Herford. Im Juli dieses Jahres zog Torhüterin Josephine Plehn in eine Fußball-Wohngemeinschaft des Herforder SV Borussia Friedenstal ein. Die 17-Jährige lebt dort gemeinsam mit Giustina Ronzetti (23) und Louisa Lagaris (20) in drei Zimmern. Eine Etage über dem Trio wohnen zudem die Teamkolleginnen Merza Julevic, Christabel Oduro und Isabelle Knipp.
Von 2008 bis 2015 trug Plehn das Trikot der Spvgg Berghofen aus Dortmund. Für ihren großen Traum vom Bundesligafußball zog sie nach Herford. "Seitdem hat sie sportlich einen Riesenschritt gemacht", beobachtete Mitbewohnerin Giustina Ronzetti. Die Stürmerin kam 2011 nach Herford und entwickelte sich zur absoluten Leistungsträgerin beim jetzigen Zweitligisten. Ronzetti schaffte den Sprung vom TuS Lemförde aus der Landes- bis in die 1. Bundesliga. Um nicht täglich die langen Fahrtwege auf sich nehmen zu müssen, zog die Offensivspielerin in die Wohngemeinschaft des Herforder SV. Anfangs teilte sie sich die Räume noch mit Physiotherapeutin Athina Tsiamitrou und der Kanadierin Kylla Sjöman, später zogen Lena Schulte und Lena Göllner ein. "Die Zeit mit Kylla war sehr lehrreich für mich. Sie sprach kaum deutsch, so habe ich mein Englisch perfektioniert", blickt Ronzetti gerne zurück.
»Ich muss nicht
viel sagen, das läuft
alles richtig gut«
Die 23-Jährige ist so etwas wie die Organisatorin der Wohngemeinschaft - "auch wenn Heidemarie Dopheide die Schlüssel verteilt hat und auch immer für uns da ist", wie Ronzetti berichtet. Die Stürmerin passt ein bisschen auf, dass in der Wohnung alles ordentlich ist und die Hausarbeiten erledigt werden. "Ich muss aber gar nicht viel sagen, das läuft alles richtig gut", lobt sie ihre Mitbewohnerinnen.
Auf dem kleinen Raum gibt es keine großen Partys. "Uns fehlt halt ein Wohnzimmer. Jede hat ihr Zimmer, und wenn etwas anliegt, treffen wir uns da", berichtet Plehn vom täglichen Leben. "Wir verstehen uns hier total gut", betont das "Küken" der WG. Abends fährt das Trio gemeinsam zum Training. Auch Ronzetti nimmt am Torwarttraining teil, das Plehn absolviert. "Meist übe ich den Torschuss", schmunzelt die schussgewaltige Torjägerin.
Plehn und Lagaris besuchen das Königin-Mathilde-Gymnasium, während Ronzetti sich auf den Fußball konzentriert. "Ich arbeite aber auch noch in der Geschäftsstelle des HSV und absolviere ein Fernstudium", erklärt sie - wobei der Fußball hörbar im Vordergrund steht. "Ich freue mich, wenn ich den anderen Tipps geben und ihnen helfen kann", erzählt sie.
Dabei hat ihr letztlich auch ein Kreuzbandriss geholfen, den sie im letzten Spiel der Zweitligasaison 2013/14 gegen den FSV Gütersloh erlitt und der für sie eine fünfmonatige sportliche Pause bedeutete. "Da habe ich immer von der 1. Liga geträumt - und dann so etwas!", war sie anfangs geschockt. Doch dann kämpfte sich Ronzetti eindrucksvoll zurück. "Ich wollte unbedingt 1. Liga spielen. Da habe ich jeden Tag viele Stunden in der Sport-Reha geschuftet, ich habe da praktisch gewohnt", berichtet sie von einer schweren Zeit.
