DSC-Trainer Neuhaus im Interview: „Mit Rückenwind in die neue Saison“

Herr Neuhaus, die Saison ist vorbei. Sind Sie schon in Urlaubsstimmung? Uwe Neuhaus: Eigentlich nicht. Den Montagmorgen habe ich noch mit der Mannschaft verbracht. Jetzt jagt ein Termin den nächsten, es ist die Zeit, in der Bewegung in die Personalplanungen kommt. Es ist befreiend, das letzte Spiel (1:0-Sieg gegen Kiel, d. Red.) hinter sich gebracht zu haben. Das war total positiv, deswegen geht’s mir gut. Sie haben mit der Mannschaft in der Rückrunde 31 Punkte geholt. Wenn man das verdoppelt, hätte es zum Aufstieg gereicht. Geht’s jetzt so weiter? Neuhaus: Das zu glauben, wäre sehr naiv. Das ist keine Garantie für irgendetwas. Trotzdem bin ich froh, dass wir es geschafft haben. Wir hatten uns auf dem Weg von Dezember bis jetzt verschiedene Dinge vorgenommen. Zunächst wollten wir uns in der Tabelle Luft verschaffen. Dann Aufbruchstimmung erzeugen und an der Heimbilanz arbeiten. Das ist uns gelungen. Das letzte Spiel war der krönende Abschluss des halben Jahres. Was könnte die gute Rückrunde bewirken? Neuhaus: Das letzte Spiel war insgesamt total positiv: die Atmosphäre, der Zuschauerrekord, Zweiter in der Rückrunde. Das sind viele Faktoren, die uns helfen können, wenn wir uns am 20. Juni wieder treffen. Das kann auch ein bisschen Bürde sein, wir haben bei dem einen oder anderen eine Erwartungshaltung geschürt. 31 Punkte sind eine Verpflichtung, da weiterzumachen. Das Entscheidende wird sein, dass wir die tägliche Arbeit fortsetzen, jeder für sich noch ein kleines bisschen professioneller, intensiver und eigenverantwortlicher. Wir wollen den Rückenwind in die nächste Saison tragen. Haben Sie sich im Winter vorstellen können, dass die Mannschaft Ihre Vorgaben so schnell und gut umsetzt? Neuhaus: Wie lange es braucht, weiß man nie. Zum Start in Kiel hat die Mannschaft das überragend abgewickelt. Vielleicht hätte ich das Experiment abgebrochen, wenn es in Kiel und gegen Heidenheim Packungen gegeben hätte. Dann hätte ich mir für die Winterpause andere Gedanken gemacht. Es ist nicht so, dass ich nur ein Programm habe. Welche Bedeutung hatte der 4:3-Sieg in Dresden im ersten Pflichtspiel 2019? Neuhaus: Da sind wir beim 1:3-Rückstand in der Pause nicht unruhig geworden und haben uns gesagt: Wir können dem vertrauen, was wir uns vorgenommen haben. Der Sieg war ein Schlüsselerlebnis, das uns enorm geholfen hat. Welche Rolle spielen die Langzeitverletzten Sven Schipplock und Nils Quaschner in Ihren Planungen? Neuhaus: Ich hoffe, dass beide möglichst schnell gesund und wettkampftauglich werden. Aber wann sie einsteigen, ist nicht absehbar. Im Moment ist es keine Option zu sagen, am ersten Spieltag habe ich alle zur Verfügung. Wie beurteilen Sie die personelle Situation in der Abteilung Attacke? Neuhaus: Man muss ja möglichst auf der sicheren Seite sein. Wenn man zwei Stürmer hat, die nicht einplanbar sind, und berücksichtigt, dass Fabian Klos und Andreas Voglsammer mal eine Verletzungspause haben könnten, haben wir eine sehr dünne Besetzung. Dass wir uns da Gedanken machen, ist logisch. Nach jetzigem Stand könnte mit dem ausgeliehenen Prince Osei Owusu eine Offensivkraft zurückkommen. Neuhaus: Er ist Teil unserer Gedankenspiele. Wir müssen überlegen, was Sinn macht. Da finden Gespräche statt, und in den nächsten sieben bis 14 Tagen wird es eine Entscheidung geben. Der Kader ist relativ groß, gerade die Jüngeren bekommen kaum Spielpraxis. Sind Sie für eine Verkleinerung des Kaders? Neuhaus: Mit 29 Spielern ist der Kader schon groß, aber es gab auch Phasen, in denen wir Anleihen bei der A-Jugend nehmen mussten, um im Training elf gegen elf spielen zu können. Ich bin grundsätzlich für eine U 23, denn Wettkampfpraxis, egal auf welchem Niveau, ist wichtig. Wir haben keine U 