
Detmold/Bielefeld. Von Tatjana Quest-Altrogge bis Hilde Aders, und gestern endlich auch Stephanie Strate – seit 1991 hält Rudi Ostermann auf der Promenade mit der schnellsten Frau des Hermannslaufes Schritt und legt ihr dabei kurz vor dem Zieltorbogen den begehrten Lorbeerkranz um den Hals. Dabei gerät der 69-Jährige nicht mal richtig aus der Puste, schließlich ist er immer noch gut im Training. Nur die 31,1 Kilometer bergab, bergauf durch den Teutoburger Wald – die schafft der passionierte Marathonläufer aus gesundheitlichen Gründen heute nicht mehr. Kein Grund, den Teutoklassiker nicht weiterhin für sich als Erlebnis zu gestalten.
Seitdem der TSVE 1890 Bielefeld die Ausrichtung des Hermannslaufes 1988 vom Bielefelder Skiclub übernahm, ist Rudi Ostermann mit der Organisation vertraut. Von der Kleiderbeutelausgabe über Startkartenausgabe und Sponsoren-Akquise bis zur hauptverantwortlichen Leitung – Rudi Ostermann kennt die Abläufe des Organisationsteams aus dem Effeff. Er steht der jungen Orgateam-Leitung mit Rat und Tat zur Seite, kann dabei aus einem prall gefüllten Erfahrungsschatz schöpfen. Für Orgateam-Chefin Almuth Stief ist „Rudi schon jetzt unser Orgateam-Ehrenmitglied. Er ist schon so lange dabei, jeder kennt ihn“. Für sein Ehrenamt erhielt er 2019 von der Stadt Bielefeld die Sportehrenplakette, 2021 die Silberne Verdienstnadel vom Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen.
Liebe zum Laufsport spät entdeckt
Seine Liebe zum Laufsport entdeckte Rudi Ostermann als Mittdreißiger vergleichsweise spät. Die Gründe waren pragmatischer Natur. „Die Hose ließ sich nicht mehr so leicht zuknöpfen“, erzählt der pensionierte Elektroingenieur schmunzelnd. Die ersten Schritte machte er allein vor der eigenen Haustür, bis ihn TSVE-Urgestein Hermann Wegener, früher Ostermanns Volleyballtrainer, 1985 in seine Laufgruppe aufnahm. Ostermann entwickelte ein Talent, bestand seine Feuertaufe beim Hermannslauf 1987 in beachtlichen 2:39 Stunden. Es war der Beginn einer innigen Freundschaft.
Den Hermann 18 Mal gelaufen
Anfangs ließen sich Sport und Organisation noch gut kombinieren. Den Hermann als Mitglied des Organisationsteams selbst laufen zu können, machte er zur Bedingung. Er übernahm die Kleiderbeutelausgabe und teilte sich die Verantwortung mit Linardt Oletzki, der mittlerweile nach Süddeutschland gezogen ist. „Derjenige, der die Kleider am Hermannsdenkmal in Empfang nahm, konnte anschließend zur Sparrenburg laufen und dort dann bei der Rückgabe noch mithelfen“, erinnert sich Ostermann. Das Privileg sollte im Jahresrhythmus wechseln, doch meinte es das Schicksal nicht gut mit Oletzki, war er doch oft dann verletzt, wenn er an der Reihe war. „So kam ich in den Jahren 1987 bis 1994 zu sechs Original-Hermannsläufen“, erzählt Ostermann amüsiert.
Noch zwölf Mal lief er die Strecke von Detmold nach Bielefeld im Vorlauf, die Organisation war wegen der steigenden Teilnehmerzahl einfach zu aufwendig geworden. Seine Bestzeit von 2:11:01 Stunden erreichte er 1991, im selben Jahr lief er um den Essener Baldeneysee in 2:54:00 Stunden seinen schnellsten je gelaufenen Marathon. Seine Leidenschaft fürs Laufen führte ihn unter anderen nach Hamburg, Berlin, Barcelona, Budapest und Venedig. In der romantischen Lagunenstadt lernte er seine Heike kennen. Dass Ostermann bereits, wie er selbst sagt, mit dem Hermann verheiratet war, stand der Hochzeit vor 21 Jahren nicht im Wege.
Heike Ostermann half am Sonntag bei der Ehrung der Sieger. Stephanie Strate ließ ihren Lorbeerkranz nicht aus den Augen, schließlich musste sie erst zwei Mal gewinnen, damit ihr die Ehre durch „Mr. Orgateam“ zuteil wurde. Coronabedingt waren die Gewinner beim Herbsthermann mit einem Zielband empfangen worden. „Rudi und ich sind befreundet, das war sehr schön“, sagt die 30-Jährige, die für den SV Brackwede startet, aber noch stilles Mitglied im TSVE ist. Auch Ostermann hat seinen Promenadenlauf genossen: „Ich bin sehr glücklich, dass ich zum 50. den Kranz noch einmal überreichen durfte“, schwärmt er. „Aber die Strecke dürfte nicht länger sein, „das Tempo, das Steffi da vorlegt, ist ganz schön hoch.“