Arminia

Mönchengladbach: Eine Stadt lebt vom Mythos

Die Stadt des Pokalgegners von Arminia Bielefeld spielt im Rheinland häufig die zweite Geige

Jubel nach dem Pokalsieg 1995: Stefan Effenberg samt Sohn und Pokal mit seinen Vereinskollegen auf dem Alten Markt in Mönchengladbach. | © picture-alliance / dpa

06.04.2015 | 06.04.2015, 10:22

Textilien aus "Lappland"

Jonas kam 1903 als Sohn eines Textilfabrikanten auf die Welt. In seiner Kindheit entstand nur einen Steinwurf von seinem Elternhaus entfernt das heimliche Wahrzeichen Gladbachs: der 50 Meter hohe Wasserturm. Gleich in der Nähe thront ein weiteres repräsentatives Jugendstilgebäude über der Stadt: die Kaiser-Friedrich-Halle, „unsere gute Stube“, wie Stadtführer Wirtz sie nennt.

Hinter dem Prachtbau mit seinem „Bunten Garten“, einem der vielen Parks der Stadt, erstreckt sich „Lappland“. Am Fuße des Bökelbergs, da wo die Borussia früher ihre Heimspiele ausgetragen hat und heute imposante Villen stehen, liegt das ehemalige Arbeiterviertel Eicken. Einst reihten sich hier Textilfabriken aneinander; der Stadtteil hängt eng mit dem industriellen Aufstieg Mönchengladbachs zusammen, aber auch mit seinem Niedergang durch den Strukturwandel, der Mitte des vorigen Jahrhunderts eingesetzt hat. In den Sechzigerjahren zählte Gladbach 30.000 Arbeitslose. „Das hat damals nur niemanden interessiert“, sagt Stadtsprecher Dirk Rütten bitter lächelnd, anders als in den Zechen im Ruhrgebiet „waren hier ja fast nur Frauen am Werk“.

Auch wegen der vielen abgebrochenen Erwerbsbiografien drücken die Stadt hohe Lasten. Der Abzug der britischen Truppen aus dem Hauptquartier in Rheindahlen verursachte einen immensen Kaufkraftverlust. „Wir sind bettelarm“, sagt Ruetten. Er zeigt sich trotzdem zuversichtlich, zumal engagierte Menschen den Faden wieder aufgenommen haben: etwa an der Modeschule oder im Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein.

Zweite Geige im Rheinland

Gesellschaftlich hat die Stadt eine Welle der Solidarität erlebt, als zuletzt 1.400 Flüchtlinge Hilfe suchten. Politisch läuft einiges wieder zuverlässiger, seit Oberbürgermeister Reiners, ein Christdemokrat, mit der Großen Koalition eine stabile Mehrheit im Rücken weiß. Es scheint, als sei im katholischen Gladbach ohne die CDU keine Politik zu machen. Was die Identität, das Wir-Gefühl angeht, sind jedoch auch sie manchmal ratlos.

Reiners hat die „Pessimisten und kritischen Mahner“ bereits als Redakteur bei der „Rheinischen Post“ kennengelernt. Urbane Lebensqualität hänge „in hohem Maße davon ab, wie sich die Menschen – in großen wie in kleinen Dingen – einbringen und zur Verbesserung ihres Viertels beitragen“, erinnert er. „Es ist so'ne Mentalität in Gladbach, erst mal alles schlecht zu reden“, sagt Stadtführer Wirtz, „dabei muss man doch nach vorne schauen.“

Im Angesicht des Abteibergs mit dem gleichnamigen Museum mag man noch eine andere Erkenntnis gewinnen: dass Mönchengladbach seine Gegensätze zu schätzen weiß – und neben den Metropolen Düsseldorf und Köln stolz eine Nische ausfüllt. Stadtsprecher Rütten drückt es so aus: „Wir spielen oft die zweite Geige, die aber gut.“

Außenseiter-Quote

Auch für Sportwettenanbieter bwin ist Arminia Bielefeld im Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach krasser Außenseiter. Wirft der Drittliga-Tabellenführer mit der Fohlenelf den dritten Erstligisten aus dem Wettbewerb, zahlt bwin das 6,50-Fache des Einsatzes zurück. Bei einem Gladbacher Sieg gibt es nur das 1,53-Fache.