
Paderborn. Ganz plötzlich rückt er ins Rampenlicht. Noch vor zwei Tagen war Phillip Tietz nicht unbedingt ein Kandidat für die Startelf. Jetzt steht er im Heimspiel des SC Paderborn gegen die Sportfreunde Lotte (Samstag, 14 Uhr, Benteler-Arena) in der Anfangsformation. Nachdem der Wechsel von Dennis Srbeny zu Norwich City am Donnerstag perfekt war, gab Cheftrainer Steffen Baumgart diese Personalentscheidung während der obligatorischen Pressekonferenz umgehend bekannt.
Noch bevor ihm sein Coach die frohe Botschaft persönlich überbrachte, erhielt der Winter-Neuzugang einen Anruf von seiner Mutter aus Braunschweig, die das Mediengespräch via Internet verfolgt hatte. Natürlich sei die Freude groß gewesen, sagt der Angreifer, "normalerweise mache ich mir ja vorher keinen Kopf, ob ich von Anfang an spiele". Nach dem Wechsel des noch amtierenden Drittliga-Topscorers tritt Phillip Tietz jetzt ein reiches Erbe an. Es gibt sicherlich dankbarere Aufgaben für ein 20-jähriges Talent, das allerdings mit dem nötigen Selbstvertrauen ausgestattet ist. "Dennis ist ein überragender Stürmer, der sich den neuen Weg auch redlich verdient hat", sagt der Ex-Braunschweiger, "aber jetzt muss ich halt das Beste aus der Situation machen".
Angesichts der Grundvoraussetzungen ist Tietz durchaus ein mit dem Vorgänger (neun Saisontore, elf Assists) vergleichbarer Stürmertyp. Für Eintrachts U19 hat er beispielsweise in 36 Bundesligaspielen neun Tore erzielt und ebenso viele vorbereitet. Auch aus den 39 Regionalliga-Einsätzen für Braunschweig II hat er mit 15 Treffern und sieben Assists eine mannschaftsdienliche Bilanz vorzuweisen.
Das sind Werte, die beim SC Paderborn bereits im vergangenen Sommer entsprechende Begehrlichkeiten geweckt hatten. Nach "guten Gesprächen" mit dem SCP habe ihn Eintracht-Manager Marc Arnold dann aber doch nicht ziehen lassen wollen, erklärt Phillip Tietz, der bei den Niedersachsen mit 18 Jahren seinen ersten Profivertrag unterschrieb und am 18. März 2016 im Spiel gegen Union Berlin (1:3) seinen ersten und bislang einzigen Zweitliga-Treffer erzielte.
Als jüngster Braunschweiger Profi-Torschütze hatte er sich damit zugleich in den sportlichen Geschichtsbüchern seiner Geburtsstadt verewigt. Dort zählt übrigens auch sein ehemaliger Nachbar Thorsten Lieberknecht zu den Entdeckern und Förderern. Der Eintracht-Coach habe ihn im jugendlichen Alter mal auf der Straße kicken sehen, erinnert sich Tietz. Zu diesem Zeitpunkt habe er allerdings schon in der U16 des Vereins gekickt. "Herr Lieberknecht hat mich beobachtet und wir haben uns anschließend unterhalten", sagt der neue SCP-Angreifer.
Dass dieser persönliche Kontakt beim Anschieben seiner Karriere im Nachhinein vielleicht wenig hilfreich war, will er nicht ganz ausschließen. Trotz der tiefen Braunschweiger Wurzeln ist der zweifache U20-Nationalspieler im zweiten Versuch dann aber dennoch bei den Ostwestfalen in der 3. Liga gelandet. "Dort wurde mir sehr viel Sympathie entgegengebracht", berichtet Tietz. Während der Zweitliga-Hinrunde der laufenden Saison kam er in zwei Partien jeweils nur zu einem Kurzeinsatz und nach insgesamt 13 Zweitligaspielen für die Eintracht wählte er schließlich den Wechsel nach Paderborn "als neue Herausforderung".
Heimweh hat er schon längst nicht mehr, weil beim SCP "einfach Luxus-Bedingungen herrschen und ich mich auch hier schon wie zu Hause fühle", sagt Phillip Tietz, der nach der Mittleren Reife bis zum Start der Profikarriere zunächst "mit sehr viel Spaß" ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Kindergarten absolviert hatte. Außergewöhnliche Sympathien für einen der großen deutschen Vereine sucht man bei ihm allerdings vergeblich. "Ich bin Fan von Arsenal London und Atlético Madrid", verrät der Angreifer. Warum nicht Real? "Atlético ist wie Paderborn", begründet Phillip Tietz, "die kämpfen".