Meinung

Weniger Geburten: Fatal für die Gesellschaft, aber eine Chance für wirklich gute Kitas

Erstmals gibt es in NRW weniger Bedarf nach Betreuungsplätzen als im Vorjahr. Unsere Autorin sieht darin etwas Gutes – wenn Politik jetzt nicht einen fatalen Fehler macht.

Zu wenig Kinder für die Kitas: Nach Jahren des Mangels gibt es plötzlich auch bereits in NRW vereinzelt zu viel Angebot. Unsere Autorin warnt vor Rückbau, wie er im Osten schon passiert. | © dpa

Anneke Quasdorf
01.11.2025 | 01.11.2025, 05:00

„Ja, was denn nun?“, werden sich viele angesichts der Meldungen über fehlende Nachfrage nach Kitaplätzen denken. Denn seit Jahren sind die großen, öffentlichkeitswirksamen Probleme genau gegenteilig gelagert: zu wenig Plätze, zu wenig Personal, zu wenig Kapazität, Mangel, wohin man schaut. Und nun plötzlich weniger Bedarf als Angebot?

Es ist ein Szenario, das sich in NRW und damit auch im Westen Deutschlands erstmalig zaghaft abzeichnet, und das den Übergang von einem Extrem ins andere markiert. Denn in den ostdeutschen Bundesländern ist die Entwicklung viel weiter fortgeschritten.

Hier stehen gar schon Begriffe wie „Kitasterben“ im Raum. Oder die Kündigung von ErzieherInnen, Menschen, die in anderen Regionen Deutschlands als Ressource auf dem Arbeitsmarkt dringend benötigt aber überhaupt nicht verfügbar sind.

Newsletter
Update zum Mittag
Top-News, täglich aus der Chefredaktion zusammengestellt.

Geburtenrate ist im Sinkflug

Einheitlich ist an all diesen Entwicklungen gar nichts, je nach Bundesland oder Region sind die Gegebenheiten andere. Auch das ist eine Herausforderung, die künftig zu meistern sein wird. Während der Sinkflug der Geburtenrate im Osten bereits ab 2015 einsetzte, ist dies im Westen erst seit den 2020er Jahren der Fall.

Entsprechend verspätet kommt die rückläufige Nachfrage nach Kitaplätzen hier an. Während im Osten daher bereits auch das Angebot für über Dreijährige betroffen ist, zeichnen sich erste Rückgänge im Westen erst im Angebot für die unter Dreijährigen ab.

Und noch eine Trendwende wird deutlich: Waren es jahrelang die Ballungsräume, die Großstädte, in denen alle leben wollten, und wo es entsprechend großen Mangel an Kitaplätzen gab, zeichnet sich gerade hier erstmalig Entspannung ab. Denn viele Familien ziehen aufs Land, weil sie sich die teuren Mieten nicht mehr leisten können.

Jetzt bloß nicht mit dem Kita-Rückbau planen

Für die Gesellschaft, das muss man wohl nicht weiter ausführen, sind die sinkenden Geburtenraten langfristig ein Riesenproblem. Für die Kinderbetreuung sind sie mittelfristig aber eine große Chance – wenn Politik jetzt richtig reagiert. Nichts wäre fataler, als, wie es in vielen Städten im Osten jetzt schon passiert, den großen Kita-Rückbau zu starten.

Lesen Sie auch: „System völlig untragbar“: Unternehmer-Paar nimmt Tochter aus Bielefelder Kita

Denn wenn weniger Kinder in die hoffnungslos überlasteten Systeme kommen, birgt das die Gelegenheit, die Qualität in den Kitas wieder deutlich zu verbessern. Das heißt: Verfügbares Personal halten und für eine bessere Betreuungsrelation einsetzen. Und unter allen Umständen vermeiden, dass gut ausgebildete Arbeitskräfte aus Angst vor Jobverlust den Arbeitsbereich verlassen. Das nützt nicht nur den Kindern, sondern dem Image einer ganzen Branche und eines Berufs, das in den vergangenen Jahren erheblich gelitten hat.