteht die Idee, alle Kräfte zu bündeln, um so dem Bielefelder Handball doch noch aufs Pferd zu helfen: Die TSG fusioniert mit dem TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck zur HSG 02 Bielefeld, doch die Macher in den Vereinen haben die Traditionalisten beim TuS unterschätzt. Nach nur einem Jahr erzwingt die Opposition die Aufkündigung des Zusammenschlusses. Die 2. Liga ist nicht zu halten, der höherklassige Handball in Bielefeld damit auf Jahre abgehakt. Und wenn sie nicht gestorben sind . . .