Nach viereinhalb Monaten war sie zurück im Training, nach fünf Monaten spielte sie wieder, absolvierte zwölf Erstligapartien und schoss ein Tor. Mittlerweile trug sie in 99 Spielen das HSV-Trikot. "Mittlerweile bin ich froh, dass ich diese Verletzung hatte. Ich höre jetzt mehr auf meinen Körper als vorher und achte auf meine Gesundheit. Vorher habe ich das nicht so bewusst gemacht", blickt sie zurück.
Auch zum wöchentlichen Kraftprogramm in der SportReha fahren die drei Spielerinnen oft gemeinsam. "Wir haben unser Programm, das wir da absolvieren", erzählt Plehn, die oft mit Louisa Lagaris nach der Schule zum Extratraining fährt. Die Umstellung von Dortmund nach Herford hat sie gut verkraftet. "In Berghofen habe ich dreimal wöchentlich trainiert und in der U 17 gespielt, aber auch bei den Frauen mittrainiert, und auch da habe ich Einheiten mit dem Physio absolviert", berichtet sie.
»Ich habe meine Termine verschoben und Josi
zur Schule gefahren«
"Josi ist total bescheiden", beschreibt Ronzetti ihre Mitbewohnerin und erzählt dazu eine kleine Anekdote: "Louisa konnte sie nicht mit zur Schule nehmen, weil sie erst später los musste. Josi wollte dann mit dem Rad los, aber es hat in Strömen gegossen", erinnert sie sich. "Ich habe meine Termine verschoben und habe Josi dann zur Schule gefahren", erzählt Ronzetti. Für sie ist diese Hilfe selbstverständlich. "Wir passen auch auf, dass wir Josi immer fahren können. Sie muss nicht zu Fuß oder mit dem Rad los", stellt die HalbItalienerin ihre Hilfe zur Verfügung. So wird die junge Torhüterin jeweils am Freitag zum Bahnhof gebracht und am Samstag Abend oder Sonntag Vormittag wieder abgeholt.
"Ich bin am Wochenende oft zu Hause", berichtet Plehn. Zeit für Heimweh hat sie hier kaum: "Schule, Fußball, Führerschein, ich bin fast immer unterwegs", sagt sie. Und wenn nicht, guckt sie auch gerne Fußball im Fernsehen. "Gerne auch Frauenfußball", betont sie - auch wenn ihr Vorbild, Nadine Angerer, nicht mehr selbst spielt. "Ich mag ihre Art und auch die Art, wie sie spielt", sagt Plehn über die frühere deutsche Nationaltorhüterin. Als Motivation hat sie sogar einen Torwarthandschuh mit Autogramm von Angerer.
»Carina kann in Kaiserau nicht waschen, also übernehme ich das«
Dabei setzt Plehn nicht alles auf die Karte Fußball: "Ich möchte Polizistin werden", hat sie klare Berufsvorstellungen. Bis es so weit ist, genießt die junge Torhüterin die Schulzeit und die Fußballlehre in Herford. "Mit Carina Schlüter verstehe ich mich richtig gut", schildert sie den Kontakt zur Herforder Stamm-Torhüterin. Sie hat sich mit der Ersatzrolle abgefunden und schaut Schlüter genau zu. "Wir sind gut befreundet und bei Auswärtsspielen immer zusammen in einem Zimmer", erzählt der BVB-Fan. "Wir diskutieren oft über Fußball, ich kann sie immer fragen", bedankt sich die junge Torhüterin gerne. "Carina ist nicht nur eine gute Torhüterin, sie ist auch ein super Mensch", sagt Plehn über ihre Konkurrentin zwischen den Herforder Pfosten.
Weil Schlüter im Fußballinternat in Kaiserau lebt, lernt und trainiert, hilft Plehn ihr bei der Wäsche. "Carina kann in Kaiserau kaum waschen, also übernehme ich das hier", hilft die junge Torhüterin praktisch weiter. Über die Weihnachtstage ist die Herforder WG allerdings leer, weil alle Spielerinnen daheim bei ihren Familien sind.