Nach Messerangriff

Neue Bürgermeisterin von Herdecke außer Lebensgefahr – Tochter unter Verdacht

Nach dem Angriff auf die neu gewählte Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer, steht deren Tochter unter Verdacht. Ins Gefängnis kommen soll sie aber nicht.

Einsatzkräfte stehen neben einem Rettungshubschrauber. Die neu gewählte Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer (SPD), ist lebensgefährlich verletzt in ihrer Wohnung gefunden worden. | © Alex Talash/dpa

08.10.2025 | 08.10.2025, 16:31

Herdecke (dpa). Nach dem Messerangriff auf die neu gewählte Bürgermeisterin von Herdecke im Ruhrgebiet, Iris Stalzer (SPD), steht ihre Tochter unter Tatverdacht. Die 57-jährige Juristin habe die 17-Jährige als Angreiferin benannt, teilten die Ermittler in Hagen mit.

Oberstaatsanwalt Bernd Haldorn gab an, dass er gegen die Jugendliche dennoch keinen Haftbefehl beantragen werde. Es lägen keine Haftgründe vor. „Rein rechtlich gehe ich von gefährlicher Körperverletzung aus“, sagte er. Gegen ein Tötungsdelikt als Tatbestand spreche, dass die Tochter selbst den Notruf gewählt habe. Der Zustand der Verletzten sei nach aktuellen Erkenntnissen besser als zunächst angenommen. Sie sei außer Lebensgefahr.

Die Motivlage ist den Ermittlern zufolge unklar. Es habe familiäre Streitigkeiten gegeben, sagte der Leiter der Mordkommission, Jens Rautenberg.

Kinder waren polizeibekannt

Beide Adoptivkinder der Kommunalpolitikerin lebten mit in dem Wohnhaus in Herdecke, sagte Rautenberg weiter auf Nachfrage. Der 15 Jahre alte Junge und die 17 Jahre alte Tochter seien bereits polizeibekannt gewesen, sagte Polizeidirektorin Ursula Schönberg. Sowohl die Tochter als auch der Sohn seien noch nicht vernommen worden. Inwieweit der Junge Zeuge der Tat war oder Beihilfe geleistet hat, müsse noch ermittelt werden, sagte Oberstaatsanwalt Haldorn.

Die Ermittler hatten bereits mitgeteilt, dass die Tat einen familiären Hintergrund haben dürfte. Die beiden Jugendlichen waren nach der Tat zur Klärung des Sachverhalts zu einer Polizeiwache gebracht worden. „Die Kinder befinden sich weiter bei der Polizei“, hatte eine Sprecherin der Polizei am Mittwochmorgen erklärt.

Eine Beamtin der Spurensicherung steht im Spurensicherungsanzug am Fahrzeug der KTU (Kriminaltechnische Untersuchung), im Hintergrund Polizeibeamte. - © Christoph Reichwein/dpa
Eine Beamtin der Spurensicherung steht im Spurensicherungsanzug am Fahrzeug der KTU (Kriminaltechnische Untersuchung), im Hintergrund Polizeibeamte. | © Christoph Reichwein/dpa

Zudem ist nach Angaben der Ermittler inzwischen der Tatort entdeckt – er liege im Keller des Hauses. Danach habe sich die Verletzte offenbar noch ins Erdgeschoss geschleppt, wo die Einsatzkräfte sie in einem Sessel sitzend vorgefunden hätten. Auf einen politischen Hintergrund deute derzeit nichts hin. Als Tatwaffen seien zwei Messer sichergestellt worden.

Mordkommission eingesetzt

Die 57-Jährige war am Dienstag lebensgefährlich verletzt in ihrem Wohnhaus gefunden worden. Laut Sicherheitskreisen erlitt sie mehrere Messerstiche in den Oberkörper. Ein Rettungshubschrauber brachte die Kommunalpolitikerin in eine nahe gelegene Klinik, wo sie umgehend intensivmedizinisch versorgt worden war.

Eine Mordkommission hatte die Ermittlungen übernommen. Bis in den späten Dienstagabend hatten Polizisten im Wohnhaus der Familie Spuren gesichert.

Fall erschüttert quer durch alle politischen Lager

Die Nachricht vom Angriff auf die erst vor wenigen Tagen in einer Stichwahl zur Bürgermeisterin der 22.500-Einwohner-Stadt gewählten SPD-Politikerin hatte quer durch alle politische Lager Bestürzung ausgelöst: Vom Kanzler bis zum SPD-Generalsekretär taten Politiker umgehend ihre Anteilnahme kund.

Iris Stalzer wurde bei der Stichwahl am 28. September zur neuen Bürgermeisterin von Herdecke gewählt. - © SPD Herdecke
Iris Stalzer wurde bei der Stichwahl am 28. September zur neuen Bürgermeisterin von Herdecke gewählt. | © SPD Herdecke

Auch ihre Genossen vor Ort zeigten sich erschüttert: „Wir sind in Gedanken bei ihr und ihrer Familie“, sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD in Herdecke, Klaus Klostermann, der Deutschen Presse-Agentur am Tag nach der Tat.

Stalzers offizielle Amtszeit soll am 1. November beginnen. Momentan sei noch völlig offen, wie es zu dem Zeitpunkt weitergehe, sagte Klostermann. „Das ist ja alles noch ganz frisch. Es geht jetzt erst mal darum, dass sie wieder vollständig gesund wird.“

Rechtsanwältin Stalzer war bei der Stichwahl vor knapp eineinhalb Wochen zur Bürgermeisterin der 22.500-Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet gewählt worden. Sie erhielt 52,2 Prozent der Stimmen.

Bundeskanzler äußert sich betroffen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußert sich tief betroffen über den Messerangriff. „Uns erreicht eine Nachricht über eine abscheuliche Tat aus Herdecke. Sie muss jetzt schnell aufgeklärt werden. Wir bangen um das Leben der designierten Bürgermeisterin Iris Stalzer und hoffen auf vollständige Genesung“, schreibt Merz auf der Plattform X. „Meine Gedanken sind bei ihrer Familie und ihren Angehörigen.“

Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf zeigt sich bestürzt. „Die Nachrichten aus Herdecke machen uns tief betroffen“, sagte Klüssendorf in Berlin. „Wir bangen mit unserer Genossin und Bürgermeisterin und sind in Gedanken bei ihren Angehörigen.“ Der Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen, Frederick Cordes, schreibt: „Unsere Gedanken sind bei Iris Stalzer und ihrer Familie. Unser Dank gilt allen Rettungs- und Einsatzkräften, die im Einsatz waren und sind.“

Vorgängerin zeigt sich bestürzt

Auch die langjährige Bürgermeisterin der Stadt Herdecke, Katja Strauss-Köster (CDU), äußert sich bestürzt über die Messerattacke auf ihre designierte Nachfolgerin. „Das ist eine Tragödie, und ich bin tief getroffen“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Sie wünsche Stalzer „vor allen Dingen eine gute Besserung und dass sie die Kraft hat, diese schweren Stunden zu überstehen und zu kämpfen“. Sie denke auch an Stalzers Familie, „für die das ganz furchtbar schwer sein muss“. Strauss-Köster war von Oktober 2009 bis März 2025 Bürgermeisterin von Herdecke. Dann wurde sie in den Bundestag gewählt. Ihr Amt als Bürgermeisterin war danach vakant. Stalzer sollte es am 1. November übernehmen.