Bünde. Nur vier Jahre nach dem "Wunder von Bern" hatte Kurt Zentner das Fußballtraining beim SV Ennigloh 09, einem der Vorgängervereine des Bünder SV, übernommen. Der Klub spielte in der Bezirksliga und trug seine Heimspiele im seinerzeit nagelneuen und dementsprechend schmucken Ennigloher Dustholz-Stadion aus, das später in Erich-Martens-Stadion umbenannt wurde und heute marode ist. Es sollte der Beginn einer schier unglaublichen Erfolgsgeschichte sein.
Der Fußball in den 1950er Jahren hatte einen ganz besonderen Stellenwert. Die "Herberger-Elf", die 1954 in Bern mit ihrem genialen Mannschaftskapitän Fritz Walter Weltmeister geworden war, steht in Deutschland bis heute für ein lange nicht gekanntes Glücksgefühl. Viele sagen, dass der Tag des Titelgewinns am 4. Juli im Wankdorfstadion zu Bern die wahre Geburtsstunde der jungen Bundesrepublik war. Die Schrecken des Krieges waren noch allgegenwärtig. Geld spielte im Fußball noch keine Rolle. Die Namen von Fritz Walter, Toni Turek oder Helmut Rahn sind selbst jungen Fußballfreunden heute noch ein Begriff. In dieser Zeit trug sich in Ennigloh gar Wundersames zu.

Als Stopper bei Arminia Bielefeld einen Namen gemacht
Der alte Sportplatz "Am Schützenhof" diente den Fußballern des SV Ennigloh 09 als Trainingsplatz. Das Gelände befand sich etwa dort, wo sich heute das Autohaus Mattern und die McDonalds-Filiale angesiedelt haben. Kurt Zentner hatte sich zuvor bei Arminia Bielefeld als Stopper einen mehr als guten Namen gemacht. Kurz vor seinem Wechsel nach Ennigloh hatte der SVE 1957 die 1. Mannschaft von Arminia Bielefeld im DFB-Pokal mit 5:0 geschlagen. Kurt Zentner war von kleiner, fast zierlicher Statur. "Trotzdem hat er jeden Kopfball gekriegt", erinnert sich dessen damaliger Mitspieler Erwin Schmidt (84) aus Börninghausen heute. Zentner formte innerhalb von zwei Jahren eine junge hungrige Mannschaft, deren Krönung 1959 die Meisterschaft in der Bezirksliga und der Landesliga-Aufstieg war. Genau 60 Jahre ist das in diesen Tagen nun her.

Die "Zentner-Elf" nahm lokal für die Gemeinde Ennigloh und das Bünder Land in etwa einen ähnlichen Stellenwert ein wie die Weltmeister von 1954 in ganz Deutschland. Die Namen der damaligen SVE-Meisterspieler sind heute nicht gerade einfach zu ermitteln. Sicher ist, dass der entscheidende 2:1-Sieg am 10. Mai 1959 bei den FT Dützen gefeiert wurde. Karlfried Stuke hatte die Dützener Führung kurz vor der Pause ausgeglichen, Günter Skibba erzielte in der 70. Minute den gefeierten Siegtreffer. Schiedsrichter war der später bekannte Bielefelder Fußballfunktionär Egon Senf.
Die Aufstellung in Dützen lautete: Kurt Klüter, Theo Kuhlhoff, Fritz Pleitgen, Friedhelm Mailänder, Kurt Zentner, Klaus Rienhöfer, Karl-Heinz Hofbauer, Norbert Friedrichs, Karlfried Stuke, Günter Skibba, Günter Schiffner. Zum Kader gehörten: Erwin Schmidt, Fritz Möhlmann, Heiner Grobe und Walter Szepanski.
Werner "Fummel" Horst hat auf dem Tisch getanzt
Als das Meisterstück geschmiedet war, kannte der Jubel in Ennigloh keine Grenzen. "Unser Mäzen Werner ?Fummel? Horst hat auf dem Tisch getanzt", erinnert sich Meistertorwart Kurt Klüter lachend. Der damals 19-Jährige hatte Keeper Walter Szepanski (heute 87) aus dem Tor verdrängt. "Die Mannschaft bestand aus 15 gleichwertigen Spielern. Ein- und Auswechselungen gab es damals noch nicht. Viele sind leider schon verstorben", sagt Walter Szepanski.
Die junge "Zentner-Elf" war die erste Mannschaft aus dem Bünder Land überhaupt, die den Sprung in die Landesliga geschafft hatte. Bis zur Fusion zwischen dem SV Ennigloh 09 und der SG Bünde 08 zum Bünder SV 08/09 im Jahre 1973 wurde diese Liga 14 Jahre lang gehalten.
Die bekannteste Persönlichkeit dieser Mannschaft ist der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen, der seit vielen Jahren eine Freundschaft zum Bünder Geschäftsmann "Ferdi" Lange pflegt. Pleitgen war 1959 Brautführer von Teamkamerad Erwin Schmidt bei dessen Hochzeit mit seiner Gisela. "Das Meisterfoto hat Fritz geschossen. Deshalb ist er nicht mit auf dem Bild drauf. Statt dessen bis ich auf dem Foto, obwohl ich wegen einer Verletzung gar nicht gespielt habe", erzählt Erwin Schmidt, ein ehemalige Bankkaufmann, schmunzelnd.
Noch bis in die 1980er Jahre war die "Zentner-Elf" auf den Sportplätzen und Sportfesten in der Region als Traditionself ein gern gesehener Gast. Keine Frage: Diese Mannschaft ist zu einer heimischen Sportlegende geworden und für viele Sportsfreunde bis heute ein Stück Erinnerung an eine andere Zeit. Eine Zeit, in der Geld noch nicht den Fußball regierte.