Bielefeld. 3. März 2007. Es laufen die letzten Minuten des Heimspiels gegen Verfolger Südpark Bochum. Der Gast hat soeben die lange, so sicher wie die Auftritte der gesamten Regionalliga-Saison wirkende TSVE-Führung auf 87:85 für sich gedreht. Ilijas Masnic, Trainer des TSVE-Teams, das als „Dolphins“ antritt, macht sich Gedanken, ob er noch taktisch eingreifen soll. „Doch in dem Moment habe ich auf meine Spieler vertraut“, sagt Masnic mehr als ein Dutzend Jahre später: „Ich habe gespürt, dass wir dieses Spiel gewinnen werden.“ Der TSVE siegt 99:91 und hat drei Spieltage vor Ende der Saison 2006/07 sechs Punkte Vorsprung auf die Zweitplatzierten Bochumer. „Auch wenn es rechnerisch noch nicht perfekt war, brachen die Emotionen durch“, erzählt der heute 63-jährige Masnic.
Gefeiert wurde der größte Erfolg nämlich trotz eines minimalen Restrisikos „volle Lotte“ und bis zum Morgengrauen. Erst mit den Fans und mit Sekt, über dessen Reinigung der Masnic gut bekannte Hallenwart in der Carl-Severing-Sporthalle noch heute mit einigem Schaudern denke. Danach mit einer legendären Partynacht im Café Europa, wo Anwohner Ilijas Masnic mit seinen TSVE-Seriensiegern quasi Hausrecht besaß.
Bielefeld als Zweitliga-Gründungsmitglied
Eine Woche später war der Aufstieg dann auch formal besiegelt, seit dem folgenden Spätsommer 2007 darf sich der TSVE 1890 Bielefeld Gründungsmitglied der damals neuen zweiten Liga im Basketball nennen. Neben den fünf Jahren der Lady Dolphins am Stück in der 2. Bundesliga ist dies der größte sportliche Erfolg eines Bielefelder Basketballteams.

Der Weg in die Zweitklassigkeit trug damals maßgeblich die Handschrift von Headcoach Ilijas Masnic: „Dieser Aufstieg in die damals neu geschaffene Pro B war mein emotionalster Moment im Bielefelder Sport“, stellt der ehemalige bosnische Nationalspieler mit bewegter Lebensgeschichte (siehe Zweittext) heute klar.
"Wir sind damals als David gestartet"
Eine einzigartige Saison sei diese 1.-Regionalliga-Spielzeit 06/07 gewesen, in welcher der TSVE in souveräner Manier den Meistertitel nach Bielefeld brachte. Am Ende standen 22 Siegen lediglich vier Niederlagen gegenüber. Masnic sagt im Rückblick: „Wir hatten damals große Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet und sind als David in die Spielzeit gestartet.“ Es lief allerdings vieles gleich von Beginn der Serie zusammen, und so stemmte sich der TSVE nicht nur erfolgreich gegen die Übermacht aus dem Westen, sondern dominierte die Liga über weite Strecken. Masnic: „Wir hatten in der Saison eine sehr gute Mischung an Charakteren in unserer Mannschaft, das war der Schlüssel zur Meisterschaft.“
Eine vergleichbare Teamchemie habe er in seiner langen Basketball-Karriere als Aktiver und Trainer selten erlebt. Regisseur der Truppe war der spätere TSVE-Coach und heutige Herforder David Bunts. Dem US-Amerikaner zur Seite standen Nordin Chaddadi, Emre Atsür (die erste volle Saison des heutigen TSVE-Abteilungsleiters in Bielefeld), Mario Rondas und Center Jordan Sabourin. Diese „Starting Five“ harmonierte prächtig und wuchs als Team kontinuierlich zusammen.
"600, 700 Zuschauer haben ordentlich Lärm gemacht"
„600, 700 Zuschauer in der Spitze in der Carl-Severing-Halle haben damals ordentlich Lärm gemacht“, erinnert sich Masnic an goldene Zeiten des heimischen Basketballs. Auch mit dabei als personifizierter Masnic-Glücksbringer: sein damals siebenjähriger Sohn Neil. Im zu Ende gehenden Jahr 2020 blickt der in Bielefeld längst heimisch gewordene Bosnier Ilijas Masnic wehmütig zurück. Denn damals sei von verschiedenen Seiten eine Chance verpasst worden, den Basketball in Bielefeld zu etablieren: „Ich glaube, es wäre ein ähnlicher Schub wie Ende der 90-er mit der TSG Altenhagen-Heepen im Handball möglich gewesen.“ Dabei denkt Masnic auch an Spiele in der Seidensticker-Halle mit einer Infrastruktur für höherklassigen Basketball. Doch der TSVE stieß nach dem Aufstieg an (finanzielle) Grenzen: der kanadische Center Sabourin, mit seinen 2,13 Metern ein entscheidender Faktor für den Aufstieg, verließ den TSVE direkt vor Saisonbeginn in Richtung Bremen.
"Wir haben uns danach verschlechtert"
Ilijas Masnic erklärt: „Gleichwertigen Ersatz gab es kurzfristig nicht, wir haben uns damals personell verschlechtert.“ Außerdem konnte Shooter Nordin Chaddadi kaum noch trainieren. Grund: er fing einen Job in der Spätschicht bei der Post an. „Ich habe ihn damals teilweise Freitagabend von der Arbeit abgeholt, damit er wenigstens zur Abschlussbesprechung bei der Mannschaft sein konnte“, zeigt Masnic die Umstände des Abenteuers Zweite Liga auf. Da hatte die Konkurrenz mit damaligen Talenten wie Elias Harris (Speyer) und Karsten Tadda (Breitengüßbach) – heutige BBL-Stars – ganz andere Möglichkeiten. Der TSVE trennte sich im Januar von Ilijas Masnic, weil der Verein mit einem neuen Impuls versuchen wollte, in der Pro B den Klassenerhalt zu schaffen. Zu vier Hinrunden-Siegen kamen jedoch nur noch zwei weitere hinzu – der Wiederabstieg. Der erfahrene Coach kehrte aber Jahre später zu den Dolphins zurück, ist dem Verein heute freundschaftlich verbunden. Masnic meint: „Ich bin dankbar, was ich damals mit dem TSVE erleben durfte. Die positive Stimmung in unserer Mannschaft, im Verein und dem Umfeld bleibt unvergesslich.“
Auch wenn es bei dem einen Jahr in der zweiten Liga blieb und die Dolphins zwischenzeitlich bis in die Oberliga zurückfielen – der breitensportorientierte TSVE steht für immer in der Liste der Gründungsmitglieder der damals eingleisigen zweiten deutschen Profiliga Pro B.
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