23, das hat aber keine sportlichen Gründe. Der HSV bleibt in der Liga, Hannover und Nürnberg kommen dazu. Wollen Sie ein Ziel für die neue Saison formulieren? Neuhaus: Ausschlaggebend dafür, was ich mir vornehme und welches Ziel wir ausgeben, wird die Zusammensetzung des Kaders sein. Wir wollen uns noch verbessern und verstärken. Deswegen mag ich dazu jetzt nichts sagen. Als Spieler haben Sie mit Wattenscheid 09 den Bundesliga-Aufstieg geschafft. Das wollen Sie sicher auch als Trainer erreichen. Neuhaus: Das ist mein Ziel. Ich werde es beharrlich verfolgen, ohne zu verkrampfen und ohne einen Verein zu suchen, der das mit der Brechstange und viel Geld erzwingen will. Ich arbeite lieber bei Vereinen, die auch ambitioniert sind, die aber versuchen, kontinuierlich die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass es klappen wird. Und wenn ich es nicht schaffe, kann ich trotzdem auf eine erfolgreiche Zeit zurückblicken. Sehen Sie Arminia gut genug aufgestellt, um es zu schaffen? Neuhaus: Natürlich weiß ich, dass ich hier nicht im Schlaraffenland bin. Aber ich glaube, dass wir gute Voraussetzungen haben, nicht zuletzt durch den Stadionverkauf. Wir müssen unsere Arbeit machen, im Scouting-Bereich, mit der Mannschaft, um weiterzukommen. Dann werden wir sehen, was die Zukunft bringt. Fußball ist leider – oder zum Glück – nicht planbar. Der SC Paderborn ist jetzt in die Bundesliga aufgestiegen. Wie beurteilen Sie das, was beim Nachbarn passiert? Neuhaus: Das ist außergewöhnlich gut und eigentlich unfassbar. Sportlich in die Regionalliga abzusteigen und dann zwei Jahre später in die Bundesliga zurückzukehren, das ist schon eine krasse Achterbahnfahrt. Sie haben den Aufstieg verdient – Komplimente für die Arbeit. Niko Kovac ist mit Bayern München Deutscher Meister geworden, am Samstag könnte der Gewinn des DFB-Pokals dazukommen. Trotzdem ist er angezählt, und es ist fraglich, ob er die Mannschaft auch in der nächsten Saison trainieren wird. Erhalten Fußballtrainer den Respekt, die sie verdienen? Neuhaus: Respekt dem Trainer gegenüber ist in Deutschland – im Vergleich zum Ausland – schon länger ein Thema. Es wurde schon vor 20 Jahren bemängelt, dass der Respekt nachlässt. Mittlerweile wird dieser Trend durch Nutzer Sozialer Medien verstärkt, weil dort Stimmung entsteht. Überhaupt, die anonymen Kommentare im Netz, das ist doch der Tod der Gesellschaft. Warum muss man so einen Müll veröffentlichen? Aber das ist der Lauf der Zeit, und es ist egal, was ich dazu sage. Ich werde es nicht ändern. Aber wie kommen Sie persönlich mit diesem Trend zurecht? Neuhaus: Ich habe mich vor mehr als 20 Jahren mit der Frage beschäftigt, was ich akzeptieren muss, was von mir erwartet wird, wenn ich Trainer sein will. Ich habe all inclusive gebucht. Ich habe mal gesagt, ich brauche Pressearbeit nicht und muss meinen Kopf nicht im Fernsehen sehen. Dazu stehe ich. Ich weiß aber, dass ich gegenüber dem Verein eine Verpflichtung habe. Und das ist im All-inclusive-Paket mit drin. Also arrangiere ich mich damit. Aber zurück zur Ausgangsfrage: Ich finde, dass das, was bei Bayern München passiert, ein Skandal ist. Wer diesen Verein kennt, der weiß, dass Aussagen dort nicht einfach so gemacht werden. Da ist alles geplant. Wenn die Verantwortlichen die Trainer-Diskussion beenden wollten, dann würden sie es tun. Kovac hat in dieser Saison noch ein Spiel vor sich, für Sie ist jetzt Pause. Schalten Sie ab oder ein: Schauen Sie die Relegation und die Endspiele im DFB-Pokal und in der Champions League? Neuhaus: Natürlich schaue ich mir die Spiele an. Das empfinde ich nicht als Pflicht, das macht Spaß und Freude. Fußball ist mein Leben. Und wann beginnt Ihr Urlaub? Neuhaus: Nächste Woche. Dann fahre ich an die See.

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