Reitverein-Chef: Noch so ein Jahr, dann "stünde der Verein am Abgrund"

Herr Brinkmann, viele Sportvereine klagen darüber, dass sich während der Pandemie Mitglieder verabschiedeten. Wie sieht das beim RV &bdquo;von Lützow“ Herford aus? KLAUS BRINKMANN: Wir hatten einen sehr geringfügigen Rückgang der Mitgliederzahlen, er lag bei etwa vier Prozent. Wir kommen sehr gut durch die Pandemie-Situation und die dadurch bedingte Zurückhaltung im Sport. Aktuell haben wir genau 673 Mitglieder und sind damit wohl weiterhin der zweitgrößte Verein im westfälischen Verband.Gab es bei Ihnen Einschränkungen im Trainingsbereich? Wir durften den Sportbetrieb aufrecht erhalten, weil das Kümmern um die Pferde als System relevant eingestuft ist, die Pferde mussten ja auch bewegt werden. Es gab also keine extremen Einschränkungen, lediglich der Reitunterricht fiel aus und auch die Voltigierer waren zum Teil von der Situation betroffen.Im vergangenen Jahr sind alle geplanten Veranstaltungen des Vereins ausgefallen. Wie sieht es da jetzt aus? Wir wollen 2022 ein ganz normales Programm anbieten. Das geht schon vom 11. bis 13. Februar mit dem Nachwuchs-Springturnier an der Planckstraße los, dann folgen vom 1. bis 3. April und vom 16. bis 18. April jeweils Late Entrys auf dem Hof meines Bruders Wolfgang und bei Meyer zu Hartum. Vom 9. bis 12. Juni haben wir die Pferdesporttage mit einem Jubiläumsturnier und Festakt zum 100-jährigen Vereinsbestehen auf dem Hof Meyer zu Hartum geplant, am 2./3. Juli soll es auf dem Hof Meyer zu Bexten ein Fahrturnier geben. Zwei Voltiturniere vom 6. bis 8. Mai und vom 1. bis 3. Oktober sowie der Gala-Abend des Pferdes am 26. November runden das Programm ab – wenn denn alles so klappt wie wir uns das vorstellen."Das waren sogar extreme Einnahme-Verluste" Durch die abgesagten Veranstaltungen des Vorjahres entgingen dem Verein natürlich auch Einnahmen. Wie ist die finanzielle Situation jetzt? Ja, das waren sogar extreme Einnahme-Verluste. Wenn das in 2022 genau so passieren würde, stünde der Verein am Abgrund.Und wie sieht es mit geplanten Investitionen aus? Wir haben ja schon Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der Reithalle an der Planckstraße installiert, inzwischen läuft die Anlage auch. Zur Zeit sanieren wir die Sanitäranlagen, außerdem gibt es schon einen neuen Hallenboden und eine neue Beleuchtung. Für den laufenden Betrieb brauchen wir aber ein normales Jahr 2022.Die Zahl der beantragten Reitsportausweise ging zuletzt in Westfalen stark zurück, damit fehlen diese Reiter bei Turnieren. Wie groß ist das Problem? Tatsächlich starten viel mehr Profis und weniger Amateure bei den Turnieren als vor der Pandemie. Besonders betroffen davon sind die regionalen, mittleren und kleineren Veranstaltungen. Allerdings gab es zuletzt ja auch weniger Turniere, deswegen sind die Starterzahlen gar nicht weniger geworden. Die Zahl der Nachwuchssportler in unseren Vereinen lässt mich optimistisch sein, dass die Zahl der beantragten Reitsportausweise auch wieder steigen wird. Tatsache ist aber, dass die Turniere sowohl für die Veranstalter als auch für die Sportler teurer geworden sind.Wie sieht es eigentlich bei Ihnen persönlich aus, Sie waren vor den Einschränkungen ja sehr erfolgreich bei der Turnierserie des Amateur-Springreiterclubs Deutschland unterwegs und haben das Finale in der Vergangenheit auch schon sieben Mal gewonnen. Ich habe im vergangenen Jahr zwei Turniere in Riesenbeck und eins in Steinhagen bestritten. Beim Finale der Serie des Amateur-Springreiterclubs war ich nicht dabei, obwohl ich wegen einer kleinen Starterzahl hätte reiten können. Aber kurz vor dem Finale wurde mein Pferd krank. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr wieder mehr werde reiten können, zumal unser Klub sein 25-jähriges Bestehen feiert. Ich plane, Anfang April mit meinen drei Pferden wieder in den Turniersport einzusteigen.Extrem erfolgreich war ja vor der Pandemie Ihr Neffe Markus, der sogar von einer Olympia-Teilnahme träumen durfte. Wie groß ist Ihr Mitgefühl für ihn? Es tut mir unheimlich leid, wie es für Markus gelaufen ist – er war auf einem so guten Weg und international erfolgreich. Er hat zwei gute Pferde und wurde erst durch die Pandemie, dann durch Verletzungen ausgebremst. Es ist bitter, dass er sich nicht so präsentieren kann wie das eigenlich möglich wäre.Zum Abschluss gibt es noch ein ebenso aktuelles wie sicherlich unangenehmes Thema für Sie. Wir müssen über den &bdquo;Fall Ludger Beerbaum“ sprechen. Das hatte ich befürchtet. Was da im Fernsehen zu sehen war, ist eindeutig verbotenes Barren und damit Tierschutz relevant. Alle, die so etwas machen, gehören bestraft, wobei ich allerdings keine Schuldzuweisungen an konkrete Personen richten kann und will – das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Diese schwarzen Schafe konterkarieren auf jeden Fall unseren Reitsport. Nie zuvor in der Vergangenheit wurde so viel in Aufzucht, Betreuung und Training investiert, um die Pferde auf ihre Aufgaben – auch im Leistungssport – vorzubereiten. Es gab noch nie so viel Sorgfalt dem Tier gegenüber wie jetzt. Und so sollte es auch weiterhin sein.Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft des Reitsports aus? Wir wollen Kinder und Jugendliche zu unserem Sport bringen. Die charakterliche Ausbildung des Nachwuchses mit Pferden ist ein fantastischer Faktor zur Persönlichkeitsbildung, weil Verantwortung für das Tier übernommen werden muss, das wiederum emotional reagiert. Und ich gehe davon aus, dass sich auch künftig viele junge Menschen diesen Aufgaben stellen werden. Zur Person: Klaus Brinkmann Klaus Brinkmann ist 69 Jahre alt, zweifacher Vater und seit kurzem dreifacher Großvater. Der Herforder Unternehmer, geschäftsführender Gesellschafter der Bugatti Holding Brinkmann, ist seit 2013 Vorsitzender des RV &bdquo;von Lützow“ Herford und war in den Jahren von 1987 bis 2013 schon 2. Vorsitzender des Vereins. Er ist außerdem Vorsitzender des Amateur-Springreiterclubs Deutschland.

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