Gütersloh. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen: Übergewichtige Kinder fühlen sich beim Sport zumeist unwohl. Sei es, weil sie nicht mithalten können oder sich einfach ihrer Pfunde schämen. Dabei täte ihnen gerade Bewegung gut, um ihren Körper in Form zu bringen. Hier setzt ein Projekt des Gütersloher TV an. Unter dem Motto "Schwer mobil" treffen sich übergewichtige Jungen und Mädchen zum Sport. Und da sie unter sich sind, müssen sie keine Hänseleien befürchten.
"Ziel ist es, die Kinder überhaupt in Bewegung zu bringen", erklärt Annette Dankow, die den Kurs gemeinsam mit ihrer Tochter Corinna Descher leitet. Beide haben beim Westfälischen Turnerbund einen Lehrgang absolviert und kennen die speziellen Bedürfnisse übergewichtiger Heranwachsender. Der Schwerpunkt liegt im Präventionsbereich. "Im Grunde machen wir Gesundheitstraining", sagt Dankow. Entsprechend finanzieren die Krankenkassen die Teilnahme an dem Kurs.
Zehn Kinder gehören zu der Gruppe – neun Jungen und ein Mädchen. Im Schnitt schleppt jeder 20 Kilogramm zu viel Gewicht mit sich rum. Sieben bis vierzehn Jahre sind sie alt, trotz der weiten Spanne "harmonieren alle prächtig", so Dankow.
Seit fünf Jahren leitet sie den Kurs beim GTV, am Mittwoch erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch: Erstmals waren alle gemeinsam im Schwimmbad. Ein idealer Ort, weil Wasser unabhängig vom Körpergewicht ein Gefühl der Schwerelosigkeit vermittelt. "Hier können sich Übergewichtige sehr gut bewegen", sagt Dankow. Möglich gemacht hat es die Gütersloher "Welle". Nach Rücksprache mit dem Ausbildungsleiter Marko Rempe gewährte das Bad nicht nur vergünstigten Eintritt. Im Nichtschwimmerbereich konnte die Gruppe unter Anleitung der Auszubildenen Ramona Dankow auch nach Herzenslust toben. Ob Wasserball, Schwimmübungen im T-Shirt oder andere lustige Spiele – Annette Dankow beobachtete eine große Begeisterung: "Alle haben gleich gefragt, wann wir das nächste Mal gehen."
Nach Möglichkeit sollen die Kinder nun mit ihren Eltern den Weg ins Bad finden. "Es muss bei ihnen Klick machen", erhofft sich Dankow von dem Nachmittag eine nachhaltige Wirkung. Die mögliche Hemmschwelle, sich trotz der Pfunde nur in Badehose oder Badeanzug zu zeigen, sei schnell überwunden. "Wer erstmal da ist, hat keine Probleme mehr."
Zum normalen Wochenprogramm treffen sich die Kinder nächsten Mittwoch wieder in der Sporthalle der Grundschule Kattenstroth. Auch dort sollen sie Lust an der Bewegung bekommen, andere Erfahrungen als beim Schulsport machen, "wo für viele die Fünf vorprogrammiert ist." In Dankows Unterricht entfällt dieser Leistungsdruck, was den Jugendlichen ein ganz neues Gefühl vermittelt. Plötzlich fallen ihre Vorbehalte, sie spielen gerne Fußball, zeigen beim Judo ihre Geschicklichkeit. "Viele haben durchaus Talent", sagt Dankow, "es muss nur richtig gefördert werden."
Mit dem Kursende zu Beginn der Sommerferien verbindet die Übungsleiterin die Hoffnung, dass die Jungen und Mädchen weiter am Ball bleiben. Entweder bei der Fortsetzung im Herbst ("Viele bleiben zwei Jahre und länger bei uns") oder in einer "normalen" Trainingsgruppe. "Das ist natürlich das Erstrebenswerte", sagt Dankow. Bei "Schwer mobil" gibt sie den Kindern weitere Tipps, um den Schritt zu einer gewöhnlichen Sportart zu schaffen. Auch wenn sie die Gewichtsreduzierung nicht als Kernziel formuliert, so ist sie selbstverständlich erwünscht. Gemeinsame Kochabende helfen, auf gesunde Ernährung zu achten. Denn gerade hier registriert Dankow immer wieder ein hausgemachtes Defizit. "Manche Eltern empfangen ihre Kinder nach dem Sport gleich mit einer Tüte Chips, weil sie glauben, dass es gut ist." Ist es natürlich nicht. Ein weiterer Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.
Informationen zum Kurs "Schwer mobil" erteilt Annette Dankow unter der Telefonnummer 0 52 41 / 4 88 81.