Verl. Lena Lückel kennt keine Nerven. Eiskalt verwandelte die Fußballerin des FSV Gütersloh am Freitag im Elfmeterschießen den letzten Versuch zum 5:4 gegen Frankreich – Deutschland war U17-Europameister. So ganz geheuer war der Innenverteidigerin die große Verantwortung wohl nicht, wie sie im Nachhinein gestand: "Als die Schützinnen eingeteilt wurden, habe ich sofort gesagt Ich schieße den letzten und gehofft, dass ich nicht mehr drankomme."
"Bis ich diesen Erfolg realisiert habe, wird es noch etwas dauern", erklärt die zweikampfstarke 16-Jährige. Denn als sie am Samstag zu Hause in Bad Berleburg ankam, ging der Trubel erst richtig los. Familie, Nachbarn und Freunde, die das von Eurosport live übertragene Finale am Fernsehen verfolgt hatten, kamen zum Gratulieren.
Auch in Gütersloh wurde gefeiert. "Das ist ein dickes Ding, das Lena da rausgehauen hat", freut sich Michael Horstkötter. Für den FSV-Geschäftsführer strahlt dieser Erfolg auch auf den Bundesligaaufsteiger aus. "Eine aktuelle Europameisterin, gibt uns noch einmal einen Kick und zeigt, dass wir gute Nachwuchsarbeit betreiben und Talente herausbringen können."
Allein hat der FSV die Ausbildung von Lena Lückel indes nicht gestemmt. Die Fußballerin lebt im Mädchen-Internat des westfälischen Verbandes in Kaiserau. Zum Training reist die Schülerin des Städtischen Gymnasium in Kamen per Zug nach Gütersloh. Am Wochenende versucht sie "so oft wie möglich" zu Hause zu sein. "Doch auch an diesen Aufwand gewöhnt man sich", macht sie kein Aufhebens um diese Belastung.
Die Leistungen in der Schule stimmen trotzdem. "Der Versetzung in die 12. Klasse steht jedenfalls nichts im Wege", freut sich Lückel auf Freitag, wenn es Ferien gibt: "Erstmal zwei Wochen Toskana, super." Neben dem Fußball hat sie auch die Schullaufbahn fest im Blick: "Ich will unbedingt Abitur machen."
Bei der zweiwöchigen Vorbereitung auf die EM in der Schweiz unterstützte der DFB die Spielerinnen, indem er einen Lehrer mitschickte. "Morgens hatten wir Unterricht, außerdem hatten wir aus der Schule Aufgaben mitgebracht", erzählt Lückel von der Trainingslager-Doppelschicht in Kaiserau und Barsinghausen. In der Summe sei das anstrengend gewesen, denn Bundestrainerin Anouschka Bernhard hätte ihr Team hart gefordert. "Bei der Nationalmannschaft wird ganz anders trainiert als im Verein: "Wieder und wieder Mittelfeldpressing und Angriffspressing zur Einstellung auf den Gegner."
Nach den Erfolgen in der EM-Vorrunde im April über Tschechien (2:0), Serbien (4:0) und Spanien (3:0) qualifizierten sich die deutschen Mädchen in Nyon mit dem 2:0 im Halbfinale gegen Dänemark bereits für die Weltmeisterschaft, die im Herbst in Aserbeidschan stattfindet. "Ich bin schon so viel gereist, da steht der Fußball bei so einem Ereignis absolut im Focus", verschwendet Lückel keinen Gedanken an ein attraktiveres Ausrichterland für den nächsten Höhepunkt in ihrer Laufbahn.
Ehe sie von WM-Erfolgen zu träumen beginnt, will die Abwehrspielerin, die beim FSV mit den B-Juniorinnen Regionalligameisterin wurde und zu sechs Einsätzen in der 2.Liga der Frauen kam, im Verein Karriere machen. "Ich möchte mir einen Stammplatz im Bundesligateam erarbeiten", kündigt sie mit dem Selbstbewusstsein an, das sie auch auf dem Platz auszeichnet. "Ich traue ich mir das zu, obwohl bei den Frauen ganz anders gespielt wird als in der Jugend, obwohl das Niveau da auch hoch ist." Dass der FSV nicht nur eine Saison in der 1. Liga spielt, steht für Lückel ohnehin fest: "Wir bleiben drin."