Erstaunliche Entwicklung bei Kita-Plätzen in NRW: Das steckt dahinter

Düsseldorf. In Zeiten, in denen Meldungen über Erzieher-Mangel und Kita-Schließungen den Familienalltag prägen, wirkt diese Nachricht umso erstaunlicher: In NRW sinkt der Bedarf an Kita-Plätzen. Eltern haben bei den 186 Jugendämtern für das neue Kita-Jahr weniger Plätze angemeldet als für das laufende Jahr. Den Jugendämtern wurde konkret ein Bedarf von 759.017 Plätzen gemeldet – das sind rund 5.000 Plätze weniger als im laufenden Kita-Jahr. Wie das NRW-Familienministerium gegenüber dieser Redaktion mitteilt, handelt es sich vor allem um einen Rückgang bei den Plätzen für eine Kita-Betreuung von Kindern unter drei Jahren (U3). Hintergrund der Entwicklung seien &bdquo;rückläufige Geburtenzahlen seit 2022“, heißt es aus dem Ministerium. Nach zwei &bdquo;Zwischenhochs“ in den Jahren 2016 und 2021 entwickelten sich die Geburtszahlen in Westdeutschland &bdquo;stark rückläufig“ – zuletzt um rund 12 Prozent. Auch in den nächsten zehn Jahren wird die Gruppe der Kleinkinder zwischen 0 und 3 Jahren bundesweit um fast 500.000 schrumpfen, heißt es in einer Vorausberechnung des Statistischen Bundesamts. .responsive23-FvwcjgbbU4ouGpx1-bar-vertical-column-chart { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-FvwcjgbbU4ouGpx1-bar-vertical-column-chart { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-FvwcjgbbU4ouGpx1-bar-vertical-column-chart { padding-top: 166.67%; } } In den Kitas in NRW arbeiten rund 145.000 Menschen Was bedeutet das für die Kitas? Auch wenn die Anmeldungen in diesem Jahr nicht so hoch seien wie in den Vorjahren, dürfe das den Blick darauf nicht verstellen, &bdquo;dass wir weiterhin ein Mehr an Betreuungskapazitäten brauchen“, teilt das Ministerium mit – und ergänzt, dass in den Kitas in NRW schon jetzt so viele Erzieherinnen und Erzieher arbeiteten &bdquo;wie noch nie“. Im vergangenen Jahr waren in NRW laut Zahlen des Landes rund 144.600 Personen in den Kitas tätig. Das klingt viel – und ist tatsächlich ein Anstieg. Aber: Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts fehlten in NRW im Jahr 2023 rund 93.700 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, sagt Klaus Bremen vom Deutschen Kita-Verband. &bdquo;Die Betreuungsquote lag bei 31 Prozent – der Bedarf dagegen bei über 50 Prozent.“ Die neuen Zahlen könnten &bdquo;überhaupt nicht“ als Indikator für eine ausreichende Versorgung mit Kitaplätzen in NRW gedeutet werden, sagt Bremen. Auch interessant: &bdquo;System völlig untragbar“: Unternehmer-Paar nimmt Tochter aus Bielefelder Kita Im Gegenteil. Fehlendes Personal, Krisenberichte und klamme Kassen sorgten noch immer für &bdquo;erhebliche Verunsicherungen“ bei Eltern und in den Familien. Der Rückgang bei den Anmeldungen der unter Dreijährigen könne da als Anzeichen gedeutet werden, dass die Eltern diese Erfahrungen und Unsicherheiten in der Betreuung gerade in der frühen Lebensphase ihrer Kinder selbst auszugleichen versuchten und erst später zur Kita anmeldeten, so Bremen. Kita-Chef Müller aus OWL sieht eine &bdquo;zu euphorische Planung“ Diese Fälle sind Detlef Müller derweil nicht bekannt. Der Geschäftsführer verantwortet in OWL rund 160 katholische Kitas und führt den Rückgang der Zahlen eher darauf zurück, dass Träger in der Vergangenheit beim Platzausbau &bdquo;etwas euphorisch geplant haben“ – und in ihren Modellen von Geburtenzahlen ausgegangen seien, die so heute nicht eintreffen würden. &bdquo;Ich glaube, man hat da nicht gut genug hingeschaut.“ Nach Berechnungen Müllers würde der Bedarfsrückgang um 5.000 Plätze in NRW durchschnittlich einen &bdquo;halben Platz pro Kita“ ausmachen. Hätte das konkrete Folgen auf den Kita-Alltag? Das bleibe abzuwarten und dürfte regional unterschiedlich sein, sagt Müller. Der Geschäftsführer erkennt aber durchaus Chancen. &bdquo;Wenn weniger Bedarf in der Praxis dazu führen sollte, dass in einer Kita tatsächlich auch weniger Kinder betreut werden müssen, dann ist das ja nicht schlecht.“ Denn sobald Personal ausfalle, werde es schwer, den Kita-Betrieb eins zu eins fortzuführen. &bdquo;Viele Eltern kennen das inzwischen.“ Beteiligte fordern Novellierung des Kinderbildungsgesetzes Der familienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Maelzer, sieht die Kita-Landschaft in NRW derweil im &bdquo;Rückbau“. Das sei ein &bdquo;familienpolitischer Offenbarungseid“. &bdquo;Offenbar herrscht in dem ganzen System so viel Verunsicherung, dass sich niemand mehr über den Status quo hinaustraut“. Mit sinkenden Geburtenzahlen allein lasse sich der Rückgang nicht erklären. Lesen Sie auch: Luxus-Kita in Bielefeld: Abhol- und Bringservice begeistert Eltern Sowohl Müller als auch Maelzer und Bremen sehen einen entscheidenden Hebel in der Finanzierung. &bdquo;Die Finanzierung unseres Alltags ist nach wie vor nicht auskömmlich“, sagt Kita-Chef Müller. Ohne Eigenmittel für Investitionen könne kein Träger neue Plätze schaffen. Auch das Finanzierungssystem, das Pauschalen pro Kind vorsieht, wirke sich kontraproduktiv aus, sagt Maelzer. &bdquo;Wenn die Gruppen nicht komplett belegt sind, drohen Trägern Einnahmeausfälle. Auch das hemmt in finanziell unsicheren Zeiten den Ausbau.“ Bremen vom Deutschen Kita-Verband sieht &bdquo;erhebliche gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten“ für die Landesregierung durch die Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz), welches seit 2022 ausstünde. Damit könne man der anhaltenden Verunsicherung unter Eltern, Familien, Mitarbeitenden und insbesondere freien Kitaträgern entgegenwirken und deutliche Signale für eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Kitaversorgung geben.

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