
Bielefeld. Dirk van der Ven glänzt. Es ist die morgendliche Sonne, die auf seinen kahlen Kopf strahlt. Später beim Training wird der Schweiß in seine Augen rinnen. Unaufhaltsam. Denn da sind keine Augenbrauen, die das salzige Wasser stoppen könnten. Vor 13 Jahren verlor der frühere Arminia-Spieler innerhalb von sechs Wochen alle seine Haare. Und noch immer steht er vor einem Rätsel.
Es war irgendwann Ende 1998, Dirk van der Ven spielte damals mit dem KFC Uerdingen in der Zweiten Liga, als er die runde, kahle Stelle auf seinem Kopf im Spiegel entdeckte. "Kreisrunder Haarausfall, dachte ich", erinnert sich Van der Ven. Der Kreis wurde größer. "Wochen später hatte ich ganze Haarbüschel in der Hand." Van der Ven verlor seine komplette Körperbehaarung. "Als Letztes fielen mir die Augenbrauen und Wimpern aus."
Eine Odyssee begann. Van der Ven ließ sich deutschlandweit von Ärzten untersuchen. Alopecia universalis nannten es die Ärzte – Haarausfall am ganzen Körper. Die Ursache kennt er bis heute nicht. "Ein Arzt schob den Haarausfall auf Stress", sagt er. "Ich konnte mir das alles nicht erklären." Er ging zu Heilpraktikern. "Ich habe sogar einem Wunderheiler aus Salzburg 1.000 Mark auf den Tisch gelegt."
Das Abfinden mit dem Schicksal
Helfen konnte ihm keiner. Ein Kampf. Damals hätte er jemanden gebraucht, der ihn zur Seite genommen hätte, mit ihm darüber gesprochen hätte. Mentale Arbeit nennt er das. Sich selbst Hilfe bei einem Psychologen zu holen war für ihn undenkbar. "Damals durften Fußballspieler keine Schwäche zeigen, die Leute haben von mir erwartet, dass ich stark bin."Aber er litt. "Es gab solche und solche Tage." Erst als er ein Jahr später an Diabetes erkrankte, fand er sich langsam mit seinem Schicksal ab. Van der Ven: "Da habe ich gesehen, dass es noch Schlimmeres gibt."
- Alopecia totalis ist eine fortschreitende Form des kreisrunden Haarausfalls, auch Alopecia areata genannt, bei der es zu einem totalen Verlust der Kopfhaare kommt.
- Die genaue Ursache ist unbekannt. Es wird vermutet, dass sich körpereigene Abwehrzellen gegen die eigenen Haarwurzeln richten und eine Entzündung auslösen.
Sein Selbstbewusstsein zog Van der Ven aus seinem Status als Leistungssportler. Die Fans konnten sich mit ihm identifizieren, er war ein Typ. Die Glatze hatte Wiedererkennungswert. Zu Hoch-Zeiten von Arminia klopfte man ihm auf die Schulter. "Trotzdem war ich innerlich nicht der, der ich vorgab, nach außen zu sein." Er beschreibt diese Zeit als "sehr hart". Auch wegen Beschimpfungen auf der Straße. "Viele hielten mich für einen Nazi", sagt er. Van der Ven veränderte sein Äußeres, trug Hemd und Anzug. "Ich wollte seriöser wirken."
"Es brannte fürchterlich"
Auf dem Fußballplatz konnte er nicht in diese Rolle schlüpfen, da war er der Leistungssportler. "Auf dem Platz wird man aber zum Glück nicht auf Äußerlichkeiten reduziert." Als er "oben ohne" im Stadion auflief, merkte Van der Ven zum ersten Mal am eigenen Körper, dass Haare auch eine Schutzfunktion haben. "Mir lief der Schweiß in die Augen, es brannte fürchterlich." Später schmierte er sich Vaseline auf die Augenknochen, um das Wasser aufhalten zu können. Auch unter den Achseln rann der Schweiß. Im Winter war Van der Ven der erste in der Mannschaft, der eine Mütze trug. Im Sommer fehlte ihm der Schutz vor der Sonne.Für seinen letzten Haarschnitt hat er neun Deutsche Mark bezahlt, Shampoo braucht er nicht. "Das ist zwar praktisch, aber mehr auch nicht." Van der Ven versucht, mit der Krankheit umzugehen. Dazu gehört auch die "Schnapsidee", wie er sie heute nennt, seine Glatze versteigern zu wollen. Vor fünf Jahren bot er sie für 89.000 Euro beim Internetauktionshaus Ebay an. Er wollte sich Werbung auf die kahle Fläche tätowieren lassen. Am Ende lehnte er dann doch ab. "Die Angebote waren teilweise sehr unseriös."
Die Hoffnung, dass die Haare irgendwann wieder nachwachsen, hat er aufgegeben. Die Frage, warum er sie verloren hat, aber lässt ihn nicht mehr los.