Bielefeld

Training mit dem Weltklasseläufer

LEICHTATHLETIK-FORUM: Ex-Europameister Weber gibt Tipps / Hochspringer aus Bielefeld auf Höhenflug

Hören interessiert zu: Brackwedes Talent Torben Timmerhans (l.) und einige seiner Teamgefährten erleben den früheren 400-Meter-Europameister Hartmut Weber im Training (2.v.r.). | © Claus-Werner Kreft

11.06.2015 | 11.06.2015, 06:01

Bielefeld. Dieser SVB-Trainingsabend im Brackweder Stadion war ein ganz besonderer: Der frühere Weltklasseläufer und Europameister über 400 Meter, Hartmut Weber, absolvierte einen seit längerem geplanten Trainingsbesuch. Denn im Rahmen des "400-Meter-Projekts", das er zusammen mit FLVW-Leistungssportkoordinator Winfried Vonstein (zuständig für die Trainingspläne) betreut, berät er auch das hoffnungsvolle SVB-Talent Torben Timmerhans.

Dessen Vereinstrainer Maciej Jedral und Hartmut Weber, beide Jahrgang 1960, erinnerten sich an ein gemeinsames Erlebnis: 1979 starteten sie bei der Junioren-Europameisterschaft in Jedrals Heimatstadt Bydgoszcz (Bromberg) - Weber als zweifacher Titelgewinner über 400 m und 4 x 400 m, Jedral als Zehnkämpfer für Polen. Drei Jahre später feierte der Westfale aus Kamen seinen größten Triumph, als er auch bei der "großen" EM im Athener Olympiastadion Doppel-Europameister wurde.

Sein Rekordvorsprung im Einzel-Finale, das er mit 44,72 Sek. dominierte, betrug 57 Hundertstelsekunden. Die famose Zeit hätte noch bei fünf von acht späteren Auflagen (wie Olympia findet die EM nur alle vier Jahre statt) zum Titel gereicht; 2014 in Zürich wurde die Stadionrunde mit 44,71 Sek. gewonnen. In der von Thomas Schönlebe (Weltmeister 1987, 44,33 Sek.) angeführten deutschen Bestenliste aller Zeiten rangiert Weber auf Platz 5.

Zuletzt schob sich Ingo Schultz, 2001 Vizeweltmeister mit 44,66 Sek., knapp vor ihn. "Deshalb halte ich ja nicht mal mehr den Vereinsrekord der LG Olympia Dortmund", sagt Weber schmunzelnd. Ursprünglich hatte er auf die 400 m Hürden, die er schon als Jugendlicher unter 50 Sekunden lief, setzen wollen. "Doch als Harald Schmid immer stärker wurde, habe ich mich für die Flachstrecke entschieden."

Eine ähnlich vielseitige Auswahl eröffnet sich Torben Timmerhans. "Vielleicht sind auch die 400 m Hürden eine Option für ihn", meint Weber. Was die flache Stadionrunde betrifft, möchte er dem Nachwuchs diese Erkenntnis vermitteln: "Die 400 Meter sind ja ein Sprint und erfordern keine Vielzahl von Tempoläufen. So unterschiedlich Erwin Skamrahl, Harald Schmid und ich damals trainiert haben: Wir waren uns einig, dass man immer auf eine gute 200-m-Leistung achten muss." Webers Credo: Wer die halbe Runde nicht unter 20,90 laufen kann, hat keine Chance auf eine 400-m-Zeit unter 45 Sekunden.

Auf der blauen Brackweder Stadionbahn übernahm der 54-Jährige die Trainingseinheit für eine kleine Gruppe um Torben Timmerhans, demonstrierte und beobachtete stilistische Details - kompetent, engagiert und sympathisch locker. Tipps und Empfehlungen vom Europameister: Dieser Abend wird in Erinnerung bleiben.

In der großen Sportöffentlichkeit ist die Meldung fast untergegangen, nur Experten horchten auf oder rieben sich die Augen: Beim renommierten Meeting in Weinheim hat Hochspringer Mateusz Przybylko, der 23-jährige Bielefelder im Trikot von Bayer Leverkusen, 2,30 Meter gemeistert. Eine Höhe, die viel bedeutet: Leistungssprung, Traumziel, Norm für die Weltmeisterschaften in Peking, Anklopfen am Tor zur internationalen Elite. Seit rund vier Jahren sind sie keinem deutschen Springer mehr gelungen, die 2,30-Meter-Flops, mit denen einst Dietmar Mögenburg, Carlo Thränhardt & Co., später Martin Buß oder Raúl Spank die deutschen Leichtathletikfreunde verwöhnt hatten.

Unter Coach Georg Cadek entwickelte sich Mateusz Przybylko in Bielefeld zum Deutschen Jugendmeister, sprang schon als U-18-Talent 2,14 Meter und trainierte oft auf der Rußheide - dort, wo Olympiasieger in spe ihre ersten nationalen Jugendtitel gewannen, 1972 war es Ulrike Meyfarth und drei Jahre später Dietmar Mögenburg. In der "Rangfolge ehemaliger Cadek-Schützlinge" ist Przybylko jetzt an Bernhard Bensch (2,28 Meter/1989 für den LC Paderborn) vorbeigezogen. Seine bisherige Bestmarke von 2,26 Meter hatte Przybylko als Deutscher Meister 2015 unterm Hallendach setzen können.

Ein Blick in die europäische Saisonbestenliste zeigt, dass nur zwei Ausnahmekönner wie Weltmeister Bogdan Bondarenko (Ukraine, 2,37 Meter ) und Olympiasieger Ivan Ukhov (Russland, 2,32 Meter) bislang höher gesprungen sind. Przybylko vorerst auf Rang drei in Europa - wer hätte das für möglich gehalten? Da darf man gespannt sein, ob er dem Erwartungsdruck standhält und die Leistung bald bestätigt.

Am vergangenen Freitag unternahm er einen Ausflug zum Weitsprung: Beim Integrativen Leverkusener Meeting streifte er mit 6,95 m die sieben Metermarke.

Information

Hartmut Weber

  • Der 55-jährige Diplom-Verwaltungswirt arbeitet für den Deutschen Handballbund.
  • Ehrenamtlich engagiert er sich im Förderverein „Freunde der Leichtathletik“ und dessen 400-m-Projekt, in dem er junge Talente berät.
  • Er war Junioren-Europameister 1979 über 400 m und 4x400 m. Mit 19 Jahren Mitglied der fiktiven Olympiamannschaft für Moskau 1980 (Boykott).
  • 1981 Hallen-Weltrekordler über 400 m. 1982 in Athen Europameister über 400 m und 4x400 m. Zweimal in Folge 400-m-Sieger beim Europacup-Finale.
  • Bestzeiten (alle mit 21 in der Saison 1982): 100 m 10,52 Sek. – 200 m 20,75 Sek. – 400 m 44,72 Sek. – 400 m Hürden 49,10 Sek.