Politikerin in Lebensgefahr

Messerattacke auf neue Bürgermeisterin von Herdecke – familiärer Hintergrund angenommen

Angriff auf die frisch gewählte Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer: Die 57-jährige Rechtsanwältin wurde in ihrem Wohnhaus lebensgefährlich verletzt.

Einsatzkräfte stehen neben einem Rettungshubschrauber. Die neu gewählte Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer (SPD), ist lebensgefährlich verletzt in ihrer Wohnung gefunden worden. | © Alex Talash/dpa

07.10.2025 | 07.10.2025, 21:10

Herdecke (dpa). Die Stille des Wohngebiets aus Einfamilienhäusern mit viel Grün wird spätestens beim Eintreffen des Rettungshubschraubers jäh zerrissen. Die neu gewählte Bürgermeisterin von Herdecke, Iris Stalzer (SPD), ist dort am Mittag durch mehrere Messerstiche lebensgefährlich verletzt worden.

Die 57-Jährige sei an ihrer Wohnanschrift aufgefunden worden, sagt ein Polizeisprecher. Die Straße über dem Ruhrtal wird abgesperrt. Noch vor Ort wird Iris Stalzer erstversorgt, dann mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen und dort weiter intensivmedizinisch betreut. Sie schwebt am späten Nachmittag immer noch in akuter Lebensgefahr.

Eine Mordkommission nimmt die Ermittlungen auf. Die Ermittler gehen am Abend von einem familiären Hintergrund aus. „Nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse gibt es keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat“, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Zuvor war noch „in alle Richtungen ermittelt“ worden. Was Polizei und Staatsanwaltschaft am Abend auch veröffentlichen: „Der Tatort befindet sich im Hause der Politikerin.“ Aus Sicherheitskreisen heißt es, im Sommer habe es einen Vorfall häuslicher Gewalt gegeben.

Iris Stalzer wurde bei der Stichwahl am 28. September zur neuen Bürgermeisterin von Herdecke gewählt. - © SPD Herdecke
Iris Stalzer wurde bei der Stichwahl am 28. September zur neuen Bürgermeisterin von Herdecke gewählt. | © SPD Herdecke

Adoptivkinder setzen Notruf ab

Wie die dpa erfuhr, war Stalzer am Dienstag im Krankenhaus kurz bei Bewusstsein. Die Polizei habe sie in diesem Moment befragen können. Eine richtige Vernehmung konnten die Ermittler demnach aber nicht durchführen, da der Zustand der Politikerin noch instabil gewesen sei. Über die kurze Befragung durch die Polizei hatte die „Westfalenpost“ zuvor berichtet.

Die beiden Adoptivkinder der Juristin im Alter von 15 und 17 Jahren hatten nach dpa-Informationen um 12.40 Uhr den Notruf abgesetzt. Sie hätten ihre Mutter schwer verletzt im Wohnhaus aufgefunden, geben sie nach Angaben aus Sicherheitskreisen an. Sie sei wohl überfallen worden, so die Kinder. Ihr Oberkörper weise mehrere Einstiche auf. Zunächst soll sie ansprechbar gewesen sein.

Später werden die Adoptivkinder zur Vernehmung und Sicherung von Spuren mitgenommen. Ein Reporter beobachtet vor Ort, wie ein Jugendlicher in einen Streifenwagen einsteigt.

Kinder befinden sich bei der Polizei

Am Abend heißt es in der Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft, die minderjährigen Kinder der Politikerin befänden sich im Rahmen der Klärung des weiteren Sachverhaltes nach wie vor bei der Polizei. Auf die Frage, ob beide oder eines der Kinder als Zeugen oder Verdächtige auf der Wache waren, wollte eine Polizeisprecherin keine Antwort geben. Die Kinder würden betreut, sagte die Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur.

Rechtsanwältin Stalzer war bei der Stichwahl vor knapp eineinhalb Wochen zur Bürgermeisterin der 22.500-Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet gewählt worden. Sie erhielt 52,2 Prozent der Stimmen.

Bundeskanzler äußert sich betroffen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußert sich tief betroffen über den Messerangriff. „Uns erreicht eine Nachricht über eine abscheuliche Tat aus Herdecke. Sie muss jetzt schnell aufgeklärt werden. Wir bangen um das Leben der designierten Bürgermeisterin Iris Stalzer und hoffen auf vollständige Genesung“, schreibt Merz auf der Plattform X. „Meine Gedanken sind bei ihrer Familie und ihren Angehörigen.“

Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf zeigt sich bestürzt. „Die Nachrichten aus Herdecke machen uns tief betroffen“, sagte Klüssendorf in Berlin. „Wir bangen mit unserer Genossin und Bürgermeisterin und sind in Gedanken bei ihren Angehörigen.“ Der Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen, Frederick Cordes, schreibt: „Unsere Gedanken sind bei Iris Stalzer und ihrer Familie. Unser Dank gilt allen Rettungs- und Einsatzkräften, die im Einsatz waren und sind.“

Vorgängerin zeigt sich bestürzt

Auch die langjährige Bürgermeisterin der Stadt Herdecke, Katja Strauss-Köster (CDU), äußert sich bestürzt über die Messerattacke auf ihre designierte Nachfolgerin. „Das ist eine Tragödie, und ich bin tief getroffen“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Sie wünsche Stalzer „vor allen Dingen eine gute Besserung und dass sie die Kraft hat, diese schweren Stunden zu überstehen und zu kämpfen“. Sie denke auch an Stalzers Familie, „für die das ganz furchtbar schwer sein muss“. Strauss-Köster war von Oktober 2009 bis März 2025 Bürgermeisterin von Herdecke. Dann wurde sie in den Bundestag gewählt. Ihr Amt als Bürgermeisterin war danach vakant. Stalzer sollte es am 1. November übernehmen.