
Scheffau. Nach dem Vormittagstraining hat Fabian Kunze Zeit. Auf der Terrasse der "Kaiserlodge", Arminia Bielefelds Quartier während des Trainingslagers in Scheffau/Österreich, sucht er sich ein schattiges Plätzchen und erwartet die Fragen der Journalisten. Ein Medientermin mit Interview, Fotos und Videodreh: Für den 21-Jährigen, der in der vergangenen Saison noch für Regionalligist SV Rödinghausen spielte, ehe er beim DSC einen Vertrag bis 2022 unterschrieb, ist das noch nicht Routine. Genauso wenig wie manches andere, das er in diesen Wochen bei Arminia Bielefeld kennenlernt. Doch ob auf der Terrasse oder auf dem Platz: Kunze legt auch ohne Erfahrung einen sauberen Auftritt hin.
"Ich möchte viel von den Erfahrenen lernen und reifen"
Angesprochen auf seine Ambitionen für die kommende Zweitliga-Saison gibt er sich zurückhaltend. Statt etwa Kampfansagen in Richtung seiner Konkurrenten auf der Sechserposition rauszuhauen, sagt der junge Mann Sätze wie diesen: "Ich möchte viel von den Erfahrenen lernen und reifen." Oder: "Ein Saisonziel festzulegen, ist in der engen 2. Liga sehr schwierig." Kunze, ein gebürtiger Bielefelder, der nach dem Abitur an der Gesamtschule Schildesche ein BWL-Fernstudium aufgenommen hat, ist kein Lautsprecher. Sondern eher der ruhige, seriöse Typ. "Strebsam und besonnen": Mit diesen Worten charakterisiert ihn Daniel Lichtsinn, sein ehemaliger Jugendtrainer beim VfL Theesen und beim SV Rödinghausen.

Die genannten Eigenschaften sind es, die Kunze den Weg in den Profifußball geebnet haben. Denn bei allem Talent, das sein Zwillingsbruder Lukas, der Stammspieler beim SV Rödinghausen ist, und er selbst fraglos besitzen, gab es schon früh auch Zweifel. Vor allem wegen des unorthodoxen Bewegungsablaufs, der dem schlaksigen Körperbau der beiden geschuldet ist, und der sowohl beim Kicken beim VfL Theesen als auch beim Handballspielen beim TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck auffiel. Und auch heute noch bei den inzwischen 1,91 Meter großen Jungs auffällt.
"Wie Guido Buchwald"
"Wie Guido Buchwald", urteilte etwa Uwe Grauer, der große Stücke auf die Zwillinge hielt und sie in der Saison 2014/15 in der U 17 von Schalke 04 trainierte, in Erinnerung an den schwäbischen Weltmeister von 1990. Zu Schalke zu wechseln, war für BVB-Fan Fabian übrigens ein komplizierterer Schritt als für den schon immer mit Königsblau fiebernden Lukas. Doch schon nach einem Jahr ging es von der Knappenschmiede zurück ins Elternhaus nach Hücker-Aschen, einem Ortsteil von Spenge im Kreis Herford, wo sie heute noch leben: Schalkes U-19-Coach Norbert Elgert sah die Voraussetzungen für regelmäßige Einsätze bei diesen beiden Schlaksen nicht gegeben.
Die Kunzes wechselten zum SV Rödinghausen, wo Fabian schon als 17-Jähriger den Sprung in die Regionalliga-Mannschaft schaffte. Und Anfang der vergangenen Saison mit einem Sieg in der ersten Runde des DFB-Pokals über Dynamo Dresden seinem aktuellen Trainer ein echtes Problem bereitete. Nach dem 2:3 nach Verlängerung beim Viertligisten wurde Uwe Neuhaus bei den Sachsen entlassen. "Vor meiner Unterschrift unter den Vertrag bei Arminia hat er im Spaß zu mir gesagt: ,Warum soll ich dich eigentlich verpflichten, wo du mich doch um meinen Job gebracht hast?'", erzählt Kunze und lacht.
"Ich traue ihm den Sprung zu"
Neuhaus ließ Kunze unterschreiben, denn er ist vom Youngster überzeugt. "Ich traue ihm den Sprung zu, er hat in Rödinghausen als Abräumer vor der Abwehr sehr souverän agiert", sagte der Trainer schon vor knapp zwei Wochen. Damit ist Kunze nun einer der wenigen lebenden Gegenbeweise zur Meinung, wonach es heutzutage nur noch Spieler, die kontinuierlich in den Nachwuchsleistungszentren großer Klubs ausgebildet wurden, in den Profifußball schaffen können. Dem Jungen aus Hücker-Aschen ist es mit Talent und noch mehr Ehrgeiz gelungen. Und mit der nötigen Ruhe.
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