Bünde. Noch zweimal wird Andrea Nobbe beim Frauenhandball-Oberligisten TV Lenzinghausen auf der Trainerbank sitzen, dann ist Schluss. Als Spielerin, Spielertrainerin und Trainerin war die seit einigen Jahren in Bünde beheimatete gebürtige Ungarin insgesamt 35 Jahre mit dem Handball verbunden, und sie hat in dieser langen Zeit viel erreicht.
Gerade 13-jährig sah Andrea Kenessey erstmals einem Handballspiel zu. In Budapest beim renommierten Verein Vasas, wo ihr Onkel das Tor hütete. "Die Mannschaften spielten in blau und gelb. Das schnelle Farbenspiel hatte mich geradezu verzaubert". Andrea Nobbes Augen leuchten noch heute angesichts dieser Erinnerungen. Natürlich ging das Mädchen aus einem kleinen ungarischen Dorf, als es an ein Budapester Gymnasium wechselte, zu Vasas. Zwei Jahre nach ihrem Schlüsselerlebnis wurde die junge Kenessey Handballspielerin. Drei Jahre darauf, ab 1980, spielte sie bereits in der ersten ungarischen Liga und auch im Europapokal mit Vasas Budapest, unter anderem gegen das deutsche Spitzenteam von Bayer Leverkusen. Dessen Trainer Uli Weiler holte die talentierte Spielmacherin 1988 nach Deutschland zu Bayer.
"Die erste Zeit als Profi war hart, weil ich keinen Sprachkurs belegen konnte." Da war für Andrea Kenessey schon das Einkaufen eine Tortur. Das Handballtalent der Ungarin blieb dem damaligen Frauenhandball-Bundestrainer nicht verborgen, weil der ja kein geringerer war als ihr Vereinstrainer Weiler. Fix wurde Kenessey eingebürgert und Mitglied der Nationalmannschaft. "Immer wenn ein Sprachkurs begann, musste ich zu Lehrgängen." Das deutsche Fernsehen, speziell die Werbesendungen, brachten der jungen Ungarin die heimische Sprache zunächst etwas näher. 30 Mal spielte Kenessey international für die Bundesrepublik, wurde 1988 in Dänemark B-Weltmeisterin und 1989 in Seoul bei der A-Weltmeisterschaft Vierte mit der Nationalmannschaft. Mit Bayer Leverkusen erreichte Kenessey die Vize-Europameisterschaft. "Jedes Mal, wenn ich vor den großen Spielen die Hymne hörte, erinnerte ich mich an eines meiner früheren Gebete. Hier ging der Jugendtraum in Erfüllung".
Das Leben als Handball-Profi war langweilig. Andrea Kenessey suchte nach einer weiteren Aufgabe und fand sie in der Sportphysiotherapie. Um eine entsprechende Ausbildung zu starten, wechselte sie 1991 zu Eintracht Minden, ebenfalls in der Bundesliga beheimatet. Der Verein vermittelte ihr eine Ausbildungsstelle in der Weserlandklinik Bad Seebruch. Ihr dortiger Ausbildungsleiter Thorsten Nobbe behandelte nicht nur eine schwere Schulterverletzung der Handballerin, sondern wurde auch ihr dauerhafter Integrationsbeauftragter. Ende 1992 heirateten die beiden. Tochter Dora wurde 1994 geboren. Andrea Nobbe spielte von 1993 bis 1994 und nach der Babypause bis 1996 beim Regionalligisten TV Stemmer. Anfang 1997 wurde der Kontakt zum TV Lenzinghausen hergestellt. Im Mai 1997 erfolgte der Handschlag-Vertrag mit Lenzinghausens Frauenspielwart Berthold Vilbrandt. Andrea Nobbe wurde Spielertrainerin beim damaligen Verbandsligisten TV Lenzinghausen. Nach der Geburt des dritten Kindes David (nach Patrick 1996) im Jahr 2000 trat Andrea Nobbe nur noch als Trainerin in Erscheinung, und das bis heute im Mai 2011.
In den 14 Jahren beim TV Lenzinghausen hat sie viel erreicht. Gleich im ersten Jahr erfolgte der Aufstieg in die Oberliga. Ein Jahr später spielte der TVL bereits in der Regionalliga-West und belegte dort einen guten sechsten Platz. Dann folgte der Wechsel in die Regionalliga-Nord und der Abstieg in die Oberliga Westfalen. Von 2001 bis 2011 waren Andrea Nobbe und ihr TV Lenzinghausen ständiges Mitglied der höchsten westfälischen Handball-Liga, immer unter den ersten vier Teams zu finden. Im Jahr 2009 folgte sogar die zweite Oberliga-Meisterschaft. Der Aufstieg in die Regionalliga wurde jedoch nicht wahr genommen.
"Mein berufliches Engagement als Physiotherapeutin lässt nun eine weitere Trainerzeit nicht mehr zu. Außerdem spielen meine Kinder erfolgreich Tennis im Verein und bei Meisterschaften. Auch das verlangt viel Zeit von mir, vor allem für die Logistik." Ob sie denn nicht ein wenig traurig sei, dass nicht eines ihrer drei Kinder sich tiefer gehend für den Handball-Sport interessiere? "Ich habe immer intensiv trainiert und engagiert gespielt und dabei erfahren, wie ein gutes Maß Leistungssport persönlichkeitsbildend ist", sagt die Sportlerin Andrea Nobbe. "Und das leben meine Kinder in einer anderen Sportart nach. Ihr Talent hat sie dem Tennissport zugeführt, den sie neben der Schule intensiv betreiben. Das ist gut so." Jetzt heißt es für Andrea Nobbe, Abschied nehmen vom TV Lenzinghausen, wo für sie das Arbeiten "immer angenehm" war, und nach 35 Jahren den Handball endgültig an die Seite zu legen.